Strafvollzug in NRW: Im Besucherraum erstochen

Ein Häftling bringt in der JVA Remscheid seine Lebensgefährtin in einem Besucherraum um. Die Opposition setzt nun die CDU-Justizministerin unter Druck.

Ein Raum für Langzeitbesuche in der JVA Geldern. In einem ähnlichen Raum der JVA-Remscheid ist die 46-Jährige erstochen worden. Bild: dpa

In Nordrhein-Westfalen sorgt erneut ein Tötungsdelikt im Gefängnis für Bestürzung. Wieso ein mit Messern bewaffneter Häftling der Justizvollzugsanstalt Remscheid am Sonntag eine Besucherin umbringen konnte, müsse durch Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) "rückhaltlos aufgeklärt" werden, fordert die Opposition. "Wo waren die Justizbeamten", fragt etwa der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Ralf Jäger: "Warum ist dem Opfer niemand zu Hilfe gekommen?"

Der 50-jährige Häftling hatte die 46-jährige Frau während der Besuchszeit getötet - offenbar war es dem Gefangenen gelungen, zwei Messer und einen Radmutterschlüssel in einen Langzeit-Besucherraum zu bringen. Danach versuchte er, sich selbst das Leben zu nehmen.

Bei dem Opfer soll es sich um die Lebensgefährtin des Häftlings handeln, der 1991 wegen Mord und Vergewaltigung einer Neunjährigen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Die Frau hatte den gelernten Dachdecker 2005 kennengelernt, als er die Haftanstalt erstmals in Begleitung verlassen durfte. Die von der Boulevardpresse bereits "Liebeszellen" getauften Langzeit-Besucherräume gibt es in zwölf Gefängnissen in NRW. Sie sind wohnlicher ausgestattet als die Zellen und dienen durch ungestörten Kontakt zu Familie und Freunden der Resozialisierung.

Die zuständige Justizministerin zeigte sich nach einem Besuch im Remscheider Gefängnis "fassungslos" und kündigte an, "gegebenenfalls Konsequenzen" zu ziehen. Details dürfte Müller-Piepenkötter in der Sitzung des am heutigen Mittwoch tagenden Rechtsausschusses des Landtags nennen.

Die Ministerin steht wegen zahlreicher Skandale im Strafvollzug seit Jahren unter Druck. Bundesweites Aufsehen erregte der Foltermord von Siegburg, bei dem ein 20-Jähriger von drei Mithäftlingen erhängt wurde, nachdem er in der gemeinsamen Zelle stundenlang gequält, geschlagen und vergewaltigt worden war. Ende 2009 und Anfang 2010 gelang insgesamt vier Häftlingen aus den Justizvollzugsanstalten Aachen und Münster der Ausbruch.

Wegen menschenunwürdiger Unterbringung erstreiten Gefängnisinsassen außerdem immer wieder Entschädigungszahlungen des Landes: Wegen der Mehrfachbelegung stehen ihnen zum Teil weniger als fünf Quadratmeter Raum zur Verfügung. SPD und Grüne hatten deshalb in der Vergangenheit mehrfach den Rücktritt Müller-Piepenkötters gefordert.

"Die Ministerin hat den Zeitpunkt, mit Anstand zurückzutreten, längst verpasst", sagt der Sozialdemokrat Jäger deshalb. Wie die grüne Innenexpertin Monika Düker fordert er mehr Betreuungspersonal. "Achtzig Prozent der Gefangenen weisen psychische Auffälligkeiten auf, 50 Prozent konsumieren auch im Gefängnis Drogen", rechnet Düker vor. Trotzdem stünden den rund 18.000 Gefangenen in NRW nur 130 Psychologen zur Verfügung - einer für 138 Gefangene.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.