Fußball: Fans ohne Hundebegleitung
Um die Gewaltspirale bei Gastspielen des HSV in Bremen zu durchbrechen, trafen sich Hamburger Fans und Bremer Polizisten zum öffentlichen Gespräch.
Wenn rivalisierende Fußball-Fans aufeinander treffen, sind die Konfliktlagen meist unübersichtlich. Zum Beispiel, wenn sich 1.800 HSV-Anhänger vom Bremer Hauptbahnhof Richtung Weserstadion in Marsch setzen. Ultras zeigen, wer Herr im Hause ist, Kuttenträger demonstrieren ihre Treue und einzelne Hooligans suchen den Nahkampf. Sogar der eine oder andere Familienvater wolle dann "mal zeigen, wer er eigentlich ist", wie es Fanbetreuer Mike Lorenz auf einer vom HSV-Supporter Club initiierten Podiumsdiskussion zwischen HSV-Fans und der Bremer Polizei sagte.
Auch die Polizei bietet alles andere als ein einheitliches Bild. Neben den szenekundigen Beamten beider Lager gibt es die örtliche Einsatzleitung, die Reiter- und die Hundestaffel, Wasserwerfer und einfache Polizisten aus verschiedenen Bundesländern mit unterschiedlichen Einsatzkulturen. In Stresssituation könnten "einzelne Beamte in alte Gewohnheiten zurückfallen", gestand der Bremer Einsatzleiter Heinz-Jürgen Pusch zu.
Stresssituationen gab es bei den letzten Gastspielen des HSV in Bremen jede Menge. Um die künftig zu verhindern, waren die Bremer Polizisten nach Hamburg gekommen. "Das Gewaltpotenzial hat sich hochgeschaukelt", begründete Direktionsleiter Rainer Zottmann den massiven Auftritt der Polizei am Bremer Bahnhof, den die Fans als massive Provokation erleben. "Ich war schockiert über das Ausmaß des Aufgebots", sagte Diskussionsleiter Thorsten Eikmeier vom Hamburger Fan-Projekt.
Strafe: Zu einer Geldstrafe von 20.000 Euro verurteilte das DFB-Sportgericht den FC St. Pauli wegen der Fan-Ausschreitungen in den Zweitliga-Partien gegen Cottbus am 25. 10. und Rostock am 2. 11.
Drohung: Sollten sich Vorkommnisse wie in Rostock, wo St. Pauli-Fans Leuchtmunition abgeschossen hatten, wiederholen, droht dem Zweitligisten eine Platzsperre oder ein Spiel vor leeren Rängen.
Regress: "Ein paar Vollidioten ist es gelungen, den über Jahre aufgebauten guten Ruf des FC St. Pauli zu erschüttern", klagt Vereins-Präsident Corny Littmann. Der Club will die Strafe den Krawallmachern in Rechnung stellen, sollten sie dingfest gemacht werden.
Negativer Höhepunkt war ein Hundeeinsatz am Bremer Osterdeich beim Uefa-Pokal-Hinspiel im April, bei dem mehrere HSV-Fans Bisswunden erlitten. Die Hundeführer hatten dabei ihre Tiere teilweise nicht mehr im Griff. Im Polizeibericht las sich die Vorgeschichte so: "Erneut versuchten einige Hamburger die Absperrungen zu durchbrechen, um Begegnungen mit Werderfans zu provozieren." HSV-Fan Johannes Liebnau nannte einen profaneren Grund: "Wir wollten einfach keine nassen Füße bekommen."
Einig waren sich beide Seiten, dass es häufig zu fatalen Missverständnissen komme. Oft stelle sich die Situation am Spieltag anders dar, als in den Lagebesprechungen zuvor. Ab 2010 will die Bremer Polizei Konfliktmanager einsetzen, die zwischen Fans und Polizei vermitteln können. Erfreut nahmen die Hamburger Fans auch zur Kenntnis, dass die Bremer Polizei ihre Hundestaffel nicht mehr in der Nähe größerer Menschengruppen einsetzen will. Auch soll geprüft werden, ob nicht mehr Polizisten Uniform statt Kampfmontur tragen können. Nicht eingehen will die Polizei allerdings auf die Forderung vieler Fans nach Kennzeichnung der Beamten mit Nummern.
Vor dem nächsten Spiel des HSV in Bremen wollen die Bremer Beamten erneut zum Gespräch nach Hamburg kommen. Wieder fehlen werden dann voraussichtlich die Fans aus Bremen. Mit denen sei eine Diskussion derzeit nicht möglich, lautete die einhellige Auffassung der anwesenden HSV-Anhänger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Folgen des Koalitionsbruchs
Demokraten sind nicht doof – hoffentlich
Obergrenze für Imbissbuden in Heilbronn
Kein Döner ist illegal