Tunesien auf dem Weg zur Demokratie: Geheimpolizei gefeuert

Die politische Polizei des Regimes von Ben Ali stand für Einschüchterung, Folter, Mord. Ihre Auflösung kommunizierte das Innenministerium über Facebook.

Polizist in Aktion während der Protesttagee Ende Januar. Bild: reuters

BEN GARDENE taz | Die gefürchtete politische Polizei Tunesiens ist Geschichte. Ein am Montagabend auf Facebook veröffentlichtes Kommuniqué des Innenministeriums kündigte die "Auflösung der Direktion für Staatssicherheit" sowie den "Bruch mit allen Organisationsformen, die von ihrer Struktur oder Praxis einer politischen Polizei gleichen", an. Fortan verpflichte sich das Innenministerium, "sich an die Gesetze zu halten und die Freiheit und Bürgerrechte zu respektieren".

Damit wird einer der gefürchtetsten Geheimdienste Nordafrikas aufgelöst. Unter dem am 14. Januar gestürzten Zine El Abidine Ben Ali reichte der leiseste Verdacht auf oppositionelle Aktivitäten, um in den Folterkellern des Innenministeriums auf der Avenue Habib Bourguiba und später hinter Gittern zu verschwinden. Wer zu oft in die Moschee ging oder im Internetcafé versuchte, oppositionelle Webs zu öffnen, bekam es ebenfalls mit der politischen Polizei zu tun. Menschenrechtsorganisationen zählten in den Jahren Ben Alis tausende von Menschen, die nur wegen Gesinnungsdelikten verfolgt wurden.

Auch ausländische Journalisten wurden von der Staatssicherheit auf Schritt und Tritt verfolgt. Wer sich mit ihnen traf, wurde danach auf offener Straße von Unbekannten zusammengeschlagen. Bis zur Flucht Ben Alis nahm die Staatssicherheit und die politische Polizei Blogger, kritische Journalisten und Aktivisten der Jugendproteste fest. Einige von ihnen berichten von Folter, um die Zugangsdaten zu ihrer Mail oder zu ihrem Facebook-Account aus ihnen herauszupressen.

Die tunesischen Bürgerrechts- und Rechtsanwaltsorganisationen lobten die Entscheidungen, mahnen aber gleichzeitig eine tiefgehende Polizeireform an. Nur so sei der Polizeistaat Tunesien in einen demokratischen Staat zu überführen. Zwischen 4.000 und 9.000 Beamte sollen der Staatssicherheit und der politischen Polizei angehört haben.

Außerdem bildete Übergangsministerpräsident Caïd Essebsi am Montag die Regierung erneut um. Das dritte Kabinett seit Ben Alis Sturz setzt sich nur noch aus Technokraten zusammen. Es sind keine Politiker des alten Regimes mehr vertreten. Zwei herausragende Oppositionspolitiker sind ebenfalls ausgeschieden. Sie wollen sich damit die Möglichkeit einer Kandidatur zur verfassunggebenden Versammlung und zur Präsidentschaft offen halten. Wer in der Übergangsregierung sitzt, darf nicht kandidieren.

Die neue Exekutive habe einzig und allein die Aufgabe, das Land zu den Wahlen für eine verfassunggebende Versammlung am 24. Juli zu führen, sagte Essebsi. "Ich hoffe, dass wir damit auf der Höhe der Teilnehmer des Sit-ins auf der Kasbah sind", fügte er hinzu. Tausende Jugendliche aus dem ganzen Land hatten den Platz vor dem Regierungssitz für mehrere Wochen besetzt, um eine saubere Regierung und eine neue Verfassung zu fordern. Am Samstag zogen sie ab, nachdem Essebsi Wahlen angekündigt, die alte Verfassung von 1959 außer Kraft gesetzt und das alte Parlament aufgelöst hatte.

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