Kulturpolitik: Besitz verdampft

In Hamburg soll das Altonaer Museum geschlossen werden, die Bremer Weserburg veräußert Teile ihrer Sammlung. Verletzt werden in beiden Fällen international anerkannte Richtlinien der Museumsarbeit.

Nach dem Willen des schwarz-grünen Senats in Hamburg soll das Altonaer Museum im Zuge von Sparmaßnahmen geschlossen werden. Bild: dpa

Es hilft nichts, man muss wieder mal das alte Lied von Marx über den Kapitalismus anstimmen: "Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht." Trefflicher lässt sich halt nicht sagen, was gerade in Hamburg und, mit Abstrichen, in Bremen geschieht. In Hamburg macht ein altehrwürdiges, staatliches, sich noch im vollen Betrieb befindliches Museum dicht, das Altonaer Museum. In Bremen trennt sich das Museum Neue Weserburg von 53 Werken, um den Bestand des Hauses zu sichern. Verkauft wird unter anderem ein Hauptwerk der 1960er Jahre von Gerhard Richter.

In Bremen wie in Hamburg werden damit die weltweit geltenden, 2007 vom Bundestag anerkannten "Ethischen Richtlinien für Museen" des Internationalen Museumsrats verletzt. Zwar erlauben diese Richtlinien auch Teilverkäufe der Sammlung eines Museum. Nur aber, wenn die Werke weiterhin in öffentlichem Besitz verbleiben.

In Bremen ist das nur bedingt der Fall. 51 Werke gehen an die Bremer Kunsthalle, aber das Bild "Die Matrosen" von Richter kommt für den Mindestpreis von sechs Millionen Dollar mit einem weiteren Werk bei Sothebys unter den Hammer und ist damit aller Voraussicht nach für die Öffentlichkeit verloren.

Als Sammlermuseum, das als Public Private Partnership gegründet wurde und dessen Betrieb zu einem Großteil mit privaten Mitteln bestritten wird, taugt die Weserburg nur bedingt als Beispiel einer neuen Kulturpolitik. Ein Unbehagen bleibt dennoch. "Im Zweifelsfalle zahlt der Staat", diese dem Finanzsektor entlehnte Lehre, gilt im Kulturbereich nicht. Kein "too big to fail" schützt die Museen, auch wenn es sich um so gewichtige "Player" wie die Weserburg, immerhin eines der größten Museen Deutschlands für zeitgenössische Kunst, handeln mag.

In Hamburg zeigt sich dagegen in schamloser Deutlichkeit, wie der Hase heute läuft; erst Hamburg hat gewagt, herauszuposaunen, dass Kunst und Kultur, ja doch: schön und gut sind, allerdings nur so lange, wie sie sich rechnen.

Das Altonaer Museum scheint sich für den hanseatischen Blick nicht mehr zu rechnen. Jährlich 3,5 Millionen will der Senat mit der Schließung einsparen - während er gleichzeitig zehn Millionen Euro, die über eine Kulturtaxe auf Hotelübernachtungen künftig in die Kassen kommen sollen, fürs Stadtmarketing, Kulturtourismus, Festivals und Kulturevents ausschütten will. Die Lehre dahinter: Kunst und Kultur rechnen sich nur, wenn sie weit hinausstrahlen in die Welt.

Dumm fürs Altonaer Museum. Das hatte sich schon unter seinem Direktor Otto Lehmann Ende des 19. Jahrhunderts von den Hamburger Tor-zur-Welt-Museen abgrenzen wollen und aufs Lokale, auf die schleswig-holsteinische Landes- und Volkskunde gesetzt.

Seither funktioniert das Museum als Bildungsstätte. Für Menschen, die in Altona leben. Es kommen Schulklassen, Familien und ältere Menschen. Also alle - mit Ausnahme vielleicht jener hochmobilen Vertreter der "kreativen Klasse" (Richard Florida), die auf der Suche nach den optimalen Entfaltungsmöglichkeiten ihres geschichtsbereinigten Selbst und dem nächsten großen Ding immer auf dem Sprung sind. Und mit Ausnahme der Touristen. Das Kardinalverbrechen des Altonaer Museums ist darum just dies: nicht ausreichend hanseatisch im Sinne der "Marke Hamburg" zu sein.

Wirklich dumm allerdings ist, dass sich Hamburg mit der Schließung grob verrechnet. 3,5 Millionen Euro Einsparung? Da die Sammlung weiter betreut werden muss, die Mitarbeiter nicht entlassen werden, so rechnet das Altonaer Museum vor, käme man vielleicht auf 300.000 Euro.

Hans-Martin Hinz, der Präsident der Europaregion des Weltmuseumsrates, verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel des Schillertheaters in Berlin: 1993 wurde es geschlossen, die Einsparungen waren minimal. Seither, sagt er, wüsste man eigentlich, dass man sich an Schließungen nur die Finger verbrennt.

Fatal erscheint Hinz aber schon die Geste selbst von Museumsschließung oder Veräußerung des Bestands zu sein. Museen lebten von Schenkungen. "Wer aber", fragt Hinz, "will noch einem Museum Werke vermachen, wenn er nicht weiß, was mit ihnen in Zukunft passiert?"

In Frage steht dabei auch, wofür Museen eigentlich da sind. Die Hamburger Kulturpolitik gibt mit der Schließung des Altonaer Museums eine schlichte Antwort: Sie sind in erster Linie für Wechselausstellungen da, die das große Publikum ziehen. Der wesentliche Aufgabenbereich der Museumsarbeit, das Bewahren, Pflegen und Erforschen der Kulturerzeugnisse, das also, was hinter den Kulissen geschieht, gerät dabei aus dem finanzfixierten Blick.

Man kann es auch so sagen: Die Institution des Museums kümmerte sich einem alten Bildungsgedanken gemäß um den "Besitz für immer". Heute sehen wir den verdampfen. Er geht über in die ephemeren Spektakel der Eventwirtschaft.

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