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Debatte Atomstreit IranKrieg gegen Teheran?

Kommentar von Norman Birnbaum

Beim Atomstreit mit dem Iran ist es wie im Kalten Krieg: Lässt sich die Gegenseite auf Verhandlungen ein, reagieren die USA und Europa kopflos.

Die iranische Führung eignet sich allmählich eine aggressive Flexibilität an, wie sie die UdSSR einst in ihren Beziehungen zum Westen zeigte. War die Sowjetunion bereit, einen westlichen Vorschlag zu erörtern, reagierten die westlichen Hauptstädte in der Regel verwirrt, nicht selten sogar panisch. Und so hat auch der iranische Vorschlag, über eine Urananreicherung im Ausland zu verhandeln, die USA und die stets pflichtbewussten Europäer reflexhaft veranlasst, dem Iran ein Täuschungsmanöver zu unterstellen. Dem Westen fehlt jede Strategie für den Umgang mit dem Iran: Entweder er stellt inakzeptable Forderungen auf - oder er verurteilt. Beides verführt die iranische Regierung dazu, noch unberechenbarer zu handeln.

Den USA stehen in Bezug auf Iran derzeit drei Optionen offen. Erstens könnte man den Unilateralisten folgen, die sich nach der ideologischen Einfachheit von Bush und Cheney zurücksehnen. Gemeinsam mit der israelischen Lobby schlagen sie vor, den Iran mehr oder weniger unverzüglich anzugreifen, nachdem das Land mit aller Schärfe aufgefordert worden ist, seine nuklearen Projekte einzustellen. Diese Israel-Lobby sollten wir inzwischen allerdings besser als Likud-Lobby bezeichnen. Denn viele amerikanische Juden hegen starke Zweifel an der israelischen Regierung.

Bild: rhoda baer/ dva

Norman Birnbaum, 1926 in New York geboren, lehrte als Professor für Soziologie an der Georgetown University und beriet Robert sowie Edward Kennedy. Er war Mitbegründer der New Left Review und ist im Redaktionsausschuss von The Nation.

Dass der Iran Atomwaffen entwickelt, steht für diese Fraktion außer Frage. Immerhin handelt es sich um Leute, die sich nicht dafür entschuldigen, den Krieg gegen den Irak mit gefälschten Beweisen gerechtfertigt zu haben. Für sie ist ein israelischer Erstschlag weder notwendig noch wünschenswert. Die israelische Elite bezweifelt zudem, dass Israel den Iran im Alleingang erfolgreich angreifen könnte, und lässt daher lieber den USA den Vortritt.

Die zweite Option ist diejenige, die Obama momentan verfolgt. Angesichts des Drucks der Likud-Lobby, der Differenzen im gewohnt unkoordinierten militärisch-politischen Apparat, der prekären Wirtschaftslage und der anstehenden Herbstwahlen versucht er, einen Angriff auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern und dabei gleichzeitig den Eindruck zu erwecken, über strikte Sanktionen nachzudenken.

Dieses Vorgehen hat folgenden Vorteil: Das amerikanische Militär ist der Ansicht, wir riskierten ein Desaster, wenn wir Iran angreifen, solange unsere Streitkräfte in Afghanistan, Irak und Pakistan im Einsatz sind. Die Androhung von Sanktionen soll die Schwäche unserer militärischen Position kompensieren, über die das Militär wie auch das Weiße Haus lieber nicht sprechen möchte. Während das Militär fürchtet, gefragt zu werden, wofür es eigentlich bezahlt wird, hat das Weiße Haus Angst vor dem Vorwurf mangelnder Willensstärke - egal, wie vernünftig seine Zurückhaltung auch sein mag. Dass bei einem Konflikt im Golf der Ölpreis steigen würde, dürfte ein weiterer Grund für seine Besonnenheit sein.

Das Problem ist nur, dass Sanktionen nicht funktionieren werden. China, das erst kürzlich durch US-Waffenverkäufe an Taiwan vor den Kopf gestoßen wurde, wird nicht mitmachen, und auch Russland zeigt sich widerspenstig. Daher geben sich viele in und außerhalb der Regierung eskapistischen Fantasien hin und fordern, den Iran so sehr unter Druck zu setzen, damit ein "Regimewechsel" möglich wird. Das wäre dann die dritte Option. Wer allerdings so etwas fordert, hat keine Ahnung vom Iran. Denn es stärkt vor allem das Regime, wenn sich die USA allzu laut für die Unterstützung der iranischen Opposition aussprechen. Die ganze Welt wird sich daran erinnern, wie eng die Bindung zwischen dem Schah und den USA war. Oder eben daran denken, wie oft die USA Tyrannei rund um den Globus fördern oder zumindest tolerieren.

Leider muss man nicht einmal so ignorant sein wie die Exgouverneurin Sarah Palin, um auf einen Sturz des Regimes zu drängen. Auch der erfahrene und besonnene Exdiplomat Richard Haas hat soeben eine Kehrtwende vollzogen und optiert für einen iranischen Regierungswechsel. Er gilt als Anwärter auf einen Regierungsposten, und als Präsident des Council on Foreign Relations muss ihm daran gelegen sein, die verprellten proisraelischen Spender zurückzuholen.

Kurioserweise ist die Option, einen Regimewechsel herbeizuführen, für diejenigen, die einen Krieg vermeiden wollen, ebenso praktisch wie die Androhung von Sanktionen. Da beides aller Wahrscheinlichkeit nach keine Wirkung zeigen wird, lassen sich diese Forderungen einfach immer weiter aufstellen - ebenso wie wir immer wieder aufs Neue versprechen können, dass sich am Horizont bereits der Erfolg abzeichnet.

Am klügsten wäre es für die USA, Irans Anspruch als Mittelmacht Rechnung zu tragen, den Erdölverbrauch zu senken, die aufgeblähte Präsenz im Nahen Osten zu verkleinern und das überzogene Militärbudget zu reduzieren. Wir könnten auch die Europäer ermuntern, in dieser Region eigene Wege einzuschlagen, und gemeinsam mit ihnen Israel dazu bringen, endlich seine Allmachtsfantasien aufzugeben.

Doch dazu bräuchte man einen US-Präsidenten, der in der Lage wäre, eine neue Mehrheit zu gewinnen und auch zu halten. Das war Obamas ursprüngliche Vision. Die Westeuropäer sind ihm dabei keine Hilfe. Die deutsche Kanzlerin wie auch der Verteidigungs- und der Außenminister wiederholen unermüdlich die banalsten Klischees aus Washington. Erkennt in Berlin denn keiner, dass Obama seine Madridreise abgesagt hat, weil er die Nase von den europäischen "Freunden" voll hat, die nicht kapieren, wie verzweifelt sein Kampf im Weißen Haus ist?

Wenn es ihm mit welchen Mitteln auch immer gelingt, einen bewaffneten Konflikt mit Iran zu vermeiden, wird er seinem Land, Europa und dem Rest der Welt einen großen Dienst erwiesen haben. Ein erheblicher Teil der Öffentlichkeit in den USA will nicht einsehen, dass wir nicht mehr die einzige Großmacht sind. Es ist für uns noch nicht zu spät für ein bisschen Nachhilfe aus Europa.

Aus dem Amerikanischen von Angelika Schumitz

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13 Kommentare

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  • M
    Moritz

    Die israelische Lobby hat in den USA und auch in Deutschland einen großen Einfluss. Zirka 60 % der Kongressmitglieder in den USA haben eine starke Verbindung zur Israel-Lobby. Selbst wenn OBAMA etwas ändern möchte, er kommt nicht am "iraelischen" Senat und Kongress vorbei. Es ist verständlich, dass die Israelis nach dem Massenmord im II. Weltkrieg alles daran setzen, Einfluss auf die Weltpolitik zu gewinnen. Leider schießen sie dabei über das Ziel hinaus.

     

    Die Panikmache, dass der Iran mit der Atombombe Israel angreifen wird ist total übertrieben. Gründe:

     

    1. Das israelische Territorium ist relativ schmal und länglich, daher würde jede Atomwaffe auch tausende Palästinenser, etc. umbringen.

     

    2. Gerade islamische Extremisten wie Ahmadinedschad werden sich davor hüten eine Atombombe auf das Heilige Land (Israel)und islamische Heiligtümer zu werfen, da sie dafür nach ihrem Glauben in die Hölle kommen.

  • R
    Ron

    Die Amis wollen letztendlich ans Öl, oder!? Interessiert die Oligarchen wirklich ein Menschenrecht, dass sie überall auf der Welt mit Füßen treten?

    Isarael ist da, um ständig neue Konflikte und Armut bei den arabischen Nachbarn zu schüren. Ein Friedensweg wäre so einfach, indem man den Kolonialismus im Westjordanland beendet. Aber die Profitinteressen einiger sehr mächtiger markfanatischer Clowns, unterschiedlichster Ethnien und Religionen, lassen das nicht zu. Sorgen wir dafür, dass solche Vampire von der Welt verschwinden.

  • A
    anke

    Ich kann die Verzweiflung, die aus diesem Text spricht, gut nachvollziehen. Es scheint, als hätten Merkel, Guttenberg, Westerwelle, Netanjahu, Barak, Olmert und viele andere ihre Idee von Macht den Kinder-und Hausmärchen der Brüder Grimm entnommen. Hohle Phrasen, schuppige Drachen, bunte Kostüme, rauschende Feste und von vernünftiger Politik keine Spur. Die Medien sind keinen Deut besser. Ich habe den Obama-Hype noch gut im Ohr, den sie während des Wahlkampfs initiiert haben. Genau so gut, wie ich die Schmährufe noch im Ohr habe, die es hagelte, als nicht über Nacht das Wunder geschah, das die USA zum ersehnten Märchenland machte. Und auch das bundesweite Schwadronieren um die vermeintlichen oder tatsächlichen Absichten des Iran und die im Zusammenhang damit zu erwartenden Folgen habe ich nicht vergessen. Bei so viel an entscheidender Stelle zusammengeballter Inkompetenz würde es schon fast an ein Wunder grenzen, wenn die Welt dem Desaster, dem sie 1989 knapp entronnen schien, nicht doch noch zum Opfer fiele.

     

    Alles in allem, denke ich, ist es die Unfähigkeit, sinnvolle Prioritäten zu setzen, die uns Menschen immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Ökologisch, ökonomisch und militärisch natürlich auch. Daran aber allerdings können, wie es aussieht, nicht einmal Männer wie Norman Birnbaum etwas ändern. Dafür gibt es einfach zu wenige von ihnen.

  • F
    Flo

    "Langfristig wird Israel den USA wurst sein"

     

    Macht euch mal keine falschen "Hoffnungen"...Israel wird auch in Zukunft nicht alleine da stehen...

  • O
    ooops

    Da wird wohl der neue "Ostblock" ideologisch zusammengezimmert.

  • TF
    the fnord

    @chris

     

    Es geht darum ein altbekanntes Feindbild aufrecht zu erhalten. Denken wir einmal an Irak, Aghanistan, Pakistan... Diese Gegenden wurden weshalb in Schutt und Asche gebombt? Richtig, Ressourcen. Immer schön die Angst der eigenen Bevölkerung vor Terroristen und irren Bombenbastlern schüren und dann darf man auch wieder nach Lust und Laune Angriffskriege führen, wie es einem beliebt. Wer braucht schon Beweise? Wen interessiert die Zivilbevölkerung im Iran? Die westliche Welt schert sich doch einen Dreck um die Bewohner des Landes. Leider.

     

    Wer sehen will, wie man als echte Atommacht mit den USA umgeht, bitte einmal nach Nordkorea schauen. Redet irgendjemand darüber dieses Land zu invasieren / "unsere Freiheit in Nordkorea zu verteidigen"? Nein:

    Es gibt dort keine interessanten Ressourcen und das letzte was man will ist ein Feind, der einem zur Abwechslung wirklich gefährlich werden kann.

     

    Ihr streicht mir die Gelder? Dann drücke ich den roten Knopf. Basta. Keiner redet von Nordkorea.

  • L
    Lukas

    Langfristig wird Israel den USA wurst sein, sie haben eigene Probleme. Israel spielt eine große Rolle für die USA als Hegemonialmacht. Israel selbst und die Juden waren den USA schon immer egal.

    Es mag ja Verschwörungen geben (wie könnte es sonst Anschläge und ähnliches geben), aber dass die Zion Lobby in den USA allmächtig wäre, halte ich für eine Urban Legend. Aber diese wurde ja auch schon in den 20/30iger und den folgenden Jahren, bedeutungsvoll.

     

    Bis auf das, ist es ein richtig guter Beitrag. Kannste lange nach suchen!

  • O
    observer

    Kann mir mal jemand erklären, welches Völkerrecht der Iran verletzt. Man wird an die Hetze gegen den Irak erinnert ("time is over"...). Iran hat doch den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben - im Gegensatz zu einer anderen Atommacht, ist es nicht so?

  • C
    chris

    @the fnord

     

    um was geht´s denn? ich find´s immer ein bißchen kompliziert da ein urteil abzugeben wenn man sich nicht mit der situation israels bzw. der juden befasst. die angst vor einer atommacht iran ist da durchaus anders einzuschätzen als in deutschland, bzw. als nicht-jude...nur um auch mal zum nachdenken anzuregen.

  • R
    rose

    Ein sehr interessanter Artikel!Sehr selten,so etwas in einer deutschen zeitung zu lesen:die berühmt-berüchtigte Schere im Kopf deutscher Journalisten ist sehr scharf!

    Aber was nützt eine realistische Analyse,wenn die Entscheidungsträger zu feige sind,den Einflüsterungen bestimmter Lobbyisten zu wiederstehen!

    Also die gleichen tragischen Dummheiten wie immer!

  • P
    Potzblitz

    Wir erinnern uns an die Zeit mit Irak unter Hussein? Kein Untersuchungsergebnis, keine Argumente, kein Entgegenkommen war ausreichend genug-die USA wollten den Krieg. Vorher ließ der Westen unter den Sanktionen vermutlich 500000-1 Million irakische Kinder verhungern.

    Es wird bald die nächste Show im UN-Sicherheitsrat geben. Vielleicht sogar mit den absolut identischen Luftaufnahmen wie damals. Bei N24 zeigten sie uns bereits solche Bildchen. Und dann-na klar, der nächste Angriffskrieg. Die USA wollen auch diesen Krieg, nachdem ihre Destabilisierung des Iran noch nicht den erwünschten Erfolg gebracht hat. Und die bananenrepublikanische Regierung wird dem Hegemon und seinem Friedensnobelpreisträger folgen.Sind die deutschen AWACS eigentlich noch als Zielleitflugzeuge in der Türkei?

    Alternativen? Iwo. TINA (There are no Alternatives), sagen sie uns.

    Ach ja, interessiert es eigentlich noch jemanden, dass der Iran den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat und bisher nachweislich nichts getan hat, was diesem widerspricht? Eigenartigerweise (oder garnicht so eigenartigerweise?) wird dies in der Berichterstattung stets 'vergessen'.

    Interessiert es irgendjemanden, dass Israel und Indien anerkannte Atommächte sind und den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben und deshalb auch keinerlei Kontrolle unterliegen?

    Also, auf gehts zum nächsten Krieg.

    P.S.: ein Geheimtipp für den nächsten Krieg nach dem kommenden Krieg gegen Iran - die Subsahara-Region, da gibts Al-Kaida, sagen sie uns.

  • TF
    the fnord

    Es geht bei dem ganzen Iranthema doch weder um atomare Aufrüstung, noch um das Diktatur-Regime. Fangt bitte damit an eure Gehirne einzuschalten und auch regelmäßig zu benutzen. Danke.

  • P
    Pil

    Immer diese US-amerikansiche Arroganz und europäisches Lakaientum von London, über Paris und Madrid. Wann lernen diese Leute endlich, dass sie die klappe halten sollen und sich um ihren Kram scheren sollen, anstatt sich überall in innere Angelegenheiten anderer Staaten ein zu mischen, Boykotte und Embargos zu verhängen. Blöderweise sind die europäischen Regierungen in jeder Hinsicht willfährige Deppen Washingtons... Wie würde wohl die Reaktion aus Washington ausfallen, verlänge der iranische Präsident Dr.A, eine Verschrottung von 3 us-amerikanischen Flugzeugträgern? Würde das Pentagon zustimmen? Dieser höchst absurde Vergleich soll nur das anmaßende Gehabe der USA verdeutlichen.

    Einen schönen Tag an alle!