Anti-Kinderporno-Pläne der Regierung: Keine Web-Sperrung ohne Gesetz

Die Bundesregierung will Internetprovider schon vor einer Gesetzesänderung zur Sperrung von Kinderpornographie verpflichten. Die Firmen verweigern das.

Fahnder des Landeskriminalamtes mit Kinderpornos. Bild: dpa

BERLIN taz Kinderpornographie wird im Internet nicht so nicht so schnell gesperrt werden, wie Familieministerin Ursula von der Leyen (CDU) das wünscht. Die Internet-Provider wollen solche Seiten nur mit einer gesetzlichen Ermächtigung blockieren. "Eine vertragliche Selbstverpflichtung reicht nicht aus", sagte gestern Michael Rotert, der Vorsitzende des Internet-Branchenverbands eco.

Nach den Plänen von der Leyens soll das Bundeskriminalamt eine Liste von kinderpornographischen Webseiten zusammenstellen, die täglich aktualisiert wird. Die Internet-Provider wie T-Online müssten dann verhindern, dass diese Seiten in Deutschland aufgerufen werden können.

Von der Leyen wollte die Internetfirmen per Vertrag schon vor einer entsprechenden Änderung des Telemediengesetzes zur Sperrung verpflichten.

Dabei wollen die Internetfirmen aber nicht mitmachen. "Eingriffe in den Fernmeldeverkehr können nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen", sagte Rotert, die Provider würden sich sonst strafbar machen. Von der Leyen glaubt zwar, dass eine Gesetzänderung noch vor der Bundestagswahl im September möglich ist, Beobachter bezweifeln das jedoch.

Oliver Süme, der Rechtsexperte von eco, wies außerdem darauf hin, dass "über 90 Prozent" der kinderpornographischen Bilder nicht im world wide web angeboten werden, sondern auf Chatseiten oder über direkte Rechnerverbindungen (peer-to-peer-Netzwerke).

Von der Leyens Plan betreffe also nur "die Spitze des Eisbergs" und bleibe deshalb weitgehend wirkungslos. Dennoch werde sich die Internetwirtschaft nicht verweigern. Den Wunsch der Ministerin nach einer möglichst schnellen Lösung stufte eco-Chef Rotert allerdings als "wahlkampftaktisch" ein.

Problematisch sei die Idee der Ministerin, dass jeder, der eine gesperrte Seite ansteuere, ein Stoppschild mit inhaltlicher Begründung zu sehen bekomme. Hierzu müsse der Internet-Nutzer auf eine spezielle Seite umgeleitet werden, was dazu führe, dass die IP-Adresse des Surfers gespeichert werde. "Für den Datenschutz ist das Stoppschild das größte Problem", sagte Rotert. Die Speicherung könne vermieden werden, wenn der Nutzer nur die übliche Fehlermeldung "404 not found" zu sehen bekomme.

Laut eco plant von der Leyen eine Sperrung auf der Ebene der Domain Name Server. Solche Server funktionieren wie ein Telefonbuch und übersetzen eine eingegebene Internetadresse (z.B. www.taz.de) in die eigentliche IP-Adresse (z.B. 86.27.196.232). Sperrungen auf dieser Ebene sind aber leicht zu umgehen, zum Beispiel indem man die IP-Adresse direkt eingibt oder einen ausländische Domain Name Server benutzt. Vorteil dieses Wegs ist laut Roter, dass recht schnell mit Sperrungen begonnen werden könnte und auf die Provider relativ überschaubare Investitionskosten zukämen. Rotert sprach von Summen in Höhe von rund 800 000 Euro pro Unternehmen.

Die Alternative wäre das englische Cleanfeed-System, bei dem der Verkehr zu verdächtigen IP-Adressen näher kontrolliert würde und dann konkrete URL-Adressen (zum Beispiel konkrete Bilder) anhand einer Liste gesperrt werden. Hierzu müssten die Internetfirmen aber erheblich höhere Investitionen tätigen und die Sperrung könnte erst in ein bis zwei Jahren beginnen, so Rotert.

Die Internetwirtschaft warnt davor, dass bald auch über Webseiten-Sperren jenseits der Kinderpornographie diskutiert werde. So habe die Innenministerkonferenz Ende letzten Jahres die fünf größten Internetfirmen aufgefordert, die Seiten von ausländischen Glücksspielangeboten zu sperren, was die Provider aber ablehnten.

Von der Leyen hielt gestern an ihren Plänen zur Sperrung von Kinderpornographie fest. Binnen vier Wochen soll ein Vertrag mit den Internetfirmen geschlossen werden, sagte sie. In drei bis vier Monaten soll es bereits die ersten Sperrungen geben. Europol-Direktor Max-Peter Ratzel wies darauf hin, dass Kinderpornographie auf frei zugänglichen Webseiten dazu diene, die Nutzer in Chatgruppen und Netzwerke zu locken.

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