Kinderschutz: Sensibler Umgang mit Problemfamilien

Die Koalition beschließt Änderungen, aber kein neues Gesetz: Die Jugendämter können selbst über Hausbesuche entscheiden und sind nicht gesetzlich verpflichtet.

BERLIN tazNach langem Gerangel um ein neues Kinderschutzgesetz wird dies in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen - so die familienpolitische Sprecherin der SPD, Caren Marks, zur taz. Stattdessen werden wohl nur noch punktuelle Änderungen am aktuellen Kinder- und Jugendhilferecht vorgenommen.

Diese sehen neue Qualitätsstandards vor, die genau festlegen, wie sich die Praktiker verhalten sollen, wenn sie eine Kindesgefährdung vermuten. Der präventive Ansatz in der Kinderhilfe wird gestärkt. "In erster Linie brauchen Familien Beratung, Unterstützung und Hilfe. Erst wenn diese Instrumente versagen, muss der Staat eingreifen", so Marks.

Lange hatte die Fachwelt und auch die SPD die bisherigen Gesetzentwürfe aus dem Familienministerium kritisiert, die den Schwerpunkt auf die direkte Intervention legten. So sollten Jugendämter zum Besuch in verdächtigen Familien verpflichtet werden. Das war der meistdiskutierte Punkt in den Gesetzentwürfen. Jetzt wurde eine Einigung erzielt.

"Die unbedingte Verpflichtung von Jugendämtern zu Hausbesuchen ist nicht mehr in den Änderungen, die Hausbesuche sollen nur noch nach fachlicher Einschätzung erfolgen", erklärt Christel Humme, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD. Dies bedeutet, dass die Jugendämter selbst entscheiden, ob sie in den Haushalt gehen oder nicht. Die verpflichtenden Hausbesuche waren sowohl von der SPD als auch von den Kinderschutzpraktikern kritisiert worden, da Hausbesuche zum Beispiel bei sexuellem Missbrauch kontraproduktiv sein können.

Auch die Vernetzung zwischen Akteuren in der Kinder- und Jugendhilfe soll künftig verbessert werden. So sollen sich Ärzte mit qualifizierten Ansprechpartnern abstimmen, wenn sie bei einem Kind den Verdacht haben, es sei gefährdet.

Seit gut einem Jahr wurde an dem Gesetz gearbeitet, die Fachverbände, darunter auch die Kinderschutzzentren, bemängelten, dass ihre Kritik an dem Gesetz erst sehr spät in den Entwürfen des Ministeriums berücksichtigt wurde.

"Das Kinderschutzgesetz hatte seinen Namen nicht verdient, es ist besser, jetzt nur Änderungen vorzunehmen und in der nächsten Legislaturperiode ein neues Gesetz zu verabschieden", so Marks. Auch die Fachverbände warnten schon letzte Woche davor, das Gesetz noch ad hoc zu verabschieden.

Strittig ist laut Humme noch das Koppeln eines Entschließungsantrages an die Gesetzesänderungen. Der Entschließungsantrag sieht vor, dass sich der nächste Bundestag in einer neuen Initiative mit dem Kinderschutz auseinandersetzt und ein neues Gesetz auf den Weg bringen soll.

Wie bekannt wurde, entziehen Jugendämter und Familiengerichte Eltern immer öfter das Sorgerecht für ihre Kinder. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung. In Hessen wurden 2008 über 30 Prozent mehr Kinder aus den Familien genommen als noch 2007. In den meisten Bundesländern liege die Steigerung bei über 10 Prozent.

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