Arbeitsmarktökonomin über Lohnungleichheit: "Frauen werden entmutigt"

Die Arbeitsmarktökonomin Elke Holst hat die Gehaltsunterschiede in Spitzenpositionen untersucht. Ihr Fazit: Auch dort werden Männer bevorteilt.

Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen ist die Manager-Barbie zwar auch top ausgebildet, aber nicht verheiratet und gehaltsmäßig diskriminiert. Bild: dpa

taz: Frau Holst, Sie haben Frauen und Männer in Führungspositionen verglichen. Viele Studien wiesen bisher aus, dass es die berühmte Lohndifferenz von etwa 23 Prozent gibt, diese sei aber größtenteils durch das andere Verhalten der Frauen erklärbar. In Ihrer Untersuchung war das anders?

Elke Holst: Wir haben die beruflich Erfolgreichsten in der Privatwirtschaft untersucht: Vollzeitbeschäftigte, die in Führungspositionen oder hochqualifizierten Tätigkeiten angestellt sind. Der Gehaltsunterschied zu ihren Kollegen liegt 2007 immer noch bei etwa einem Viertel. Wir können den größten Teil, zwei Drittel dieses Lohnunterschiedes, nicht erklären. Das legt den Verdacht nahe, dass auch Diskriminierung eine Rolle spielt.

Bei Frauen in unteren und mittleren Ebenen heißt es immer, der geringere Durchschnittsverdienst liegt größtenteils daran, dass sie nur in Teilzeit arbeiten, sich eher um ihre Kinder kümmern müssen und weniger in die eigene Fortbildung investieren. Das ist bei Führungsfrauen also nicht so?

Wir haben bewusst Frauen untersucht, die in Vollzeit arbeiten, um das auszuschließen. Familie hat für die Frauen in Führungspositionen nicht so eine gravierende negative Wirkung auf den Verdienst wie für andere angestellte Frauen. Sie können anscheinend trotz aller Probleme die Kinderbetreuung recht gut arrangieren. Insgesamt sind die Top-Frauen aber viel seltener verheiratet als Männer, nur ein Fünftel lebt mit Kindern im Haushalt. Das heißt: Dieses beliebte Argument, dass Frauen zu Hause eine "zweite Schicht" einlegen und deshalb nicht so viel Energie in den Beruf investieren, zieht hier nicht. Auch wenn wir Kinderlose mit derselben Zahl an Arbeitsstunden verglichen, bliebe eine Lohnlücke.

Bleibt noch die Erklärung, dass sie vielleicht schlechter qualifiziert sind.

Die Frauen sind in Top-Positionen genauso gut ausgebildet wie die Männer.

Eine letzte Erklärungsmöglichkeit wäre, dass Frauen in Branchen arbeiten, die schlechter bezahlt sind. Könnte das eine Erklärung sein?

Sicher ist einer der übrig bleibenden Faktoren die Segregation auf dem Arbeitsmarkt. Auch in Führungspositionen sind Frauen häufig in typischen Frauenberufen und dem Dienstleistungsbereich tätig. Hier wird gewöhnlich weniger gezahlt als in Männerberufen und im produzierenden Gewerbe. Aber das erklärt eben nur einen Teil der Lohnlücke. Zwei Drittel des Gehaltsunterschieds sind letztendlich nicht erklärbar.

Woran kann das liegen?

Was sicher nachteilig wirkt, sind Stereotype, die auf traditionellen Rollen basieren: Wenn sich ein Arbeitgeber überlegt, eine Bewerberin könnte ein Kind bekommen und häufiger fehlen, wird er sie möglicherweise zu einem geringeren Verdienst einstellen als einen Mann, der nach seiner Einschätzung dem Betrieb langfristig voll zur Verfügung steht. Genau kann man Diskriminierung aber nicht messen. Ein zusätzlicher Grund könnte auch sein, dass Männer aufgrund ihrer besseren beruflichen Platzierung effizienter Netzwerke spannen, die ihnen weiterhelfen. Grundsätzlich ist noch anzumerken, dass unter den gegebenen Umständen viele Frauen auch entmutigt werden und gar nicht erst einen Aufstieg anstreben.

Was fordern Sie von der Politik und der Wirtschaft?

Es ist mehr Transparenz bei Gehaltsstrukturen in Unternehmen nötig. Kollegen und Kolleginnen sollten sich zum Beispiel über ihr Gehalt austauschen können, um zu einer realistischen Einschätzung über ihren eigenen Verdienst zu kommen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss gestärkt werden. Und Unternehmen brauchen unbedingt einen "Fahrplan" - mit verbindlichen Schritten.

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