Kommentar Weißrussland: Eiszeit in Minsk

Nach der Präsidentschaftswahl sind fünf der neun Gegenkandidaten Lukaschenkos in Haft, wurden teilweise schwer misshandelt. Es ist an der Zeit, dass die EU reagiert.

Weißrussland, so schien es, halte sich immer mehr an demokratische Spielregeln. Die Freilassung des früheren Präsidentschaftskandidaten Alexander Kazulin und weiterer politischer Gefangener im August 2008 und die Verbesserungen bei der Parlamentswahl im September 2008 gingen klar in diese Richtung.

Und im Wahlkampf um die Präsidentschaft 2010 konnten alle Kandidaten zweimal im Radio und im Fernsehen ausführlich für ihre Positionen werben. Die Europäische Union honorierte diesen Trend im Oktober 2008 mit der Aussetzung der Sanktionen und Ende Oktober 2010 mit der Verlängerung dieser Entscheidung.

Doch nach den Präsidentschaftswahlen vom 19. Dezember ist nichts mehr so, wie es vorher war. Von den neun Männern, die den Mut hatten, gegen den amtierenden Präsidenten Lukaschenko zu kandidieren, sind fünf derzeit in Haft. Zwei von ihnen wurden schwer misshandelt. Zwei weitere sind zwar auf freiem Fuß, dürfen aber die Stadt nicht verlassen und müssen ebenfalls mit einer Anklage rechnen. Bis zu 15 Jahre Haft könnten ihnen bevorstehen.

Bernhard Clasen ist Autor der taz für Themen aus Russland und Weißrussland.

Besonders dramatisch ist das Schicksal von Präsidentschaftskandidat Sannikow und der Journalistin Irina Chalip. Sie haben ihren Sohn, den dreijährigen Danik, seit einer Woche nicht mehr gesehen, Weggefährten der Eltern befürchten, dass das Kind nicht bei den Großeltern bleiben darf und in ein Heim muss.

Und Jaroslaw Romantschuk, einer von zwei Kandidaten, die bisher nicht angeklagt wurden, hat inzwischen seine Beschuldigung gegenüber seinem Mitbewerber Sannikow, dieser habe den Dialog zwischen Belarus und der internationalen Gemeinschaft auf das Spiel gesetzt, zurückgenommen. Er habe diese Äußerung unter Druck des KGB getan, so Romantschuk.

Es ist ein eisiger Winter zwischen Weißrussland und der Europäischen Union. Mit ihrer Forderung nach neuen EU-Sanktionen gegen das Land dürfte die niederländische Regierung wohl kaum auf Widerspruch stoßen.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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