Grüner Parteitag für Rot-Grün in Berlin: Mit Vollgas Richtung Koalition

Der Parteitag der Grünen votiert am Freitagabend mit überwältigender Mehrheit für Koalitionsgespräche mit der SPD. Bestätigung auch für die Kompromissformel zur A100.

Temporeicher Abschied für die ehemalige Spitzenkandidatin Renate Künast Bild: Reuters

BERLIN taz | Der Weg für Rot-Grün ist frei - zumindest für Koalitionsverhandlungen. Eine überwältigende Mehrheit der Delegierten stimmte auf einem Grünen-Parteitag am Freitagabend für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der SPD. Von 114 Delegierten gab es nur drei Gegenstimmen. Der Landesvorsitzende Daniel Wesener machte klar: "Wer glaubt, wir machen in den nächsten fünf Jahren die Linkspartei, der hat sich geirrt."

Polizei vor dem Gebäude, Demonstranten mit Transparente: Gewöhnlich war der Auftakt nicht für die 114 Delegierten, die in den Konzertsaal der Universität der Künste in die Bundesallee in Wilmersdorf kamen. Zur Abstimmung stand ein Leitantrag, den der Landesvorstand den Delegierten vorgelegt hatte. Darin hieß es: "Bündnis90/Die Grünen streben eine faire, vertrauensvolle und politisch tragfähige Zusammenarbeit in einer rot-grünen Koalition an."

Allerdings waren bereits vor dem Parteitag die Emotionen noch einmal hochgekocht. Die Abgeordnete Claudia Hämmerling hatte in einem Änderungsantrag ihre Position deutlich gemacht: "Es gilt nach der Wahl, was wir vor der Wahl gesagt haben: Einen Weiterbau der A 100 wird es mit uns nicht geben." Zur Not, so die Botschaft des Antrags, müsse man die Koalition im Falle eines Weiterbaus eben platzen lassen. Hämmerling forderte auf dem Parteitag einen "ausbalancierten Koalitionsvertrag". Das Sondierungsergebnis, sagte sie, sei nicht ausbalanciert gewesen.

Dagegen plädierte der BUND-Vorsitzende Tilman Heuser in einer Gastrede für den Kompromiss mit der SPD: "Um die A 100 zu verhindern, brauchen wir Rot-Grün." Heuser zeigte sich optimistisch, dass die Mittel für den Weiterbau der Autobahn am Ende doch in die Sanierung von Straßen fließen können. "Das ist möglich", sagte er.

Den Antrag von Hämmerling hatte der Landesvorstand inzwischen - in abgeschwächter Form - in den Leitantrag aufgenommen. Nun hieß es: "Wir sind uns bewusst, dass die SPD den Bau nicht aufgibt. Die SPD weiß, dass wir einem Weiterbau nicht zustimmen werden." Ursprünglich hatten SPD und Grüne nach den Sondierungen in der Vorwoche noch die Gemeinsamkeiten herausgestellt: "Die Koalition setzt sich aber aktiv und ernsthaft dafür ein, dass die Umwidmung der Bundesmittel ermöglicht wird."

Am aktiven und ernsthaften Willen der SPD haben die Grünen, das zeigte auch die Debatte auf dem Parteitag, nun offenbar Zweifel. Der Grund: Bei seiner Sitzung hatte der SPD-Landesvorstand am Montag den Satz hinzugefügt: "Lässt sich eine Umwidmung der Bundesmittel nicht erreichen, steht die Koalition zum Weiterbau der BAB 100." Am gestrigen Freitag nun hieß es im veränderten Leitantrag der Grünen: "Die nachträglichen Ergänzungs- und Änderungsversuche der SPD sind und werden nicht Bestandteil der rot-grünen Vereinbarung."

Mit ihrem Beschluss geben die Grünen den Ball nun an die SPD zurück. In Anspielung auf die Autobahngegner in der SPD ätzte der Finanzpolitiker Jochen Esser in Richtung Klaus Wowereit: "Warum soll der grüne Sack geschlagen werden, wenn die eigenen Esel geschlagen werden sollen?" Auch die die ehemalige Spitzenkandidatin der Grünen, Renate Künast, monierte die fehlende politische Kultur der SPD. Sie forderte die Sozialdemokraten auf, "die Debatte um die A 100 weniger ideologisch zu führen". Gleichzeitig forderte sie die Delegierten auf, ihr Ja für Koalitionsgespräche zu geben. Mit Standing Ovations bedankten die sich bei Künast für ihren Einsatz im Wahlkampf.

Es werden wahrlich keine einfachen Gespräche, die da voraussichtlich am Mittwoch im Roten Rathaus beginnen. Schließlich steht hinter dem Streit um die Formulierungen auch eine gegensätzliche Vorstellung von dem, wie SPD und Grüne auf das Scheitern einer Umwidmung der Autobahnmittel reagieren würden. Während die Grünen in diesem Fall auf Zeit spielen würden und gegebenenfalls auch eine Streichung der 420 Millionen Euro in Kauf nehmen würden, will die SPD das Geld unbedingt - und drückt deshalb aufs Tempo.

Allerdings, sagte die Sozialstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Sibyll Klotz, sie wünsche sich auch mal, über andere Dinge zu reden: "Es gibt auch andere Themen als die A 100", sagte Klotz - und sprach damit vielen Delegierten aus dem Herzen.

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