Kommentar Terrorwarnungen: Wem nutzen die Terrorwarnungen?

Die Terrorwarnungen sind realistisch. Das nützt den Verantwortlichen: Repressive Maßnahmen sind leichter durchsetzen. Dabei gibt es vieles, was getan werden könnte - ganz undramatisch.

Ein Pilot hat verschiedene sinnvolle Möglichkeiten, auf ein Unwetter zu reagieren. Die Passagiere darüber abstimmen zu lassen, ob er rechts oder links an den Wolken vorbeifliegen soll, gehört nicht dazu. Das löst kein Problem, sondern allenfalls Panik aus. Fluggäste müssen für die Entscheidung, mit wem sie reisen wollen, sich gut informieren können. Aber an Bord sind dann diejenigen verantwortlich, denen die Passagiere ihr Vertrauen geschenkt haben. Das ist bei der Bekämpfung von Terrorgefahren ähnlich.

Im Zusammenhang mit möglichen Anschlägen stellen sich Fragen. Zunächst: Sind derlei Warnungen realistisch? Ja, vermutlich. Zumal wenn sie so allgemein gehalten sind wie jetzt. Kassandra hat immer recht. Auszuschließen ist ein Terroranschlag nie - ob in einem Wahljahr oder später.

Nächste Frage. Wem nutzen die Warnungen? Gewiss denjenigen, die sie aussprechen. Niemand kann später behaupten, sie hätten die Katastrophe nicht vorhergesagt. Das entlastet. Außerdem lassen sich in einem Klima der Angst repressive Maßnahmen leichter durchsetzen oder wenigstens erörtern als sonst. Gesetze, die zur Abwehr des RAF-Terrors verabschiedet wurden, gelten bis heute. Innenminister Wolfgang Schäuble nutzte die Fußballweltmeisterschaft, um seine alte Forderung nach Einsatz der Bundeswehr im Inneren wieder zu beleben. Er wird es demnächst erneut versuchen. Jede Wette.

Weiter. Wem nutzen die Warnungen nicht? Der Bevölkerung. Jedenfalls dann nicht, wenn sie mangels konkreter Ratschläge darauf nur reagieren kann wie ein Kaninchen vor der Schlange.

All das bedeutet nicht, dass die Verantwortlichen tatenlos bleiben sollten. Im Gegenteil. Es gibt vieles, was getan werden könnte. Ganz undramatisch. Mittelkürzungen für den Zivilschutz könnten rückgängig gemacht werden, beispielsweise, und das Chaos der Richtlinien und Kompetenzen ließe sich entwirren. Damit ist allerdings nur schwer Wahlkampf zu machen. Letzte Frage: Wie ernst nehmen eigentlich die Zuständigen selbst ihre Warnungen? Seit Ende des Kalten Krieges gibt es in Deutschland nicht einmal mehr ein flächendeckendes Sirenennetz.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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