Rechtes Museum in Wolfsburg: Keine "Kraft durch Freude" mehr
In Wolfsburg kauft die Stadt eine Immobilie, um ein rechtsextremes "KDF"-Museum zu verhindern. Mehr als den Verkehrswert will sie nicht bezahlt haben.
WOLFSBURG taz | Durch die Schaufenster des ehemaligen Möbelhauses Alsdorff werden keine Kübelwagen zu sehen sein. In den Räumen, mitten im Stadtzentrum von Wolfsburg, wird auch kein Modell des "Kraft durch Freude" (KdF)-Dampfers "Wilhelm Gustloff" ausgestellt. "Die rechten Pläne haben wir zunichte gemacht", sagt Oberbürgermeister Rolf Schnellecke (CDU). "Die NPD ist raus, die Demokratie zieht ein", ergänzt Frank Patta, Erster Bevollmächtigter der IG-Metall Wolfsburg gegenüber der taz.
Im vergangenen Jahr versuchte der verstorbene NPD-Bundesvize Jürgen Rieger in dem Haus gegenüber dem VW-Stammwerk ein "KDF-Museum" zu eröffnen. Die Besitzerin hatte sich an ihn gewandt, da die Stadt ihr trotz schlechter Finanzlage nicht geholfen haben soll.
"Die Verhandlungen scheiterten damals an den überzogenen Forderungen", erinnert Dennis Weilmann, Sprecher der Stadt. Mehr als 100 Neonazis kamen am 4. Juli 2009 in den Räumen zusammen, um einen Verein für ein KDF-Museum zu gründen. Aus dem Fenster hängten sie ein Transparent mit der Aufschrift: "Stadt des KdF-Wagens". Unter diesem Namen war Wolfsburg 1938 von den Nationalsozialisten gegründet worden.
Nach dem unerwarteten Tod Riegers am 29. Oktober 2009 wurde der Kauf des Gebäudes unwahrscheinlich. Die Stadt bemühte sich dennoch um den Erwerb. "Die gesamte Szene ist ja nicht verstorben, wir wollten den bestehenden Strukturen keinen Raum lassen – im wahrsten Sinne des Worte", erklärt Weilmann. Nach der Vereinsgründung fanden in den Räumen verschiedene Veranstaltungen der regionalen rechten Szene statt.
Von einem Panikkauf wollen Patta und Weilmann nicht sprechen. "Das Grundstück ist zum normalen Verkaufswert erworben wurden" betont Patta. Die Besitzerin konnte durch die Nazis keine überhöhte Kaufsumme von der städtischen Gesellschaft WSB einstreichen, versichert Weilmann.
Seit die Eröffnung des Museum durch die Presse bekannt wurde, folgten Mahnwachen. Den Protest richtete ein Bündnis aus, das die IG-Metall mittrug. Kein Panikkauf ist der Erwerb für Patta auch deswegen, weil die weitere Nutzung geregelt ist. Auf dem Grundstück wird eine Beratungsstelle für Demokratie eröffnet. In Absprache mit der "Arbeitstelle gegen Rechtsextremismus und Gewalt" soll im ersten Stock für Schüler, Auszubildende und Eltern entsprechende Maßnahmen angeboten werden.
Im Erdgeschoss wird das Sozialkaufhaus Lichtblick einziehen. Der Umzug wäre dringend nötig, weil bei der steigenden Armut das Kaufhaus expandieren muss. "Ohne Räume werden die Nazis es jetzt schwerer haben", betont Patta.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern