Kommentar Autonome Nationalisten: Die Antifa hat ein Problem

Autonome Nationalisten sehen aus wie linke Autonome. Die Antifa muss ihr Erscheinungsbild nun hinterfragen - auch ihr Männlichkeitsbild.

Sie tragen schwarze Kapuzenshirts, Sonnenbrillen, hippe Turnschuhe und sind bis zur Nasenspitze mit dunklen Tüchern vermummt. Auch im Habitus unterscheiden sich die sogenannten Autonomen Nationalisten nur wenig von ihrem Gegenpart: den linken Autonomen. Nun warnt auch der Verfassungsschutz in seinem aktuellen Bericht vor einer zunehmenden Zahl von Neonazis, die den "Schwarzen Block" als besonders kämpferische Ausdrucksform für sich entdeckt haben und damit immer aggressiver auftreten. Wie der Bericht belegt, geht die Zunahme rechtsextremer Gewalttaten vor allem auf die Autonomen Nationalisten zurück. Und die verprügeln weniger Ausländer als vielmehr ihre linken Widersacher auf den entsprechenden Demos.

Dass es mit der Aneignung linker subkultureller Codes durch die rechtsradikale Szene für die Sicherheitsbehörden auf ebendiesen Demos schwieriger wird, Linke und Rechte auseinanderzuhalten, ist eine Sache. Entscheidend ist, dass mit dieser eben nicht nur äußerlichen Annäherung ein Problem der Antifa zutage tritt: ihre martialische Selbstinszenierung.

Linke Autonome hatten den Schwarzen Block einst als Demonstrationstaktik gewählt, um in ihrer einheitlich schwarzen Bekleidung vor allem von der Polizei, aber auch von Neonazis nicht erkannt zu werden. Mit dem netten Nebeneffekt, dass sie auf ihre politischen Gegner tatsächlich furchteinflößend wirkten.

Dass Rechtsextremisten diese Aktionsform nicht schon viel früher aufgegriffen haben, ist verwunderlich. Denn diese Inszenierung als militante Straßenkämpfer passt bestens zum Männlichkeitswahn der Rechten. Mit dem ebenfalls netten Nebeneffekt, dass auch sie nun von ihren Gegnern schwerer zu erkennen sind.

Bleibt den Sicherheitsbehörden, sich besser in subkulturellen Codes schulen zu lassen, um die Situation vor Ort korrekt einschätzen zu können. Denn die Unterschiede zwischen linken und rechten Autonomen werden zwar feiner, aber natürlich gibt es sie. Verunglückte Kriegerposen hin oder her: Von den Linken geht unterm Strich weniger körperliche Gewalt aus. Auch das zeigt der Bericht des Verfassungsschutzes zweifelsfrei.

Politisch entscheidend ist nun, dass die Antifa ihr Erscheinungsbild grundlegend hinterfragt - und damit endlich auch ihr Männlichkeitsbild.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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