Debatte Griechenland: Haarschnitt für die Gläubiger

Die Hilfspakete und das Sparprogramm allein werden nicht reichen. Vor dem Bankrott rettet Griechenland nur ein Forderungsverzicht der Gläubiger.

Wer ist schuld an der "griechischen Tragödie" und vor allem: Was ist jetzt die Lösung? Die Antworten auf beide Fragen fallen nach wie vor diffus aus. Dabei lenkt die gebetsmühlenartige Kritik, Griechenland habe im internationalen Vergleich viel zu hohe öffentlichen Ausgaben, von der dominanten Krisenursache ab. Die nämlich liegt woanders: Griechenland leidet unter deutlich zu geringen Steuereinnahmen. Vor allem die Besteuerung der Vermögenden und Topverdiener ist extrem niedrig. Jedoch selbst die gesetzlich gewollte Besteuerung wird durch Steuerhinterziehung und Korruption unterlaufen. Schließlich ist die schwache Ökonomie Griechenlands ein Grund für völlig unzureichende Steuereinnahmen.

Jetzt muss zunächst der drohende Staatsbankrott verhindert werden. Dazu lohnt eine kurze Klärung des Begriffs. Ein Staat wird üblicherweise als insolvent, ja, bei eigenem Verschulden als bankrott bezeichnet, wenn die Ausgaben für Zinsen und Tilgung der Staatsschulden gegenüber den Gläubigern nicht mehr geleistet werden können. Anleger auf den Kapitalmärkten sehen einen Staat bereits am Rande der Pleite, wenn er von seinen öffentlichen Gesamteinnahmen etwa 30 bis 40 Prozent für Zinsen der Kredite aufwenden muss. Heiner Flassbecks Einschätzung (taz vom 30. 4.), Griechenland bewege sich nicht auf einen Staatsbankrott zu, weil es über ein riesiges Volksvermögen verfüge, ist nutzlos. Danach müssten große Teile des Volksvermögens umgehend verkauft werden: Sollen jetzt Inseln oder gar die Akropolis veräußert werden?

Wenn Unternehmen nicht mehr überlebensfähig sind, dann werden am Ende die Produktionsstätten geschlossen und die Beschäftigten entlassen. Eine vergleichbare Insolvenzordnung kann es für Staaten nicht geben. Schließlich lässt sich die Bevölkerung eines Pleitestaats nicht per Dekret entlassen. Dieser systematische Unterschied zwingt die internationale Staatengemeinschaft dazu, bei bankrotten Staaten nach einer politischen Lösung zu suchen.

ist Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität Bremen. Seit 2001 leitet er dort das Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW). http://www.iaw.uni-bremen.de/

Das jetzt von den Euroländern und dem IWF geschnürte Hilfspaket mit einem Volumen von 110 Milliarden Euro bis 2012 setzt, wie Ulrike Herrmann (taz vom 3. 5.) zu Recht betont, auf den Kauf von Zeit. Tatsächlich könnte dieses europäische Bekenntnis zu Griechenland die Spekulanten für einige Zeit verjagen. Sie werden sich dann zwischenzeitlich anderen schwachen Euroland-Kandidaten zuwenden. Trotzdem trägt der Kauf von Zeit nicht zur Stärkung der griechischen Gesamtwirtschaft bei. Im Gegenteil, durch die massiven Kürzungen im öffentlichen Dienst und bei den sozialen Transferausgaben sowie durch eine auf 23 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer wird die griechische Binnenwirtschaft in eine Rezession gezwungen, also kaputtgespart. Dann aber werden die Steuereinnahmen weiter zurückgehen, folglich ab 2013 die extrem hohen Staatsschulden zusammen mit hohen Zinszahlungen voll durchschlagen. Der Kauf von Zeit ist also nur sinnvoll, wenn sich die Gesamtwirtschaft in dieser Periode erholen kann.

Um eine solche wirtschaftliche Konsolidierung überhaupt zu ermöglichen, sollte eine Umschuldung mit dem Ziel des Forderungsverzichtes der bisherigen Gläubiger in Betracht gezogen werden. Länder, die von Schuldenkrisen in den letzten Jahren heimgesucht wurden, sind am Ende nur durch Forderungsverzichte vorm Staatsbankrott bewahrt worden. Im August 1998 etwa ereilte Russland eine den Staatsruin vorantreibenden Schuldenkrise. Argentinien stand 2001/2002 kurz vor dem Bankrott. Auch Ecuador, die Ukraine, Pakistan, Uruguay bewegten sich im Bereich der Staatspleite. Und jeweils zeigte sich, dass die Hilfspakete des IWF, der Weltbank und anderer Staaten zur Rettung nicht ausreichten. Die Staatspleiten wurden erst durch eine Umschuldung mit hohen Forderungsabschlägen zulasten der Gläubiger überwunden, einem "hair cut". So haben die Gläubiger gegenüber Russland auf 69,2 Prozent (2000) ihrer Forderungen und gegenüber Argentinien auf 67 Prozent (2005) verzichtet. Entsprechend sollte auch für Griechenland ein Umschuldungsprogramm mit der Festlegung von Forderungsverzichten der Gläubiger geprüft werden. Dazu wäre eine Gläubigerkonferenz einzuberufen, die den Forderungsverzicht regelt.

Wer sind die Gläubiger? Es handelt sich hier nicht nur um andere Staaten, sondern neben griechischen Banken auch um Finanzmagnaten in Griechenland selbst. Nach den jüngsten Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich betrug Ende 2009 der Bestand an griechischen Auslandsschulden 236,2 Milliarden US-Dollar. Die Gläubiger konzentrieren sich mit 79 Prozent auf Europa. Die deutschen Banken waren Ende 2009 Gläubiger mit rund 31,4 Milliarden Euro. Auf Frankreich konzentrierten sich 52,6 Milliarden. Auch die Schweiz gehört zu den namhaften Gläubigerländern.

In Deutschland wären von einem Forderungsverzicht vor allem die Hypo Real Estate, die Commerzbank, die Postbank, einige Landesbanken und auch die Allianzgruppe (mit 3,5 Milliarden Euro) betroffen.

Forderungsverluste treffen jedoch auch Gläubiger in Griechenland. Ein Großgläubiger ist Spiros Latsis, der Chef eines Finanzimperiums. Auch er müsste mit einem Verzicht auf Forderungen gegenüber dem griechischen Staat, mit denen er bisher hohe Renditen erzielen konnte, einen Beitrag zur Rettung Griechenlands leisten. Übrigens entzieht der "hair cut" auch den Spekulationen mit den Kreditversicherungen (CDS) die Geschäftsbasis.

Ulrike Herrmann widerspricht diesem Vorschlag mit dem Hinweis, hier würde "unpolitisch" eine "Privatisierung" der Krise betrieben. Jedoch, Forderungsverzichte der Gläubiger ermöglichen dem Notlagenland Griechenland etwa durch die Halbierung seiner Staatsschulden und Zinslasten einen Neubeginn, von dem alle Euroländer profitieren. Die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer sowie höhere und vor allem auch realisierte Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen sind richtig. Damit lässt sich aber nicht der schnell zu verhindernde Staatsbankrott bekämpfen.

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