Unternehmen mit Quote: Frauen zahlen sich aus

Die Telekom verordnet sich die Quote, Norwegen hat sie schon. Die Effekte sind stets positiv. Und was macht Deutschland? Zumindest ist das Thema Quote nicht mehr anrüchig.

Ausnahme im DAX: Simone Bagel-Trah von der Henkel-AG. Bild: ap

Herr Sattelberger sagte einfach mal Nein. Es galt, Personalvorschläge für den Aufsichtsrat eines Tochterunternehmens zu machen. Auf der Liste: Männernamen. Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Telekom, weigerte sich, die Liste abzunicken. Keine Frauen, keine Unterschrift. Erneut wurde gesucht: "Und plötzlich fanden sich zwei exzellente Kandidatinnen."

Dieses Wunder kann jedes Unternehmen erleben, davon ist Sattelberger überzeugt. Immer, wenn ein Job zu besetzen war, fielen ihnen nur Männernamen ein. Die Telekom, seit Jahren um die Frauenförderung bemüht, hat genug von diesen "blinden Flecken", deren man mit gutem Willen nicht Herr wird. Sie gibt sich als erstes DAX-30-Unternehmen eine Quote. Einen institutionalisierten Sattelberger quasi. Ein "Nein" zu reinen Männerlisten, das dazu führt, den blinden Fleck aufzuhellen. Bis Ende 2015 sollen weltweit 30 Prozent der Führungsjobs mit Frauen besetzt sein, verkündete Sattelberger am Montag auf einer Tagung der Organisation "Frauen in die Aufsichtsräte" (Fidar).

Die Telekom setzt damit um, was international in der Wirtschaftswissenschaft angekommen ist: Wer die besten Leute haben will, darf nicht eine Hälfte durch anachronistische Scheuklappen aussperren. Und gemischte Teams an der Führungsspitze arbeiten effizienter als monokulturelle (siehe Grafik). "Wir schaffen mit der Quote einen Weg, um die gläserne Decke zu öffnen", so Sattelberger. Flankierend zur Quote werde das Unternehmen Teilzeit für Führungskräfte, mehr Kinderbetreuung und Haushaltshilfen und Notfallbetreuungen organisieren, damit Frauen und Männer Beruf und Familie unter einen Hut bringen können.

Die Telekom ist damit Vorreiter auf einem Feld, auf dem sich viel bewegt. "Das Thema Quote ist nicht mehr anrüchig", stellt Monika Schulz-Strelow, Präsidentin von Fidar, fest. Firmen mit gemischten Führungen können nicht nur auf bessere Bilanzen verweisen, sie sind auch deutlich innovativer, wie der "Innovationsreport" des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) regelmäßig feststellt. Das veraltete Frauenbild in Deutschland führe dazu, dass weibliche High Potentials hierzulande regelmäßig in Kinderzimmern mit Teilzeitjob verschwinden. Schweden dagegen, mit seiner sehr egalitären Struktur, ist ein Spitzenreiter bei den Innovationen. Das DIW fordert, die Frauen zu "entfesseln". Die Fesseln, das ist nicht nur der Mangel an Kitas, wie das Sinus-Institut Heidelberg eruierte: Vorurteile gegen Frauen bilden eine weitere effektive Sicherung der gläsernen Decke und entmutigen Frauen auf dem Weg nach oben.

Sattelberger tritt deshalb auch für gesetzliche Quoten ein. Sie sind für ihn Wirtschaftspolitik im besten Sinn: die Wirtschaft langfristig fit machen, wo sie selbst vielleicht nur kurzfristig denkt. "Die Politik sollte sich da etwas emanzipieren. Sie unterschätzt die betriebs- und volkswirtschaftlichen Komponente der Quote", so Sattelberger an die Adresse der zögernden Frauenministerin.

Bild: taz-Grafik: Infotext/M. Kluger

Die Forderungen nach gesetzlichen Regelungen sind Jahr für Jahr lauter geworden. Eine "freiwillige Vereinbarung" für mehr Chancengleichheit mit der Wirtschaft von 2001 war wirkungslos geblieben: Vor allem im Topmanagement veränderte sich fast nichts, bei Großunternehmen sank der Frauenanteil zwischenzeitlich sogar, und jetzt dümpelt er bei knapp 6 Prozent. Mit Bettina Würth und Simone Bagel-Trah führen exakt zwei Frauen Aufsichtsräte in deutschen DAX-Unternehmen. Die Vereinbarung, resümierte DIW-Expertin Elke Host kürzlich, "kann als gescheitert gelten".

Seit Anfang des Jahrtausends führen immer mehr Länder Quotenregelungen ein: Norwegen machte 2002 mit einer Aufsichtsratsquote von 40 Prozent den Anfang. Die Niederlande folgten. In Frankreich ist ein Quotengesetz auf dem Weg, Spanien will bis 2015 die 40-Prozent-Quote erreicht haben, in Schweden bestimmt sie den Wahlkampf. Und in Deutschland treibt die gesamte Opposition dazu an. Vergangene Woche gesellte sich mit Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel ein weiteres Schwergewicht aus der Wirtschaft zu den Quotenbefürwortern.

Denn in der Wirtschaft dreht sich der Wind, zeigt eine weitere Studie des Sinus-Instituts, die am Montag vorgestellt wurde: Drei Viertel der männlichen Führungskräfte wollen mehr Frauen im gehobenen Management und in Aufsichtsräten sehen. Aber nur ein Drittel der Männer glaubt, dass der Anteil der Frauen sich "von allein" erhöhen wird. Ein Drittel könnte sich Quoten als Mittel zu Erhöhung des Frauenanteils vorstellen. Von den weiblichen Führungskräften sprachen sich 51 Prozent für eine Quote aus. Vor allem jüngere Frauen befürworteten (zu 64 Prozent) dieses Instrument.

Bundesfrauenministerin Kristina Schröder (CDU) allerdings ignoriert die Wünsche ihrer Altersgenossinnen aus der Wirtschaft. "Überrascht" hätten diese sie, erklärte sie auf der Tagung. Sie und ihre Freundinnen hätten immer die Meinung vertreten: "Läuft doch auch so." Politische Unterstützung, so gab sie immerhin zu, "kann bei einem für unsere ganze Gesellschaft so wichtigen Anliegen auch nicht schaden". Doch kommt diese offenkundig nicht von ihr. Familienministerin Schröder kündigte lediglich eine Regelung an, nach der Unternehmen ihre Personalstruktur offenlegen sollen. Eine Quote hatte sie schon im Bundestag als bloße "Symptombekämpfung" abgelehnt und mit einer Cortisonbehandlung verglichen. "Cortison ist aber manchmal notwendig, um das Immunsystem zu cracken", blieb Schulz-Strelow am Montag im Bild. "Zum Beispiel das Immunsystem ,Mann an sich' ".

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