Kölner Tatort "Familienbande": Lesbische Liebesaffäre im Spießerbiotop

Der Tatort "Familienbande" versucht, ein lesbisches Coming-out-Drama als kleinbürgerliches Trauerspiel zu erzählen. Trotzdem zeigen die meisten Figuren eine gewisse Tiefe.

Sind ein Paar: Iris Findeisen (Anna Schudt) und Nadja Bürger (Katharina Lorenz). Bild: wdr/willi weber

HAMBURG taz | Am Haken hängen die geschossenen Rehe, auf dem Boden liegt erfroren der kleine Mark. Der Tod des Jungen in der Kühlkammer eines Jagdhofs lässt der aufgestauten Wut und den unterdrückten Ressentiments in einem kleinen Ort bei Köln explodieren. Die Einwohner wettern gegen die Hofbesitzerin Iris Findeisen (Anna Schudt), bei der das Unglück (oder der Mord?) passiert ist. Denn die hatte schon länger eine Liebesaffäre mit der Tischlerei-Erbin Nadja Bürger (Katharina Lorenz), der Mutter des toten Kindes. Anlass für allerlei Spekulationen in dem vergifteten Spießerbiotop.

Eine schwierige Aufgabe haben sich Regisseur Thomas Jauch („Crashpoint – 90 Minuten bis zum Absturz“) und die Drehbuchautoren Hans Werner und Peter Goslicki gestellt: Sie versuchen das lesbische Coming-out-Drama als kleinbürgerliches Trauerspiel zu erzählen. In der Enge zwischen Schützenvereinen mit Hirschgeweihen an der Wand und voll vertäfelten Speisezimmern muss die queere Emanzipation nun mal besonders leidvoll erscheinen. Der aufgebrachte Ehemann der fremdgehenden Lesbe (Mark Waschke) sieht sich vor seinen Schützenkameraden gedemütigt, die Mutter (Petra Kelling) 130 Jahren Familienfirmengeschichte den Bach runtergehen.

Doch, wie lobenswert, als die Ermittler Schenk (Dietmar Bär) und Ballauf (Klaus J. Behrendt) den interfamiliären Frontverlauf unter die Lupe nehmen, zeigen die meisten Figuren eine gewisse Tiefe und Widersprüchlichkeit. Der Ehemann scheint unter Schmerzen doch einen gewissen Respekt für seine Frau aufzubringen, und die beiden verliebten Frauen werden offensichtlich von den gleichen kleinbürgerlichen Sehnsüchten getrieben wie ihre heterosexuellen Nachbarn.

Schade nur, dass innerhalb dieses Krimidramas trotz facettenreicher Figuren bald eine gewisse Grobschlächtigkeit Einzug hält. Die Trauernden poltern und pöbeln, für stillere Momente des Schmerzes ist kein Platz. Was leise begann, wird zum plakativen Spießer-Bashing.

In diesem Kontext wirken dann auch die Exkurse in die Hartz-IV-Tristesse mit der Tochter von Kommissar Schenk nur noch schal. Auf der Arbeitsagentur sieht man, wie sie der Tyrannei einer Beamtin ausgesetzt ist – bis sie sich mit Vaters Hilfe dagegen wehrt. Da nimmt der Kölner „Tatort“, der ja gerne besonders düsterer Stoffe aufgreift, um diese dann ins Feelgood-Movie zu drehen, mal wieder eine etwas geschmacklose Wende. Motto: Lieber auf Hartz-IV mit ner knuffigen Familie als reich im Kleinbürgergrab enden.

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