Politikermacht und Medien: Wie unkeusch, Herr Müller!
Das Saarland möchte einen bei der CDU unbeliebten Experten aus dem Rundfunkgebühren-Gremium loswerden. Stattdessen soll ein genehmer Mann installiert werden.
BERLIN taz | Peter Aloysius Müller ist ein berühmter Sohn des Saarlandes. Der christdemokratische Architekt der im Land regierenden Jamaika-Koalition aus Schwarzen, Grünen und FDP-Gelben ist zwar schon eine kleine Weile nicht mehr Ministerpräsident dortselbst. Zudem ist Aloysius bekanntermaßen der Patron der Keuschheit. Doch Müller schafft es immer noch locker, seinen Einfluss spüren zu lassen. Vor allem in der Medienpolitik - von Keuschheit keine Spur.
Erster Anlass war die Verfassungsklage wegen zu viel Polit-Einfluss beim ZDF. 2009 hatte eine unionsgeführte Mehrheit im Verwaltungsrat der Anstalt den bei vielen CDU-PolitikerInnen nicht sonderlich beliebten Chefredakteur Nikolaus Brender abserviert. Nun soll Karlsruhe darüber befinden, ob der hohe Anteil von (Regierungs-)Politikern in den ZDF-Gremien verfassungskonform ist.
Eingebracht hat die Klage das SPD-regierte Rheinland-Pfalz. Weil Rundfunkpolitik in Deutschland Ländersache ist, musste sich auch jedes andere Bundesland dazu äußern.
Auch das Saarland schickte also brav seine Stellungnahme, vor Monaten schon, als der Ministerpräsident noch Peter Müller hieß - und ließ den grünen Koalitionspartner hübsch außen vor. Das war für die Grünen vor allem peinlich, weil deren auf Bundesebene zuständige medienpolitische Frontfrau Tabea Rößner als Erste eine eigene Verfassungsklage in Karlsruhe durchsetzen wollte - was im Bundestag allerdings ironischerweise an medienpolitischen Kleinlichkeiten innerhalb der SPD scheiterte.
Dass die Stellungsnahme des Saarlandes allerdings leidlich absurd ausfallen musste, war klar: Denn eines der Mitglieder im ZDF-Verwaltungsrat, die 2009 Brenders Vertragsverlängerung verhinderten und ihn so rauswarfen war niemand Geringeres als - Peter Aloysius Müller.
Und dessen langer Arm regt sich anscheinend noch immer in der Causa Brender und ihren Spätfolgen. Diesmal geht es um die Gebühren-Kommission KEF. Sie ermittelt alle vier Jahre wieder aus den Anmeldungen der öffentlich-rechtlichen Sender die allseits beliebte Rundfunkgebühr und ist zu diesem Behufe mit völlig unabhängigen ExpertInnen besetzt. Wer KEF-Experte wird, bestimmen die Bundesländer reihum, auch das Saarland besetzt in der KEF einen Platz.
Auf dem Saar-Ticket läuft derzeit der Kölner Rundfunk- und Verfassungsrechtler Karl-Eberhard Hain. Ein ausgewiesener Experte - noch, muss man wohl dazu sagen. Denn Hain hat für Rheinland-Pfalz bzw. die SPD die Klageschrift in Sachen ZDF geschrieben und kommt dort zu dem Schluss, dass in den Gremien des Zweiten viel zu viel Politik steckt.
Und jetzt soll der unbequeme Hain nach taz-Informationen auf ausdrücklichen Wunsch des Saarlandes ab 2012 nicht mehr in der KEF mitrechnen.
Auch ein dem Saarland genehmer Nachfolger scheint schon gefunden - und auch diese Personalie umgibt eine recht pikante Note: Denn Norbert Holzer ist fürwahr Experte in öffentlich-rechtlichen Rechenexempeln. Schließlich arbeitet er seit 1997 als für die Zahlen verantwortlicher Verwaltungsdirektor beim Saarländischen Rundfunk und war 2007/2008 turnusmäßig auch Vorsitzender der ARD-Finanzkommission.
Zum Jahresende geht er in Ruhestand. Und dann - zur KEF. Das verhält sich zur völligen Unabhängigkeit der Expertenkommission ungefähr so wie Peter Müller zur medienpolitischen Keuschheit. Müller wird übrigens Richter am 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Das ZDF-Verfahren wird allerdings beim 1. Senat verhandelt - so viel Enthaltsamkeit muss dann schon sein.
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