Kommentar Steuerstreit: Meuterei der Konservativen

Beim Steuerstreit wird deutlich: Merkels zentrale Politikstrategie, die des Aussitzens, funktioniert nicht mehr.

Kaum hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Kabinett überstürzt umgebildet, schon droht das nächste Debakel. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten halten die von Schwarz-Gelb geplanten Steuererleichterungen für Irrsinn. Und sie teilen dies der Kanzlerin in einem Tonfall mit, der eher nach Spontitreff klingt als nach bürgerlicher Strategierunde. Schienen bisher Sozialdemokraten und Linke das Chaos gepachtet zu haben, holen die Konservativen bei dieser Kernkompetenz gerade kräftig auf. Und es wird deutlich: Merkels zentrale Politikstrategie, die des Aussitzens, funktioniert nicht mehr.

Die Kanzlerin hat sich in der Steuerfrage von FDP und CSU in die Falle treiben lassen, Senkungen zu versprechen. Mit dem strittigen Gesetz beschenkt die Koalition Firmenerben und Hoteliers und verschleiert dies mit dem Argument, Wachstum zu fördern. Für diese reine Klientelpolitik verprellt Merkel die hochverschuldeten Länder. Schlimmer, sie bürdet die Kosten für die Geschenke an Gutverdienende der Allgemeinheit auf.

Denn natürlich ist der Aufschrei der Ministerpräsidenten Teil eines Pokerspiels. Es geht darum, ob am Ende Bund oder Länder mehr bezahlen. Nach Merkelscher Logik - alle ruhig stellen, Problem vertagen - drohen Kompromisse folgender Art: Bund und Länder einigen sich auf einen anderen Schlüssel bei der Verteilung der Mehrwertsteuer und perspektivisch auf deren Erhöhung. Schließlich hat Schwarz-Gelb auch noch die große Steuerreform versprochen. Heraus käme ein zutiefst zynisches, aber wahrscheinliches Szenario - Hartz-IV-Empfänger sponsert Firmenerben.

Merkels Unentschlossenheit produziert in einem Bündnis, in dem FDP und CSU um Profilierung kämpfen, einen fatalen Überbietungswettbewerb. Die Kanzlerin läuft Gefahr, die Deutungshoheit über Regierungsinhalte den Kleinen zu überlassen. Und so die WählerInnen der Mitte zu verlieren.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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