Interview mit RWE-Aktionärsvertreter: "Dezentral werden"

RWE braucht eine neue Strategie, fordert Ernst Gerlach von den kommunalen Anteilseignern. Weg von Großkraftwerken, hin zu dezentraler Versorgung.

Zentrale bleibt Zentrale: der RWE-Hauptsitz in Essen. Bild: dapd

taz: Herr Gerlach, der scheidende RWE-Vorsitzende Jürgen Großmann galt als Atomfan, die Kommunen als größte Anteilseigener eigentlich nicht. Sind Sie froh, dass er geht?

Ernst Gerlach: Es gab unter den kommunalen Anteilseignern die unterschiedlichsten Einschätzungen, was der richtige Kurs für RWE gewesen wäre. Aber unter Großmann war der Konzern der erste der großen Versorger, der sich mit spezialisierten Töchtern an die wichtigsten Themen der Energiewende, Effizienz und Erneuerbare, herangewagt hat. Zudem hat er den Konzern verschlankt. Wir finden, damit hat er sich Verdienste erworben.

Trotzdem hinkt RWE beim Ausbau von Ökostrom hinterher. Was muss passieren?

RWE muss sich jetzt stärker auf regenerative Energien konzentrieren. Dort liegen die größten Wachstumschancen.

Sie waren gegen Peter Terium, der ab Juli 2012 neuer RWE-Chef wird. Steht er für diesen Kurs?

ist Geschäftsführer des Verbands der kommunalen RWE-Aktionäre. Kommunen halten insgesamt 25 Prozent der Aktien des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns.

Wir waren nicht gegen ihn, sondern für Rolf Martin Schmitz, der jetzt sein Stellvertreter wird. Herr Schmitz kennt die Kultur in den Kommunen und steht für unsere strategische Ausrichtung: Wir wollen weg von zentralen Großkraftwerken, hin zu dezentraler Versorgung. Eine Kombination aus beidem ist die Zukunft. Wir werden Herrn Terium den Kurs erläutern und sehen, ob er mitgeht - oder eher getragen werden muss.

Wie könnte dieses Netzwerk aus zentraler und dezentraler Versorgung aussehen?

Der Phantasie ist da keine Grenzen gesetzt. Viele Stadtwerke gehen bereits Partnerschaften auf Augenhöhe mit Konzernen wie RWE ein. Aber gerade in ländlichen Gebieten braucht es mehr davon. Das geht von technologischer Förderung über Lieferverträge bis hin zur Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mit mittelständischen Unternehmen.

Die vier größten Energiekonzerne produzieren 80 Prozent des deutschen Stroms. Können sie ihren Marktanteil halten?

Das hängt davon ab, wie das Geschäftsmodell aussieht. Die Marktanteile werden künftig neu verteilt. Es kommt jetzt auf die Pfiffigkeit der Unternehmensführung an. RWE muss die neuen Bedingungen nach dem Atomausstieg aufgreifen und seine technologischen Fähigkeiten nutzen.

Konkurrent Eon baut 11.000 Stellen ab. Kommt RWE an sowas vorbei?

Wir als Kommunen würden uns damit sehr schwer tun. Man müsste uns genau erläutern, warum das nötig sein soll, dann müsste es sozialverträglich sein. Aber ein Stellenabbau sollte wirklich die allerletzte Maßnahmen sein.

Eon kündigt zudem an, ins Ausland zu expandieren. Ebenfalls ein Weg für RWE?

Wir halten den Weg, den Eon einschlägt, für riskant. RWE hat andere Ausgangsbedingungen. Für uns muss der Heimatmarkt zentral bleiben. Wenn sich allerdings Möglichkeiten im internationalen Geschäft ergeben, sind wir durchaus offen. Die Kommunen haben schließlich Renditeerwartungen. Die RWE-Dividende ist wichtig für unsere Haushalte.

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