Kommentar Integrationsdebatte: Pünktchen für mehr Akzeptanz
Auch wenn der Muslimbeschimpfungswettbewerb noch eine Weile weitergehen dürfte: Die Lautesten müssen am Ende nicht die Sieger sein. Wenn genug Leute dagegenhalten.
M ultikulti ist tot, Muslime sind schlimm, und noch mehr Zuwanderung hat keinen Sinn: Kaum ein Tag vergeht ohne diese und ähnliche Politikersprüche. Wenn man die aktuelle Integrationsdebatte verfolgt, fällt es schwer, optimistisch auf die Kraft der Aufklärung zu setzen. Aber es geht. Es gibt Grund zur Hoffnung. Sarrazin hin, Seehofer her: Die destruktiven Stimmungsmacher haben noch nicht gewonnen.
Auch wenn der unsägliche Muslimbeschimpfungswettbewerb noch eine Weile weitergehen dürfte: Die Lautesten müssen am Ende nicht die Sieger sein. Wenn genug Leute dagegenhalten. Und die gibt es. Auch in der Union. Da ist einmal der Realo im Schloss Bellevue. Auf die programmatische Ansage des neuen Bundespräsidenten, wonach der Islam in Deutschland dazugehört, folgte nicht nur ein Proteststurm vom rechten Flügel. Auch die Modernisierer aus der Regierungsmannschaft von Angela Merkel haben reagiert - und zwar so, wie es ihre Art ist: eher leise und pragmatisch. So wie Bildungsministerin Schavan, die jetzt die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse verspricht. Gut so. Viel zu lange hat man bestens qualifizierte Migranten Taxi fahren lassen oder unnötigerweise in die Sozialhilfe getrieben. Diese Verschwendung von Talenten zu beenden ist ein Fortschritt, der zum Abbau von Vorurteilen beiträgt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Ein bisschen Hoffnung macht auch der Vorstoß der Jungen Union für ein Punktesystem zur Steuerung der Zuwanderung. Diese Idee ist zwar nicht neu, aber für die Union immer noch revolutionär. Denn ein solches System einzuführen würde die Lebenslüge der Union beenden, wonach Deutschland in Gegenwart und Zukunft ohne Einwanderung auskommen kann. Seehofers Thesen zum Trotz: In der Union mag ihm die jüngere Generation da nicht mehr folgen. Es gibt also durchaus Gründe, auf einen rationaleren und zukunftsorientierten Umgang mit dem Thema Migration zu hoffen. Voraussetzung für gesellschaftlichen Konsens ist allerdings auch ein Umdenken bei manchen Linken. Wer für Einwanderung eintritt, muss zumindest wahrnehmen, dass alle Einwanderungsländer wie Australien ihre neuen Bürger auch nach Nützlichkeitskriterien auswählen. Nichts anderes bedeutet ja das Punktesystem. Aber ohne eine solche Steuerung wird man die Akzeptanz für Einwanderung nicht erreichen.
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