Die Brücke kommt, das Erbe geht: Dresden ist weiter "scheen"

Nach der Aberkennung des Unesco-Welterbe-Titels demonstrieren in Dresden 300 Menschen. Der Rest ist resigniert - und hofft, die Touristen kommen trotzdem.

Nur noch wenige gehen gegen die Brücke auf die Straße, die meisten wollen wohl lieber drüberfahren. Bild: dpa

Dresden bleibt auch nach der Aberkennung des Welterbe-Titels tief gespalten. Während nach der Unesco-Entscheidung 300 Brückengegner demonstrieren gingen, ist die breite Öffentlichkeit müde geworden: Großer Aufreger ist der Verlust der Auszeichnung, um die sich so viele andere Stätten vehement bewerben, ausgerechnet in der Stadt der schönen Künste kaum mehr.

Das Welterbekomitee der Unesco hatte vergangene Woche in Sevilla nach mehrjähriger Diskussion über den Bau einer neuen Elbebrücke die 2004 an die Stadt verliehene Auszeichnung wieder zurückgenommen. Die vierspurige Brücke wird seit Ende 2007 an einer der schönsten Stellen im Dresdner Elbtal gebaut, ab 2011 soll sie befahrbar sein. Die Unesco wertet die Brücke als Schandfleck in der rund 20 Kilometer langen Kulturlandschaft und plädierte lange für eine Tunnellösung.

Zwei Stunden nach Bekanntgabe der Entscheidung kamen vor der Frauenkirche etwa 300 Demonstranten zusammen. Vor allem der Dichter Thomas Rosenlöcher, Kunstpreisträger der Stadt, wetterte unter Anspielung auf das Autokennzeichen "DD" gegen "DummDresden". Der Sänger Reinhard Decker, einer der Väter des jährlichen großen Elbhang-Bürgerfestes, schämt sich "für den engen Geist in dieser Stadt" und blickt offensichtlich schon seit Längerem in Richtung der freieren Stadt Leipzig.

Davon abgesehen blieben größere Proteste aus, so als sei der Verlust der Unesco-Auszeichnung, um die sich so viele andere Städte immer wieder bewerben, kaum noch Tagesgespräch. Das Klima hat sich verändert in Dresden, ein Paradigmenwechsel, den nur alteingesessene Bildungsbürger oder zugereiste Elite-Akademiker aufmerksam registrieren.

Die meisten Dresdner sind zunehmend resigniert, hatten sie doch genug Zeit, sich auf den Verlust des Titels einzustellen: Mindestens seit dem Unesco-Ultimatum "Brücke oder Titel" vor einem Jahr haben sowohl Brückenfans als auch Welterbebewahrer mit der voraussichtlichen Aberkennung rechnen müssen. Zu sehr hat man sich auch schon an die Unfähigkeit dieser Stadt gewöhnt, ihre zentralen Konflikte, von denen der Brückenstreit nur einer ist, im Geiste einer niveauvollen Streitkultur zu lösen. Und: Jede andere Entscheidung der Unesco in Sevilla hätte fast schon Unverständnis ausgelöst. Sogar Brückenbauer räumen ein, dass die Unesco dann ihr Gesicht verloren hätte und keinen glaubwürdigen Schutz ihrer Welterbestätten mehr hätte durchsetzen können. Bei einem weiteren Aufschub, wie von Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) in Sevilla erbeten, hätten politische Gegner außerdem einen unerträglichen Triumph von Union und FDP befürchtet.

Äußerlich bleibt die Stadt aber für viele Dresdner unkaputtbar "scheen" und anscheinend beliebig strapazierfähig. Dresden verliere nicht an Anziehungskraft, meinen spontan 81 Prozent in einer Umfrage der Dresdner Neuesten Nachrichten. Wie wenig von solchen Umfragen zu halten ist, zeigt indessen die andere große Regionalzeitung. Bei der Sächsischen Zeitung hielt online eine knappe Mehrheit den Welterbetitel für unverzichtbar.

Ob die Aberkennung des Unesco-Titels Auswirkungen auf den ohnehin stark schwankenden Tourismus in Dresden haben wird, ist umstritten. Richtig schmerzhaft ist aber für die Stadtverwaltung erstmal ausbleibendes Geld aus dem Welterbetopf des Bundes: 13 Millionen Euro.

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