Komödie über Heiligabend: Ein kleines Kind der Liebe
Endlich wieder eine gelungene Weihnachtskomödie mit Martina Gedeck als Enddreißigerin, die an Heiligabend ihre Patchworkfamilie um sich versammelt (Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD).
Weihnachten ist das Fest der Liebe und das hierzulande wichtigste Familienfest. Dabei beschreibt der Begriff der Familie eine personelle Konstellation, wie sie häufig nur dieses eine Mal im Jahr zusammen kommt, wie viele meinen: aus gutem Grund. Familie ist nämlich, sagt das Bundesverfassungsgericht, „die umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern“. Und was „umfassend“ bedeutet, zeigt sich dann an jenem einen Abend: Heiligabend. Da sammeln sich Menschen um eine Tafel, die sich sonst die größte Mühe geben, einander aus dem Weg zu gehen. Daran ändert auch eine neue Gesellschaftsordnung nichts, in der die überkommene Großfamilie weitgehend perdu ist. Die weniger auf Blutsbande gründende moderne Patchworkfamilie, die „Puzzle-Familie“ (Pressemappe zum Film), die „polynukleare Familienstruktur“ (Figur im Film) ist nicht besser dran. Im Gegenteil.
Das veranschaulicht auf mustergültige Weise der Film „Meine schöne Bescherung“, in dem es der Festredner so formuliert: „Liebe Familie – ich nenne euch so, obwohl ich sehr froh bin, dass ich mit den meisten von euch nicht verwandt bin.“ Besagte Familie hat in ihrem Zentrum eine wohl meinende Enddreißigerin, hinzu kommen ihr vierter Ehemann, ihre drei Kinder seiner drei Vorgänger, sein Sohn aus erster Ehe, alle Ex-Ehepartner samt neuen Partnern – und noch ein paar Leute mehr. Die erste Frau des vierten Ehemannes ist übrigens heute die dritte Frau des zweiten Mannes. Schön kompliziert und an sich schon eine patente Grundlage für eine Komödie. Es kommt aber noch dicker, die familienorientierte Enddreißigerin hat für ihren aktuellen Mann „ein wunderbares Geschenk: Wir kriegen ein kleines Kind der Liebe.“ Was sie nicht weiß und an diesem Abend als Letzte erfährt: Er, gelernter Psychologe, hat sich, um ihren Kinderwunsch konfliktfrei zu unterlaufen, heimlich sterilisieren lassen: „Mein Leben, meine Entscheidung!“ Die große Frage, die die Komödie fortan an- und ihn umtreibt: Wer ist der Vater?
Nun ist die Filmkomödie – wenn sie aus Deutschland kommt – ein problematisches Genre. Supernase Otto ist passé, dafür geben heute Til Schweiger und Leander Haußmann die Lümmel von der ersten Bank. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen, das dachte sich wohl auch die für Filme von der schwermütigen Sorte (das wiederum die bekannte Stärke deutschen Filmschaffens) geschätzte Regisseurin Vanessa Jopp – und traute sich. Natürlich hat sie es clever angestellt: Ihr vor zwei Jahren in den deutschen Kinos gelaufener Film ist das Remake eines zehn Jahre alten schwedischen Filmerfolgs. Kalkuliertes Risiko also. Hinzu kommt die Verpflichtung eines so prominenten wie erfahrenen Darsteller-Ensembles, darunter Heino Ferch, Jasmin Tabatabai, Meret Becker und die ProSiebenSat.1-Cracks Matthias Matschke, Alexandra Neldel, Bjarne Mädel.
Der größte Coup in Sachen Risikobegrenzung aber war die Besetzung der Enddreißigerin mit Martina Gedeck. Die hat nämlich schon die Hauptrolle in der über Jahre hinweg einzigen wirklich guten deutschen Weihnachtskomödie „Single Bells“ gespielt, 1997 von Xaver Schwarzenberger gedreht (der uns zu diesem Fest mit einem „Sisi“-Remake bescheren will), seither alle Jahre wiederholt. Und das aus „Single Bells“ bewährte Erfolgsrezept – Familientreffen unterm Christbaum, immer böser werdende Sticheleien, langsame aber sichere Eskalation, versöhnliches aber irgendwie unkonventionelles Happy End unterm Christbaum – funktioniert auch hier tadellos.
Unabdingbares Schmiermittel dafür sind die bösartigen und mitunter doppelbödigen Dialoge, die, großes Wort, in den besten Momenten des Films gar einem Billy Wilder zur Ehre gereichten. Bespiel: Die Männer sitzen zusammen in der Sauna, an deren Aufbau die Ehemänner eins bis drei gescheitert sind, die Ehemann Nummer vier nun durch Delegation an professionelle Handwerker fertig gestellt hat. Nummer zwei kommentiert das so: „Ein Psychologe, der nageln lässt – Sara hat den großen Wurf gemacht!“ Zu diesem Zeitpunkt wissen weder die Männer noch der Zuschauer vom kleinen Kind der Liebe. Um hier aufzuhorchen, muss man den Film also mindestens ein zweites Mal sehen. Keine schlechte Voraussetzung für seine Wiederholbarkeit, alle Jahre wieder, wenn es weihnachtet.
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