Italien verabschiedet "Sicherheitspaket": Jagd auf Flüchtlinge

Flüchtlingskinder dürfen nicht mehr beim Standesamt registriert werden. Bürgerwehren gehen auf Patrouille. Italien und Libyen machen gemeinsam Jagd auf Flüchtlinge.

Ausgebootet: Die Flüchtlinge werden in Lybien abgesetzt. Bild: reuters

ROM taz | Italien zieht die Daumenschrauben gegen irreguläre Einwanderer weiter an. Am Donnerstag verabschiedete das Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit der Regierungsparteien ein vor allem gegen Ausländer gerichtetes "Sicherheitspaket". Zugleich übergab Innenminister Roberto Maroni drei Boote für die künftigen gemeinsamen Seepatrouillen an Libyen.

Illegale Einwanderung sowie illegaler Aufenthalt auf dem italienischen Territorium werden in den Rang einer Straftat befördert. 5.000 bis 10.000 Euro sollen die aufgegriffenen Ausländer berappen, um dann umgehend ausgewiesen zu werden.

Um die Ausweisungsprozeduren zu erleichtern, hebt das Gesetz die Haftdauer in den Abschiebelagern von bisher maximal zwei auf sechs Monate an. Zudem ist in Zukunft jeder Staatsbedienstete verpflichtet, "Illegale" umgehend anzuzeigen. Zunächst wollte die Regierung diese Pflicht auch auf Ärzte und Lehrer ausdehnen, nahm aber wegen des heftigen Widerstands auch in den eigenen Reihen davon Abstand.

Geblieben ist dagegen eine Norm, die Kindern von irregulären Einwanderinnen eine Schattenexistenz beschert: "Illegalen" ist es in Zukunft verboten, ihre in Italien auf die Welt gekommenen Kinder beim Standesamt zu registrieren. Dieses Recht wurde bisher in Italien niemandem vorenthalten, weder flüchtigen Mördern noch Mafiabossen.

Juristen befürchten, dass Immigrantinnen nach der Niederkunft in einem Krankenhaus die Kindesentziehung durch die Behörden droht, wenn die Neugeborenen nicht mehr standesamtlich erfasst werden und rechtlich zu "Niemands-Kindern" werden.

Und schließlich legalisiert das Sicherheitspaket unbewaffnete Bürgerwehren, die in Zukunft dem Staat bei der Verbrechensbekämpfung helfen sollen. Im Norden drohen damit wahre Partei-Patrouillen der ausländerfeindlichen Lega Nord zum Bestandteil des Straßenbildes zu werden. Im Süden dagegen, fürchtet die Opposition, freuen sich Cosa Nostra, Camorra und 'Ndrangheta über ein neues Instrument nun ganz legaler Kontrolle des Territoriums.

Innenminister Maroni von der Lega Nord aber feiert sein Gesetz als großen Erfolg im Kampf gegen "kriminelle Ausländer". Erst am Morgen hatte Maroni im Hafen Gaeta südlich Roms die ersten drei von sechs Patrouillenbooten an Libyen übergeben, die mit gemischter libysch-italienischer Besatzung in Zukunft direkt vor der libyschen Küste Jagd auf Flüchtlingsschiffe machen sollen. "Ab sofort" werde dieser Einsatz aufgenommen, hieß es aus dem Innenministerium. Die schon letzte Woche begonnene Praxis, auf hoher See aufgegriffene Flüchtlinge nach Libyen zurückzuschaffen, dürfte damit zur Regel werden.

Diese Radikalisierung der Ausländerabwehr kurz vor den Europawahlen verspricht hohe Popularität: Etwa zwei Drittel der Italiener zeigten sich in Meinungsumfragen mit dem Regierungskurs einverstanden. Einziges störendes Element ist die harte Kritik der UNO, die auf der Einhaltung der internationalen Verträge zum Schutz von Flüchtlingen besteht. Die UNO könne ja in Zukunft selbst die Asylanträge prüfen, direkt in Libyen, gaben Maroni und sein Regierungschef Silvio Berlusconi zurück.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.