Die Bremer Polizei im Nationalsozialismus: Die Hilfstruppe
Erstmals haben Historiker die Geschichte der Bremer Polizei im Nationalsozialismus aufgearbeitet. Sie selbst hatte das Jahrzehnte lang versäumt.
BREMEN taz | Im April 1945 gingen im Bremer Polizeihaus Akten in Flammen auf, vornehmlich von Kriminalpolizei und der Abteilung "Gestapo". Das gezielte Verschwindenlassen war die Grundlage für die Legende von der politisch neutralen Ordnungshüterin, an der Bremens Polizei fortan strickte.
Aufgeräumt hat damit Innensenator Ulrich Mäurer (SPD): Als er im Januar 2010 für eine Rede um Informationen zum Thema "Polizei in der Nazizeit" bat, bekam er von seiner Behörde zur Antwort, es liege nichts vor. Mäurer beauftragte eine Historikerkommission, deren Ergebnisse nun vorliegen in Form eines 180-Seiten-Bandes. Wesentliche Erkenntnisse werden bis Ende Mai in der Stadtbibliothek ausgestellt - dem ehemaligen Polizeihaus.
Die Ergebnisse der Historiker überraschen nicht: Natürlich war die Polizei beteiligt an Verbrechen. Wie auch die Feuerwehr hat die Bremer Polizei nicht nur bei der "Reichspogromnacht" im Jahre 1938 zugeschaut, ohne einzugreifen. Bereits seit 1933, heißt es im Band der Historikerkommission, haben "alle Sparten der Polizei" den Nazi-Terror staatlich organisiert. "Nichts deutet darauf hin, dass sie es widerstrebend oder unter Zwang getan hätten".
Mehr als die Hälfte der Bremer Polizeibeamten waren in "Polizeibataillonen" der Wehrmacht eingesetzt, unter anderem zur Absicherung der Massenmorde in Babij Jar (taz berichtete). Die an diesen Aktionen Beteiligten schwiegen später so konsequent, dass etwa Mäurers Amtsvorgänger Hans Koschnick 1961 davon nichts erfuhr. Während die Bremer Justiz die NS-Geschichte aufzuarbeiten begann, tat die Polizei nichts.
Schon in den Jahren der "Weimarer Republik" war sie stramm rechts: Kommandeur der Schutzpolizei war ab 1919 das spätere NSDAP-Mitglied Walter Caspari, der an der Niederschlagung der Räterepublik beteiligt war und sich vorher bei der blutigen Niederschlagung des "Boxer-Aufstandes" in China einen Namen gemacht hatte. Bewerber mit SPD-Mitgliedschaft hatten kaum eine Chance, bei der Bremer Polizei angestellt zu werden.
Hatte sie bereits seit 1919 einen Nachrichtendienst aufgebaut, kam 1931 noch eine "Politische Polizeistelle" dazu - aus beiden wurde 1933 die Abteilung "Gestapo". Als "Reichskommissar" wurde Richard Markert, bis dahin Chef des Arbeitsamtes, Polizeichef. Die Karriere dieses Bremer NSDAP-Mitglieds ging ab 1950 in Ostberlin weiter: Die Sowjets machten ihn für kurze Zeit zum "Magistratsdirektor für Volksbildung".
Am 7. März 1933 kündigte dieser Markert per öffentlichem Aushang an, die Polizei werde das "Treiben staatsfeindlicher Organisationen" mit allen Mitteln beenden, er selbst werde alle Polizeibeamten "ohne Rücksicht auf die Folgen des Schusswaffengebrauchs in jeder Hinsicht decken". Sollte die NS-Justiz Gegner des Regimes tatsächlich einmal zu milde bestraft haben, wurden sie nach ihrer Freilassung von der Polizei abgeholt und in "Schutzhaft" genommen. Die Polizei war auch zuständig für die "Arbeits-Erziehungslager".
Der Schmieröl-Kaufmann Theodor Laue, den die Nazis zum Polizeipräsidenten eingesetzt hatten, plakatierte im Juni 1933 eine "Letzte Warnung vor politischer Hetzarbeit" linker Kreise. Das Plakat drohte ihnen mit Konzentrationslager, "in dem ihnen die Lust, sich noch einmal so zu betätigen, endgültig vergehen wird". Wer des Hochverrates überführt würde, werde aufgehängt.
Die Bremer Nachrichten spielten loyal mit: Im Juli 1933 saß einer ihrer Redakteure zwei Tage lang unerkannt im KZ "Mißler" ein. Nachher konnte er berichten, er habe dort "interessante Erlebnisse" gehabt - und die "gestürzten Säulen der Judenrepublik" angetroffen.
Rund 70 Täter aus den "Schutzbataillonen" wurden nach 1945 wieder von der Polizei eingestellt. Aus dem Polizeiapparat stammte auch Hans Schroers, erster Bürgermeister Bremens nach dem Krieg - wenn auch nur für vier Tage. Der einstige SS-Brigadeführer Schroers war später für die FDP politisch aktiv.
Aber auch unter dem Sozialdemokraten Wilhelm Kaisen setzte sich Bremens Senat später für die Begnadigung des in Nürnberg verurteilten Bremer Gestapo-Chefs Erwin Schulz ein. Dass die Rolle der Polizei ausgeleuchtet wird, war, solange die Zeitzeugen noch lebten, offenkundig nicht erwünscht.
Ausstellung "Polizeigewalt - Bremens Polizei im Nationalsozialismus": bis 30. 5., Bremen, Stadtbibliothek
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