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Google-Manager verurteiltSchlägervideo über Behinderten

Google-Manager müssen für ein Video haften, in dem ein Jugendlicher misshandelt wird. Weil das Video auf YouTube sehr beliebt war, hätte es schneller auffallen und entfernt werden müssen, so die Richter.

Das Schlägervideo hatte auf der Liste der meistgesehenen Filme gestanden. Bild: screenshot/youtube

MAILAND rtr/apn | Ein italienisches Gericht hat drei Google-Manager für schuldig befunden, mit einem Video die Privatsphäre eines Jugendlichen mit Down-Syndrom verletzt zu haben. Sie wurden zu jeweils sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, sagte der Mailänder Richter am Mittwoch. Hintergrund ist die Veröffentlichung des Videos im Jahr 2006, das zeigt, wie der Jugendliche schikaniert wird. Ein vierter Manager wurde freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft machte geltend, die Aufnahmen hätten auf einer Liste der meistgesehenen Filme gestanden und daher bemerkt werden müssen. Google betrachtete das Verfahren nach eigenen Angaben als Angriff auf die Freiheiten des Internets, weil es den Providern eine unmögliche Aufgabe aufbürden würde: Sie müssten jeden Tag den gesamten hochgeladenen Inhalt auf Seiten wie YouTube überprüfen. Die Staatsanwaltschaft argumentierte dagegen, die Meinungsfreiheit müsse gegen die Rechte einzelner abgewogen werden.

Beobachtet wurde der Prozess in Mailand vor allem von Befürwortern des Internets als einer offenen und sich selbst regulierenden Plattform. Bislang können Nutzer bei YouTube Videos hochladen, ohne dass deren Inhalt kontrolliert wird. Anstößiges Material wird erst von Usern selbst gemeldet.

Schläger schon gefunden und verurteilt

Das Verfahren gegen die vier Google-Mitarbeiter - darunter der Senior Vice President des Unternehmens - fand in deren Abwesenheit und hinter verschlossenen Türen statt. Die Staatsanwaltschaft hatte für zwei von ihnen ein Jahr Gefängnis gefordert, für die beiden anderen sechs Monate Haft.

Angestrengt wurde der Prozess von der Organisation Vivi Down, die sich für Menschen mit dem Down-Syndrom einsetzt. Vivi Down hatte die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, nachdem das Schlägervideo veröffentlicht wurde – kurz bevor Google YouTube übernommen hatte.

Google Italien nahm die Aufnahmen schließlich aus dem Netz; strittig ist allerdings, wie schnell das Unternehmen auf Beschwerden reagiert hat. Dank der Aufnahmen und der Kooperation Googles konnten die vier Jugendlichen, die den Schüler misshandelt hatten, identifiziert und verurteilt werden.

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9 Kommentare

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  • L
    Lars

    Nein wie überraschend das im Kapitalismus das Urheberrecht wichtiger als die Menschenwürde ist. Hat irgendwer was anderes erwartet?????

  • WS
    wütende schnecke

    Unglaublich und widerwärtig.

     

    Mißhandlungen, Tod und Folter kann man bringen.....

    aber wehe wenn 1,5 Sekunden von irgendeinem "urheberrechtlich geschütztzen" Quark zu sehen sind.

     

    Die Freiheit des Internet wird nicht durch Sperren oder Entfernen von solchen wir den hier genannten Dingen gefährdet, sondern durch die Contentmafia.

     

    Wenn das sog. "geistige Eigentum" höher bewertet wird als die Menschenwürde dann hat der Weten den Anspruch der Leitkultur verwirkt.

  • M
    Makeze

    Sicher können wir die Verbreitung illegaler Webinhalte einschränken, jedoch nicht ohne die Verbreitung aller anderen Webinhalte genauso zu beschneiden.

    Wann auch gut gemeint, würde eine solche Zensur neben den Nachteilen auch die Vorteile des Internetz reduzieren.

    Ich persönlich habe nicht angefangen Behinderte zu schlagen, Naziparolen zu grölen oder Fotos von meinem Pimmel zu machen, nur weil ich es im Netz veröffentlichen kann. Und ich glaube so geht es den meisten Menschen auf der ganzen Welt.

    Der freie Austausch von wichtigen, sowie banalen Inhalten würde mich bei einführung so einer aufgezwungenen Selbstkontrolle, allerdings stark betreffen, somit kann ich dieses Urteil persönlich nicht begrüßen.

  • C
    Christian

    Ich schließe mich den Vorkommentatoren an: Die Unterüberschrift ist ja wohl mehr als irreführend. Der Artikel scheint die Fakten ja dann wenigstens richtig darzustellen, auch wenn er reichlich unkritisch gegenüber dieser Gerichtsentscheidung ist. Wieder so ein subtiler Zwang zur Zensur. Ich kenne schon einen Fall aus meiner Umgebung, wo jemand ein politisches Webforum gar nicht erst aufgemacht hat, weil er sich die rechtliche Unsicherheit nicht ans Bein binden wollte. Von der Unmöglichkeit von Urlaub ohne Internet ganz zu schweigen. Wie die Gerichte die Meinungsfreiheit killen. Und die taz jubelt. Das ist groß.

  • A
    Andy

    "Bislang können Nutzer bei YouTube Videos hochladen, ohne dass deren Inhalt kontrolliert wird."

     

    Stimmt auch nicht. Urheberrechtlich geschütztes Material kann herausgefiltert werden, sodass es nicht veröffentlicht wird.

     

    Ansonsten wäre es interessanter was jetzt mit den tatsächlichen Tätern ist. Die haben ja wahrscheinlich auch das Video hochgeladen!

  • TN
    tut nix zur sache

    "Drei Google-Manager veröffentlichten ein Video, in dem ein Jugendlicher mit Down-Syndrom misshandelt wird. Jetzt wurden sie in Italien verurteilt. Google sieht die Freiheit des Internets gefährdet."

     

    Das ist eine falsche und polemische Zusammenfassung dessen was im Artikel steht. Denn schließlich haben nicht die Manager das Video veröffentlicht, sondern die Schläger.

     

    Etwas mehr journalistischen Handwerk kann man doch schon erwarten, oder?

     

    *** Anmerkung der Redaktion: Allerdings. Wir haben den Vorspann geändert. Vielen Dank für den Hinweis.

  • D
    Deepwatch

    Der Titel is bemerkenswert...

    Als wenn die das Video uploaded hätten.

     

    Am Ende dieses Weges steht irgendwann das SEK in der Redaktion der taz, weil diese in einem Artikel oder einen Comment im Internet zum Sturz der Regierung oder für Terrorismus geworben hat.

     

    Die Idee dahinter is brillant: Ich bestrafe nicht den, der es getan hat. Es bestrafe alle, die damit zutun hatten - Ich bestrafe keine Zielperson sondern einen "Raum".

     

    Das ist in den letzten 2000 Jahren DIE Methode gewesen, das Volk zu knechten.

     

    Auch die Nazis haben das gerne gemacht. Die haben nicht den Widerstandskämpfer allein gehängt, nein,

    die haben sein Heimatdorf mit Mann und Maus niedergebrannt.

     

    Das hat im nächsten Dorf schon dafür gesorgt, das die es sich zweimal überlegt haben.

     

    Ich denke gerade über die Titelzeile der taz nach: "Terroristenbasis neutralisiert?" oder "Terroristenhelfer bestraft"...

     

    Ohne Polemik: Was ist los bei euch? Bei den Braunen würdet ihr niemals einen solchen Titel bringen in diesen Zusammenhang. Bitte nicht mit zweierlei Maß.

  • DS
    das Selbst

    Irgenwo muss auch mal Schluss sein. Natürlich müssen die Provider dazu verpflichtet werden die hochgelanden Inhalte zu konrollieren. Das kann ja alles sein: Rassistisch, Faschistisch was weis ich. Ansonsten muss man diese Provider sperren. Das hat nichts mehr mit der Freiheit des Internets zu tun. Da könnten sich Betreiber von Kinderpornos auch darauf berufen.

  • L
    leser

    Ohne das Video hätte man den Täter aber wahrscheinlich nie gefasst.