Streitgespräch: Drehscheibe dreht sich weiter

SPD und Grüne wollen den Umschlag von Brennelementen in Bremen stoppen. Doch die meisten der Urantransporte erfasst das geplante Gesetz nicht

Atomkraftgegner Bernhard Stoevesandt (re.) wirft der grünen Energiepolitikerin Anne Schierenbeck vor, ein zu schwaches Gesetz verabschieden zu wollen. Bild: jan Zier

taz: Herr Stoevesandt, SPD und Grüne wollen die bremischen Häfen für Kernbrennstoffe sperren. Sie haben eine Petition eingereicht, weil Ihnen das nicht weit genug geht. Weshalb?

Bernhard Stoevesandt: Die Teilentwidmung der Häfen ist grundsätzlich ein guter Ansatz. Aber die meisten Transporte, die über die Häfen laufen, sind davon nicht betroffen. 2011 beispielsweise wäre durch das geplante Gesetz nicht ein einziger Transport verhindert worden.

Warum nicht?

Stoevesandt: Nur Kernbrennstoffe sollen nicht mehr umgeschlagen werden dürfen. Uranhexafluorid oder sogenannte Yellowcake-Uranverbindungen sind nicht erfasst. Genau diese Transporte aber halten den weltweiten Uranhandel im Gang und dienen dazu, dass überall in der Welt weiter Atomkraftwerke betrieben werden können. Sie machen die meisten Transporte aus.

Den größten Anteil der Atomtransporte durch Bremen macht das hochtoxische Uranhexaflorid aus. Zwischen 2004 und 2009 wurden in Bremen über 1.200 Tonnen dieses Stoffes umgeschlagen.

Das vom Senat geplante Atomtransporte-Verbot betrifft nur Nuklear-Brennelemente selbst, nicht aber die Vorprodukte. Uranhexafluorid wird nicht erfasst.

Atomkraftgegner haben bei der Bürgerschaft eine Petition eingereicht, um den Uranhandel über Bremens Häfen zu stoppen. Sie kann bis zum 6. Januar unterzeichnet werden: https://petition.bremische-buergerschaft.de.

Warum ist Bremen so wichtig?

Stoevesandt: In Gronau nahe der niederländischen Grenze steht eine Uranfabrik des britischen Unternehmens Urenco. Von dort wird in die ganze Welt exportiert. Bremen ist ein wichtiger Umschlagplatz für den Transport zu und von dieser Fabrik.

43, studierte Produktionstechnikerin, war Energie-Referentin beim BUND Bremen und ist heute klima- und energiepolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion.

41, ist Physiker und seit langem in der Anti-Atom-Bewegung aktiv. Er hat bei der Bremischen Bürgerschaft eine Petition eingereicht, um die bremischen Häfen für alle Atomtransporte zu sperren.

Warum wollen Sie nicht auch diese Transporte stoppen, Frau Schierenbeck?

Anne Schierenbeck: Es ist seit der letzten Legislaturperiode der Wille von SPD und Grünen auch diese Transporte zu verbieten. Wir haben dazu Rechtsgutachter befragt. Die erste Option war: Wir verbieten den Umschlag von Kernbrennstoffen und allen anderen radioaktiven Stoffen. Dies wäre jedoch zu unspezifisch für ein Gesetz.

Stoevesandt: Das ist nur eine Frage der Formulierung. Im Atomgesetz ist die Rede von "allen radioaktiven Stoffen, die durch Isotopenanreicherung zu Brennstoffen gemacht worden sind". Das ließe sich ganz leicht ergänzen: Man nimmt die Stoffe mit dazu, die zu Brennstoffen gemacht werden können.

Schierenbeck: Das kann niemand kontrollieren, diese Stoffe sind nicht meldepflichtig.

Stoevesandt: Sind sie wohl. Das sind Gefahrentransporte, die muss man vorher bei der Hafenbehörde anmelden.

Schierenbeck: Nach Meinung der Juristen ist das nicht so.

Stoevesandt: Da irren die sich.

Kann man nicht einfach das Uranhexafluorid verbieten? Schierenbeck: Das ist rechtlich nicht möglich, weil dies einem Unternehmensboykott gegen Urenco gleichkäme. Nur die produzieren Uranhexafluorid.

Und ein Transportverbot wäre ein Angriff auf deren unternehmerische Freiheit?

Schierenbeck: Ja. Für dieses Problem konnte kein Gutachter eine Lösung aufzeigen. Auch nicht der Gutachter, den die Linkspartei beauftragt hat. Wir wollen das gern erweitern, aber es wird massive Angriffe gegen dieses Gesetz geben. Bremen ist da der Vorreiter. Das Umweltministerium wird klagen, die Atomwirtschaft sowieso.

Stoevesandt: Es ist wahr, dass die Bundesregierung klagen wird, weil das jetzt von der Bürgerschaft geplante Gesetz die Transporte aus Sellafield verhindern würde. Diese Klage kommt, egal ob man das Uranhexafluorid mit reinnimmt oder nicht. Und die Chancen, dass das Gesetz vor Gericht Bestand hat, sind in beiden Fällen gleich groß.

Frau Schierenbeck, was spricht dagegen, ein umfassendes Gesetz zu verabschieden und es auf eine gerichtliche Überprüfung ankommen zu lassen - statt es in vorauseilendem Gehorsam selbst zu beschneiden?

Schierenbeck: Das ist eine strategische Frage und eine der politischen Ernsthaftigkeit. Wir wollen das so wasserdicht wie möglich. Und dazu müssen wir uns auf den Sachverstand der Gutachter verlassen. Wir könnten natürlich solange suchen, bis wir einen Gutachter finden, der uns sagt, dass das okay ist. Aber das wäre vielleicht nicht sachdienlich.

Ist es denn sachdienlich, zu akzeptieren, dass dem Löwenanteil des Problems nicht beizukommen sein soll?

Schierenbeck: Die Entwidmung ist richtig, auch wenn im ersten Schritt die meisten Transporte nicht erfasst sind. Ich finde auch nicht gut, dass wir Uran für die ganze Welt produzieren. Das bremische Hafenbetriebsgesetz allein wird aber sicher nicht die Atomwirtschaft stoppen. Ich würde das jetzt gern beschließen und gucken, wie die anderen Bundesländer reagieren. Das Hauptziel ist: weniger AKWs.

Stoevesandt: Und dafür ist es notwendig, die Kette der Urananreicherung zu unterbrechen.

Waren an der juristischen Beratung des Gesetzes auch Juristen des Umweltressorts beteiligt?

Schierenbeck: Nein. Die Gutachter wurden vom Senat ausgesucht. Es ist dasselbe Büro, das schon die rot-grüne Bundesregierung beraten hat.

Zum Senat gehört das SPD-geführte Hafenressort. Das hat sich früher sehr kritisch gegenüber der Hafenentwidmung gezeigt. Es fürchtete eine Erosion des Status als sogenannter Universalhafen.

Schierenbeck: Der Universalhafen ist den Hafenpolitikern ein hohes Gut. Und es gibt von ihnen deutliche Signale: Wir machen nur diese eine Entwidmung mit, aber sonst nix. Was die Atomtransporte angeht, sind wir aber koalitionsintern geeint.

Stoevesandt: Man wollte sich beim Gutachtenauftrag auf Kernbrennstoffe beschränken. Die Gutachter waren von vornherein auf die falsche Spur gebracht. Das hat sich bei der Anhörung im Hafenausschuss gezeigt.

Schierenbeck: Der ursprüngliche Gutachtenauftrag war möglicherweise zu eng gefasst, aber im Hafenausschuss ging es darum, wie wir das erweitern können. Da haben wir sehr wohl auch nach den anderen Stoffen gefragt, sonst hätten wir uns da ja gar nicht treffen müssen.

Die Petition läuft bis zum 6. Januar. Werden Sie dies berücksichtigen, Frau Schierenbeck?

Schierenbeck: Das zentrale Argument der Petition ist: Die Juristen haben unrecht. Aber wir haben das geprüft, und wir haben immer die gleiche Antwort gekriegt. Wir wollen das Gesetz im Januar beschließen - ohne die Erweiterung auf andere Stoffe. Wir wollen, dass sich möglichst viele Hafenstädte anschließen.

Herr Stoevesandt, hätten Sie sich Ihre Petition sparen können?

Stoevesandt: Ich bestreite, dass es unmöglich ist, das Gesetz weiter zu fassen. Die Gutachter haben das vertreten, wozu sie am Anfang beauftragt wurden. Das ist normal - aber im Bezug auf die Urantransporte nicht richtig. Und deswegen haben wir die Petition eingereicht: Um darauf hinzuweisen, dass da sehr wohl noch mehr geht. In Hamburg gibt es noch keine Regelung. Wenn Bremen effektiv entwidmen würde, würde der Druck auf Hamburg sehr hoch werden. Diese Bremer Regierung wird nur das eine Gesetz zu dem Thema beschließen. Stehen die wichtigsten Dinge da nicht drin, wird es später kein besseres geben.

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