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Kommentar GuttenbergBedingt abwehrbereit

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Unselbständigkeit einzuräumen, wird Guttenbergs Strahle-Image schaden – er sähe plötzlich eher wie ein Grünschnabel aus. Alles andere wäre aber noch schädlicher.

D er Luftangriff in Kundus bringt jetzt auch den neuen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mächtig in die Bredouille. Die Enthüllungen über die Einschätzungen des Internationalen Roten Kreuzes stellen die Frage nur umso verschärfter in den Raum, warum um alles in der Welt zu Guttenberg am 6. November sagte, das Bombardement sei "militärisch angemessen" und unvermeidlich gewesen.

Das Rote Kreuz schrieb dagegen, die hohe Zahl ziviler Opfer schließe aus, dass der Angriff dem Völkerrecht entsprochen haben könne. Es habe auch keine Bedrohung für die Bundeswehr gegeben.

Es gibt demnach zwei Möglichkeiten: Entweder misst Guttenberg dem Roten Kreuz grundsätzlich keinerlei Bedeutung zu. Oder, und das ist wahrscheinlicher, er hatte aktuelle Gründe, die Einschätzung des Roten Kreuzes nicht ernst zu nehmen. Nachdem der Minister überhaupt erst seit dem 28. Oktober auf dem Posten war, liegt die Vermutung nahe, dass er sich nach so wenigen Tagen im Amt schlichtweg nicht traute, seinem obersten Soldaten, dem Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, zu widersprechen. Dieser hatte die Vokabel "militärisch angemessen" geprägt.

privat

Ulrike Winkelmann ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.

Guttenberg hat seither die Erkenntnis über zusätzliche Informationen zum Luftangriff zum Anlass genommen, erstens Schneiderhan hinauszuwerfen und zweitens seine Bewertung zu widerrufen. Vor allem Letzteres war natürlich überfällig.

Doch will der Minister seiner Ankündigung, dass Transparenz zu herrschen habe, wirklich entsprechen, wird er vielleicht auch noch dies zugestehen müssen: dass er sich in den ersten Tagen im Job noch nicht ausreichend von den Zwängen und Bedürfnissen seines Apparats befreien konnte und nicht in der Lage war, zu einer eigenständigen Einschätzung zu kommen.

Das wird seinem Strahle-Image schaden – er sähe plötzlich eher wie ein Grünschnabel aus. Alles andere wäre aber noch schädlicher.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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5 Kommentare

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  • P
    paulr

    ein Riesenproblem ist daß heute nahezu niemand mehr glaubwürdig ist: die überführte Verbrecherin Merkel (Moorsleben, etc) und ihre Blödmannsgehilfen, die Neofeudallisten von der sog FDP und und und. Nicht zuletzt hat sich insbesondere vor der Wahl die gesammte Bewußtseinsindustrie an der gezielten Desinformationspropanganda beteiligt. Ihr hier bei der taz seid da keinen Deut besser.

    Das Schlimme ist man fragt sich kaum noch worum es geht sondern versucht , gleichsam über Bande, zu ergründen warum jetzt wieder diese oder jene Lügen verbreitet werden.

    Da ist der Verbrecher Koch mit seinem Gefolge ja fast schon einer der Ehrlichsten, da er ja ganz offen unsere Demokratie bekämpft und da einen Erfolg nach dem anderen schafft...

    taz, schämt ihr euch nicht?

  • E
    Edelweiß

    "militärisch angemessen" und unvermeidlich...

    dann fehlt ja nur noch der große Tapferkeitsorden für den kleinen Oberst. Die Hinterbliebenen sollten entschädigt werden, was wohl so ein afganisches Leben wert ist?

  • E
    end.the.occupation

    Die viel interessantere Frage ist doch, warum die gesamte deutsche Presse - inklusive der taz - ab dem Massaker bis zur Wahl ALLE Durchhalte-Parolen der Bundesregierung klaglos nachgebetet hat - jetzt aber was völlig anderes schreibt - obwohl ALLE FAKTEN schon in den ersten Tagen auf dem Tisch lagen.

     

    Man kann doch als Redakteur nicht so naiv sein zu glauben, dass sich über hundert Taliban versammeln würden, um einen einen schutzlosen (!?) Tanker-Konvoi (?) von zwei (?) Tankwagen zu überfallen.

    Und daher konnte man praktisch unbesehen abschätzen, dass locker die Hälfte der Getöteten keine Taliban sein konnten.

    Das musste doch jedem Redakteur klar sein.

     

    Wer trägt eigentlich die Verantwortung für die Verbreitung der total offenkundigen und lächerlichen Lüge, dass die stundenlang im Flussbett feststeckenden - von der Bundeswehr permananent beobachteten - Tanklastwagen eine Gefahr für 'unsere Jungs' sein könnten?

    Warum wurden Jung und seine Sprecher in den Pressekonferenzen für diese Erklärung nicht einfach ausgelacht?

     

    Ich kann mich sogar daran erinnern, dass irrsinnigerweise kurz danach im 'heute'-journal berichtet wurde, dass die Zustimmung zu dem Einsatz nach dem Massaker sogar noch angestiegen sei. Wer hat bloss diese Umfrage fabriziert`?

     

    Offensichtlich haben die Medienschaffenden dieses Landes doch einfach wie auf ein Kommando hin die Hände von den Tasten genommen - und brav die Verlautbarungen von dpa und ap abgedruckt - bis die Wahl durch war.

     

    Das Problem ist doch nicht Guttenberg - der nur das getan hat, was die meisten Behördchefs hierzulande agetan hätten - sondern die Journaille, die einfach beschlossen hat, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

     

    Also wie ist das möglich? Und was ist - abseits der noch viel absurderen Palästina-Berichterstattung - in diesem Land denn noch so alles möglich?

     

    Wie ist es möglich, dass man sich dem Eindruck nicht entziehen kann, dass der Reichspropagandaminister wieder aus dem Totenreich zurückgekehrt ist?

     

    Fragen, auf die ich nur allzugerne eine Antwort hätte?

  • WC
    Werner Conrad

    Ich bin immer noch der Meinung, daß die Zahl der Opfer wesentlich geringer ist, als auch von NATO behauptet.Die angeblichen Leichen sind zu schnell beseitigt worden. Außerdem: Es ging um zwei mit je ca. 20 to Benzin beladene, von den Taliban geraubte potentielle Bomben. Ich gönne jedem der Kritiker, eine solche Entscheidung einmal zu treffen.

  • EH
    Eva Horstick-Schmitt

    Mit kann niemand erzählen, dass Guttenberg das alles nicht wusste. Darüber waren ja schon Polizeibeamte informiert u. Politiker _viele Wochen vorher. Dieser Angriff war überhaupt nicht nötig. Die Amerikaner haben mehrfach angemahnt und gefragt, ob sie den Angriff wirklich durchführen sollen. Es gab Hinweise genug, dass dort Zivilisten getötet werden würden.

    Die Bundeswehr in Form des Generals müsste sich dafür nicht nur entschuldigen, sondern auch die Opfer (Hinterbliebenen ) angemessen entschädigen. Damit wird zwar niemand lebendig, aber die Menschen dort respektieren schon auch , wenn andere ihre Fehler eingestehen. Das haben die Deutschen lange nicht getan und sich damit wirklich nicht rühmlich verhalten.