Nordkoreas WM-Teilnahme: Die Pferde sollen fliegen

Nordkoreas Fußballteam ist der große Unbekannte unter den WM-Teilnehmern. Das Land zehrt von der Erinnerung an die Auftritte bei der WM 1966.

Für den Großen Führer: Nordkoreas Nationaltrainer Kim Jong Hun bei der Ankunft in Südafrika, daneben ein Fähnchen schwingender Funktionär. Bild: ap

PJÖNGJANG taz | In den Ausstellungsräumen des Museums für Völkerfreundschaft, die zum Schutz vor Angriffen von außen tief in den Berg gebohrt wurden, liegen 59.058 Geschenke für Nordkoreas Herrscher Kim Jong Il. Darunter ist ein ganz spezieller Schatz: ein weißer Fußball mit dem Autogramm einer brasilianischen Spielerlegende, gewidmet dem "Freund Kim Jong Il". Der Ball stammt von Pelé.

"Pelé!", ruft ein nordkoreanischer Besucher entzückt. "Ich habe ihn immer verehrt!" Unklar ist, ob Pelé jemals Kim persönlich getroffen hat, doch eines ist sicher: Das abgeschottete Land ist ebenso fußballverrückt wie die übrige Welt - in diesen Tagen ganz besonders: Zum ersten Mal seit 44 Jahren ist die Nationalmannschaft wieder in der Endrunde der Weltmeisterschaften dabei. "Wir fiebern Südafrika schon entgegen", sagt der Besucher.

Die Heimatarena des Nationalteams ist das Kim-Il-Sung-Stadion von Pjöngjang. 60.000 Zuschauer fasst es, der Kunstrasen stammt aus Deutschland, gestiftet von der Fifa. Wie werden sich seine Landsleute in Südafrika schlagen? Stadiondirektor Rim Nam Sik gibt sich bescheiden. Wichtigste Voraussetzung für ein gutes Abschneiden bei der WM sei die "richtige innere Haltung" der Mannschaft, die sich nach dem legendären fliegenden Pferd "Chollima" nennt: "Die Spieler müssen die Würde des Landes bewahren und der Bevölkerung Mut machen, ein aufblühendes Nordkorea zu schaffen", sagt Rim. "Und sie müssen an General Kim denken."

Nordkoreas Kicker stehen derzeit auf Platz 104 der Weltrangliste. In der Schweiz hat "Chollima" im Mai allerdings gegen Griechenland ein beachtliches 0:0 geschafft. Eigentlich sollten die Nordkoreaner bis zu ihrem ersten Spiel in Südafrika am 13. Juni ins Trainingslager nach Simbabwe. Doch dort gab es politische Proteste, deshalb sind sie direkt nach Südafrika gefahren.

Leicht dürfte das Turnier nicht werden, in der Gruppe G müssen sie gegen furchterregende Gegner antreten: Außer den Brasilianern und Portugiesen sind auch die heimlichen Favoriten, die Männer aus der Elfenbeinküste, dabei. Immerhin: Wie ihre Rivalen aus Südkorea spielen inzwischen einige Nordkoreaner in ausländischen Vereinen. Einer von ihnen, Hong Yong Cho, kickte zuletzt für den FC Rostow in der Ersten russischen Liga, zuvor war er in der serbischen Superliga. Ein anderer ist bei den "Flügeln der Sowjets" in Samara beschäftigt. Zwei weitere spielen in Japan, sie gehören dort der nordkoreanischen Minderheit an.

In der A-Liga kämpfen 14 Mannschaften um den Titel, alle gehören zu Behörden oder Staatsunternehmen. Besonders erfolgreich sind neben dem Militärverein "26. April" auch die Teams von "Lokomotive" vom Eisenbahnministerium und der "Gelbe Fluss" des Innenministeriums. Auch eine Frauenliga gibt es. Die Fußballerinnen sind international erfolgreicher als die Männer: Dreimal wurden sie schon Asienmeisterinnen.

Nordkoreanische Fans dürfen ihr Team allerdings nicht nach Südafrika begleiten. Wer weiß, was geschehen würde - nordkoreanische Zuschauer sind für ihre Leidenschaft bekannt und berüchtigt. Ein WM-Qualifikationsspiel gegen den Iran endete 2005 mit schwerer Randale. "Hooligans gibt es auch bei uns", räumt Stadionchef Rim ein. "Aber wir ermahnen sie dann mit Lautsprecheransagen, und in der Regel können wir sie wieder beruhigen."

Ob und wie das nordkoreanische Radio und das Fernsehen die WM-Spiele übertragen werden, muss sich noch zeigen. Die TV-Geräte und Radios im Land sind so eingestellt, dass sie internationale Programme nicht empfangen können. Auch im Internet können sich die Fans in der Heimat nicht informieren, weil die Leitungen ins Ausland hochrangigen Funktionären vorbehalten sind.

"Maschinenbeine" nennen die Nordkoreaner ihre Fußballhelden. Sie erinnern sich an die WM 1966, als das damals völlig unbekannte Team Italien im WM-Achtelfinale mit 1:0 aus dem Rennen warf. Gegen Portugal war dann Endstation, weil der berühmte Eusebio ihre 3:0-Führung in eine 3:5-Niederlage umwandelte. Die Sensationstruppe verschwand von der Bildfläche, es gibt Gerüchte, dass einige Spieler im Arbeitslager landeten, weil sie den "Großen Führer" enttäuscht hätten. Die Spieler, die später von dem britischen Dokumentarfilmer Daniel Gordon ("The Game of Their Lives") nach ihrem Schicksal befragt wurden, streiten das ab.

Die neue Generation hoffnungsvoller "Maschinenbeine" trainiert an diesem Abend auf dem Kunstrasen des Pjöngjanger Stadions: 10- bis 13jährige Jungen aus der Sportschule, die dem Kim-Il-Sung-Stadion angeschlossen ist. Jong Se Myung im blauen Trikot und sein Kumpel Chol Rim Bun spielen schon seit drei Jahren, täglich mindestens zwei Stunden nach dem Schulunterricht. Wer sind ihre Helden? Die Antworten kommen wie aus der Pistole geschossen: "Zidane!" - "Ballack!"

Sie träumen den Traum aller Jungen dieser Welt: selbst einmal bei einer WM mitzuspielen. Und wie sehen sie die Chancen ihrer Mannschaft in Südafrika? "Der achte Platz müsste drin sein."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.