Gentrifizierung: Kampf um St. Pauli

Auf dem Areal der "Esso Häuser" am Spielbudenplatz könnte die Politik eine der letzten Chancen nutzen, der Yuppisierung von St. Pauli etwas entgegenzusetzen.

Schauplatz Spielbudenplatz: Die Bewohner der "Esso-Häuser" wollen sich nicht vertreiben lassen. Bild: Ulrike Schmidt

Auf St. Pauli greift die Yuppisierung um sich und die Flächen, auf denen die Stadt dieser Entwicklung mit sozialem Wohnungsbau entgegenwirken kann, sind rar. Doch auf dem Grundstück am Spielbudenplatz 5-13 hat die Politik gute Einflussmöglichkeiten. Denn um die Pläne des neuen Investors zu realisieren, muss ein neuer Bebauungsplan her.

Im Mai 2009 verkaufte der Betreiber der Kiez-Tankstelle, Jürgen Schütze, das 6.190 Quadratmeter große Areal zwischen Kastanienallee, Taubenstraße und Spielbudenplatz an die Bayerische Bau und Immobilien Gruppe. Neben dem zur Reeperbahn gelegenen Gewerberiegel, zu dem auch der Livemusikclub Molotow gehört, einer Tiefgarage und der Tankstelle befinden sich dort auch zwei Häuser mit insgesamt 110 Wohnungen: die so genannten "Esso Häuser".

"Hier wohnen Leute, die alt und krank sind und ihre Wohnungen schon ewig mieten", sagt ein Vertreter der Initiative Esso Häuser. Für viele sei ein Umzug nicht vorstellbar. Ein neutraler Gutachter müsse den Zustand der Gebäude prüfen und beurteilen, ob ein Erhalt der Häuser in Frage komme.

Noch lässt der Investor nichts über sein Vorhaben verlauten. Man sei erst am Anfang der Planungen. "Wir befinden uns in Gesprächen mit der Stadt und dem Bezirk", sagt Pressesprecherin Sabine Hagn. Im Herbst solle es eine Veranstaltung geben, bei der die Mieter über die geplante Entwicklung des Grundstücks informiert werden.

Bereits heute will sich der SPD-Stadtentwicklungsexperte Andy Grote einschalten. Er wolle mit den Anwohnern über die Planungen des Esso Häuser-Areals ins Gespräch kommen. Es sei der Versuch, ihre Interessen frühzeitig in die Planungen einzubeziehen. "Wir können an diesem Ort einen erheblichen Beitrag zu einer ausgewogenen Entwicklung auf St. Pauli leisten", sagt Grote.

Zwar habe jeder Grundeigentümer ein Interesse daran, sein Grundstück möglichst wirtschaftlich zu bebauen, politisch könne man aber über den neuen Bebauungsplan Auflagen zum sozialen Wohnungsbau zu machen. "Wir haben auf St. Pauli nicht mehr viele Flächen, wo man das möglich ist." Ziel der SPD sei es, dass die derzeitigen Bewohner auch in Zukunft dort wohnen können. Die Reeperbahn gehört zum Bezirk Mitte, dort regiert die SPD mit den Grünen.

"Ich finde es gut, dass dieses Thema in der Politik angekommen ist", sagt Steffen Jörg. Er kennt sich mit der Verdrängung auf St. Pauli aus. Zusammen mit seinen KollegInnen von der Gemeinwesenarbeit (GWA) St. Pauli hat er den Dokumentarfilm "Empire St. Pauli" gedreht, der die Umstrukturierung des Stadtteils zum Thema hat.

"Es reicht mit hochpreisigen Miet- und Eigentumsobjekten", sagt Jörg. An genügend Orten seien die Leute bereits verdrängt worden. Diese Stadtentwicklung müsse dringend gebremst werden. Immerhin gibt es mit der sozialen Erhaltensverordnung den politischen Plan, St. Pauli zu schützen. "Gerade deshalb muss es auf dem Areal 100 Prozent sozialen Wohnungsbau geben", sagt Jörg.

Bevor ein neuer Bebauungsplan verabschiedet wird, will der Bezirk Mitte erst einmal einen städtebaulichen Realisierungswettbewerb ausschreiben. "Wenn die Politik von der Initiative und von den Bewohnern des Stadtteils Rückenwind kriegt und sie sogar 100 Prozent sozialen Wohnungsbau fordern, dann hilft uns das weiter", sagt Grote.

Die Möglichkeit, diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, gibt es heute Abend um 18 Uhr - beim "Stadtteilgespräch" der SPD mit Andy Grote.

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