Industrie will Weservertiefung: Baggern für die Tierfabriken
Die umstrittene Vertiefung der Unterweser senkt vor allem die Produktionskosten einer Branche: der Massentierhaltung im Oldenburger Münsterland. Einen Vorteil verspricht sich auch das Bremer Stahlwerk.
Die Silos von Brake sind schon von weitem zu sehen. Hochhaushoch ragen sie in den Himmel, nur eine schmale Kaje trennt sie von der Weser. Vor allem das J. Müller Agri-Terminal macht das niedersächsische Kleinstädtchen zum fünftgrößten Nordseehafen Deutschlands. 5,1 Millionen Tonnen Umschlag verzeichnete der im vergangenen Jahr, davon drei Millionen Tonnen Futtermittelimporte: Soja aus Brasilien und Argentinien, Futtergetreide, Mais und Raps aus Nordamerika. "Über diesen Hafen läuft die Versorgung des ganzen Oldenburger Münsterlandes mit Importfutter", sagt Jan Müller, Vorstandsvorsitzender und Mitinhaber der J. Müller AG.
Terminalbetreiber Müller ist ein großer Verfechter der geplanten, von Naturschützern abgelehnten Unterweser-Vertiefung. Müller legt Wert darauf, dass nicht nur sein Unternehmen, sondern "ein ganzer Industriezweig" - das Oldenburger "Cluster der Ernährungswirtschaft" - von der Tieferlegung des Flussbetts profitieren werde.
Drei Viertel der in Brake angelandeten Futterstoffe enden in den Mastställen der Region. In Müllers Augen müssten dort daher alle ein großes Interesse daran haben, die Weser zwischen Bremerhaven und Brake 90 Zentimeter tiefer auszubaggern. Dann nämlich könnten die Schiffe der "Panmax"-Klasse, die die eiweiß- und stärkehaltige Fracht über den Atlantik schippern, vollbeladen bis nach Brake fahren.
10.000 Tonnen mehr pro Fuhre wären dann drin, rechnet Müller vor, das drücke den Futter-Preis um fünf Dollar pro Tonne. Ein Verzicht auf die Vertiefung, warnt er, werde eine weitere "Verkehrsverlagerung" der Futtermittelflotte nach Rotterdam, Antwerpen und Gent nach sich ziehen - ein "substanzieller Geschäftsverlust" für die J. Müller AG in Brake und ein Rückschlag für die "preisgünstige Versorgung mit Futtermitteln" der Mast- und Eier-Industrie in der Region.
Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest plant und genehmigt im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums den Ausbau von zwei Abschnitten der Weser:
Die Fahrrinne der Außenweser zwischen Nordsee und Bremerhaven, Zufahrt zu den Containerterminals, soll bis zu 1,20 Meter tiefer und 100 Meter breiter werden.
Für die Unterweser sind zwischen Bremerhaven und Brake 90 Zentimeter, von Brake bis Bremen 40 Zentimeter Absenkung geplant.
Seit 1880 ist die Weser zehnmal vertieft worden. Der Tidenhub in Bremen stieg dadurch von 0,20 auf 4,50 Meter.
Ökologische Bedenken beziehen sich auf den drohenden Verlust wertvoller Uferfeuchtgebiete, die drohende Versalzung der Wiesen rechts und links der Weser, die aus dem Fluss bewässert werden und die steigende Sturmflutgefahr bis hoch nach Bremen.
Den Antrag, die Weser erneut tiefer auszubaggern, stellte das Land Niedersachsen im Jahr 2000. Bis Ende März müssen Bremen und Niedersachsen ihr Einvernehmen zu dem Planfeststellungsbeschluss erklären. Der Planfeststellungsbeschluss für das 30-Millionen-Euro-Projekt Weservertiefung, ergo die Baugenehmigung, könnte schon im April ergehen.
Der Bremer BUND hat angekündigt, dann vor Gericht zu ziehen. "Die Unterweservertiefung schadet der Allgemeinheit", sagt Geschäftsführer Martin Rode, "nützt aber nur wenigen Unternehmen - und befördert auch noch die äußerst schädliche industrielle Tiermast."
Neben der J. Müller AG in Brake ist das in erster Linie der Stahlkonzern Arcelor-Mittal, dessen Bremer Werk über ein eigenes Terminal direkt am Weserufer mit Erz versorgt wird. Mit 40 Zentimetern mehr Tiefgang - das ist der Bagger-Plan für den Abschnitt zwischen Brake und Bremen - könnten die Erzschiffe etwa zehn Prozent mehr laden. Wie groß der Kostenvorteil daraus wäre, ist jedoch unklar. Bis heute, kritisiert BUND-Mann Rode, habe Arcelor-Mittal keine belastbaren Zahlen vorgelegt.
Es gebe darüber hinaus noch "viele" andere Unternehmen, die von einer Fahrrinnenvertiefung in der Unterweser profitieren würden, beteuert Werner Maywald, Geschäftsführer der Initiative stadtbremische Häfen - nicht zuletzt und "auf jeden Fall" der Bremer Energieversorger SWB, der seine Kraftwerke über die Weser mit Kohle versorgt.
Tatsächlich sieht es so aus: Den Hafen in der Bremer Neustadt können schwer mit Papier oder Stahl beladene Schiffe derzeit "gelegentlich" nur tideabhängig anlaufen. Das sagt die BLG, die dort die Terminals betreibt. Und alle Kajen im Industriehafen, auch die des Kohlekraftwerks, liegen hinter einer Schleuse. Die wird, selbst wenn ihr Ausbau abgeschlossen ist, nicht tiefer sein als die Weser heute. Vom Ausbaggern des Flusses, unterstreicht die SWB, "hätten wir unmittelbar nichts".
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