Portrait Andreas Voßkuhle: Jüngstes Gesicht des Rechtsstaats
Die Entscheidung zur Vorratdatenspeicherung markierte auch den Abschied von Hans-Jürgen Papier. Der Neue, Andreas Voßkuhle, ist so jung wie kein anderer Präsident vor ihm.
Der 46-jährige Andreas Voßkuhle wird am Freitag im Wahlausschuss des Bundestags zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Das vielleicht mächtigste Staatsorgan Deutschlands bekommt damit ein neues Gesicht. Voßkuhle ist der jüngste Präsident des Verfassungsgerichts, den es je gab.
Nach innen ist der Präsident nicht mächtiger als die anderen Richter. An seinem Zweiten Senat hat er nur eine von acht Richterstimmen. Zur Aufgabe des Präsidenten gehört aber vor allem die Repräsentation nach außen, und da wird Voßkuhle die öffentliche Präsenz des Verfassungsgerichts wohl weiter intensivieren.
Voßkuhle ist fernsehgerechter als sein Vorgänger, der liebenswürdige, aber etwas umständliche Hans-Jürgen Papier. Der neue Präsident beantwortet jede Frage druckreif und schnörkellos. Als Mittvierziger hat er zwar nicht die Ausstrahlung eines weisen Lordrichters, aber seine unprätentiöse Souveränität dürfte das Vertrauen in das Gericht auch unterstützen.
Der gebürtige Detmolder war ursprünglich Rechtsprofessor. Er ist mit einer Richterin verheiratet und hat keine Kinder. Seit 1999 lehrte er Verwaltungsrecht an der Universität Freiburg. Vor zwei Jahren wurde er dort Rektor und übernahm das Amt mit viel Elan. Doch schon nach zwei Wochen bekam er einen Anruf von Justizministerin Brigitte Zypries: Ob er nicht auf Vorschlag der SPD Verfassungsrichter werden wolle? Nach kurzer Bedenkzeit sagte der parteilose Jurist zu. Die Freiburger Uni musste sich einen neuen Rektor suchen. Seitdem war Voßkuhle Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Dass er alsbald zum Präsidenten aufrücken würde, war abzusehen. Eine zehnjährige Amtszeit liegt nun vor ihm.
Sein Meisterstück als Vorsitzender des Zweiten Senats war wohl das Urteil zum Lissabon-Vertrag, den das Gericht mit allerlei europaskeptischen Untertönen billigte. Als guter Moderator führte er die linken und rechten Richter zu einem einstimmigen Urteil zusammen. Voßkuhle gilt als guter Teamplayer und muss dies wohl auch sein, wenn er als besonders junger Präsident im Verfassungsgericht etwas bewirken will.
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