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74,4 % der Stuttgarter wollen das Projekt nicht!Viele tausend Bürger gehen auf die Straße.In der letzten Demo am Donnerstag haben die Demonstranten spontan eine Straße blockiert und sind zwei Stunden lärmend vor Wut durch Stuttgart gezogen. Die hohen Herren juckt das (noch)nicht.Aber wir Bürger lassen nicht locker.Eine richtige Wut kriege ich bei der erneuten gefährlichen Schönrechnerei. Ausgelegt wurde seit Anbeginn der Tunnel mit 4,5 MPa Quelldruck. Jetzt rechnet Grube nur mit 2,5 MPa durchgängig auf 5km Strecke mit quellfähigem Gipskeuper???. Prima - die Verformungen des Tunnels lassen jetzt schon grüßen. Die Nachfolgekosten kommen bestimmt, Herr Grube! Aber darin hat die Bahn wirklich Erfahrung (siehe Leipzig) Entweder muss schon während des Baus saniert werden (was wieder mehr kostet - da wären wir wieder bei den Anfangskosten 5 Milliarden statt 4,1 Herr Grube) oder aber was viel schlimmer ist, wenn der Bau fertig ist. Kommt es da zu Verformungen geht gar nix mehr.Schlimmstenfalls geht das auf Kosten der Fahrgäste. Aber damit hat die Bahn ja Erfahrung in Berlin, wo sie die Wartungsintervalle von alle 7 Tage auf alle 14 Tage erhöht hat.Mit gravierenden Folgen für die Menschen die Unfälle mit diesen Zügen hatten. Aber ständig sanieren kostet viel (was Sie jetzt einsparen holt Sie nachher doppelt wieder ein) und was sagen Sie den Fahrgästen, wenn diese "in die Röhre gucken, weil nix geht" ? Ferner ging es ja schon los, dass nur die Verlegung des Gleisvorfelds viel teurer wird -und das sind nur "Peanutskosten" im Vergleich mit dem Tunnelbau.
Im übrigen "Erfahrung" mit Mehrkosten: Was ist mit den Kosten bei den noch nicht planfestgestellten Teilen, Fildertunnel, Flughafenbahnhof etc? Kann die Bahn schon hellsehen, was das kosten wird?
Meine Güte, in Frankfurt und München saßen kluge Köpfe, die so ein Desaster- Projekt von ihrer Stadt abgewendet haben! Aber wir wehren uns! Wir Stuttgarter gehen weiter zu den Montagsdemos und trommeln und pfeifen und schreien so laut, bis es in Berlin ankommt! Irgendwann wird auch die Stuttgarter Presse nicht umhin können, die Stuttgarter Bürger ernst zu nehmen und nicht vor Herrn Oettinger zu kuschen. So eine einseitige Presse wie in Stuttgart habe ich noch nie erlebt. Beängstigend!Wobei die Stuttgarter Zeitung ja noch "etwas moderater" ist. Aber nichtsdestotrotz lässt in meinen Augen "China" grüßen in puncto Pressefreiheit! Man soll aber die Hoffnug nicht aufgeben.
Ein Jugendlicher bekennt sich zum Angriff auf den SPD-Politiker Ecke. Weitere Attacken werden bekannt. Am Sonntag finden Demos für Demokratie statt.
Kommentar Stuttgart 21: Schön gerechnet
Die finanziellen Ausmaße des Stuttgarter Bahnhofprojekts sind gigantisch und eigentlich unbezahlbar. Doch die Politiker klammern sich an die Pläne, rechnen sie schön und stimmen zu.
Ein bitteres Schauspiel, wie das Milliardenprojekt Stuttgart 21 politisch schön gerechnet wird. Es soll kommen, es muss gebaut werden: Eigentlich haben die neuen Kalkulationen zu dem gigantischen Neubau des Stuttgarter Bahnknotens nämlich ergeben, dass es zu teuer wird: 4,9 Milliarden.
Es wäre das Ende gewesen. Eine grandiose Blamage für CDU, SPD und FDP in Baden-Württemberg. Für Generationen von Politikern, die seit 1994 predigen, der große Graben sei finanzierbar. Nun muss ein fast schon bemitleidenswerter Grube verkünden: „Erkenntnisse aus der Markt-Vergabeanalyse“ und „Dinge, wo wir mit den Architekten reden müssen“ hätten 597 Millionen Euro „Einsparpotentiale“ und 294 Millionen Euro „Chancen“ ergeben. Dechiffriert heißt das nichts anderes als: Wir haben so lange an den Zahlen gedreht, bis es passt. Unter 4,5 Milliarden musste herauskommen, denn nur so weit ging die Finanzierungsvereinbarung vom April 2009.
Grube verspricht nicht, dass es nach Baubeginn im nächsten Jahr nicht doch zu Kostensteigerungen kommt. Vermutlich, weil er weiß, dass sie kaum zu vermeiden sind: Dann, wenn die freie Wirtschaft in Ausschreibungen ihre Preise nennt. Nur wenige Firmen sind fähig, die kilometerlangen Tunnel unter der Stadt überhaupt zu graben. Vermutlich wird eine Auftragsvergabe an Firmen aus der Region politisch gewollt sein. Der Wettbewerb wird sich in Grenzen halten.
Grube wird nun auf Jahre hinaus ein Projekt vertreten müssen, dass der Bahn wichtige Investitionsmittel wegfrisst - und zwar in ganz Deutschland. Doch mit einem hat er Recht: Ein von Projektgegnern favorisierter, günstigerer Erhalt des Kopfbahnhofes würde erneut zu jahrelangen Planungen führen. Das aber ist nicht deren Schuld. Die Politik glaubt seit 15 Jahre ihren eigenen Stuttgart 21-Mantras und hat es versäumt, Alternativen zu planen. „Das ist Verkehrs-, Wirtschafts- und Umweltpolitik auf höchstem Niveau“, lobte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger dafür gestern selbst.
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Kommentar von
Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.