Film „Viva Riva“: Blaxploitation im Kongo

„Viva Riva“ ist ein durchgestylter Gangsterfilm aus Kinshasa. Regisseur Djo Tunda Wa Munga wünscht sich ein populäres Kino fürs einheimische Publikum.

Kennt ihren Marktwert: Nora (Manie Malone). Bild: summiteer films

Ein Film wie ein Verbrennungsmotor, angetrieben von Kraftstoff, der in den ersten Minuten des Films direkt mit dem Mund aus dem Tank gesaugt wird. Es geht dann später um einen Laster, vollgeladen mit Benzinfässern. Die Hauptfigur, Riva, kehrt mit diesem Laster in den Kongo zurück, nach einem längeren Aufenthalt in Angola.

Das kostbare Benzin möchte er eintauschen, gegen Geld und Sex. Der Verkauf der Fässer ist langwierig, aber Nora, eine Gangsterbraut mit rot gefärbten Haaren und schwarz lackierten Fingernägeln, verspricht unmittelbare Bedürfnisbefriedigung: sein Blick, ihr Hüftschwung, ein Austausch, als sie die Tanzfläche verlässt, verfolgt er sie, beobachtet sie beim Urinieren und ist ihr endgültig verfallen.

Nora kennt ihren Marktwert genau, und Azor, der Gangster, der sie aushält, hat finanzielle Probleme. „Viva Riva“ ist ein Film über eine Gesellschaft, in der man schnell reich werden kann und noch schneller wieder arm. Azor wohnt zwar in einer Villa, aber er ist eigentlich schon ein Verlierer, auf seinem Parkplatz stehen fette Autos, aber deren Tank ist leer.

Riva dagegen hat kaum einen festen Wohnsitz, aber dafür jede Menge Benzin; außerdem ist er, im Gegensatz zu Azor, auch sexuell potent; im Film gehört das immer zusammen, Treibstoff gegen den Triebstau, Benzin und Geld sind in Sex übersetzbar, das heißt umgekehrt aber auch, dass der, der nicht mehr flüssig ist, aus der sexuellen Zirkulationssphäre (Cunnilingus durchs Gittertor, ein schneller Fick bei der Regentonne hinterm Haus, ein Dreier mit weiß geschminkten Prostituierten im Edelpuff) ausgeschlossen wird.

Korrupte, lesbische Militärnonne

Weiterhin sind in diesem dynamischen Thriller, der seine mehrsträngige Erzählung geschmeidig handhabt, hinter dem Benzin her: ein ausschließlich französisch sprechender Killer aus Angola, Rivas ehemaliger Boss, der blasiert über die vermeintliche Rückständigkeit der Kongolesen herzieht, ihnen einmal sogar wieder die Kolonisatoren an den Hals wünscht, während er ihnen die Gehirne aus den Köpfen schießt; ein Priester, der in der Kirche Benzindeals abwickelt; eine korrupte, lesbische Militärkommandantin, die sich als Nonne verkleidet.

Nicht nur in derart überzeichneten, comicartigen Figuren erinnert „Viva Riva“ an das amerikanische Blaxploitationkino der siebziger Jahre, insbesondere an dessen raubeinige, nicht von der Political Correctness der großen Studioproduktionen gezähmten Varianten.

Aber nostalgisch ist nichts an diesem Film. Ganz im Gegenteil sehnt sich der hedonistische Riva nach einem klaren Schnitt mit der Tradition. Ein einziges Mal besucht er nach seiner Rückkehr seine Eltern, seine jammernde Mutter ignoriert er kalt, sein Vater wirft ihm in hochtrabendem Gestus vor, die politischen Kämpfe vergangener Tage an einen amoralischen Materialismus zu verraten. Wir, antwortet Riva selbstbewusst, interessieren uns nun mal nur für Geld.

Schnitt mit der Tradition

Einer seiner Verbündeten lässt seine Frau kurz vor dem Showdown weinend zurück, steigt in Rivas Sportwagen und ruft ihr zu: „Ich will mit vielen schönen Mädchen schlafen!“ Er wird sich nicht lange darauf freuen können, aber wenn der Film einen glaubwürdigen Einspruch gegen Rivas Lifestyle formuliert, dann nicht im – freilich umwerfend und kompromisslos inszenierten – blutigen Finale, sondern in der hilflosen Verzweiflung der verlassenen Frau.

Auch Djo Tunda Wa Munga möchte mit einer Tradition brechen – mit der eines afrikanischen Kinos, das zwar auf Festivals bewundert wird, aber das einheimische Publikum, soweit es von ihm überhaupt wahrgenommen wird, langweilt. Mit den boomenden westafrikanischen Videoindustrien und ihren ganz auf den lokalen Markt zugeschnittenen Low-Budget-Melodramen hat sein auf hohem technischen Niveau durchgestylter Film aber andererseits auch nicht viel gemein.

Ob „Viva Riva“, eine aufwendige, teure Produktion, dem afrikanischen Kino auf die Dauer neue Wege weisen kann oder doch wieder in erster Linie eine Ausdifferenzierung des Festivalbetriebs darstellt, wird sich erst zeigen müssen.

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