Versandhändler Neckermann: Katalog fürs Altpapier

Das war's mit dem Symbol des deutschen Wirtschaftswunders: Der Traditionsversandhändler Neckermann knickt das Geschäft mit dem Katalog. Dabei fallen 1.380 Jobs weg.

Bringt nichts mehr ein: der Neckermann-Katalog. Bild: dpa

FRANKFURT/M. dpa/taz Der Versandhändler Neckermann.de streicht mehr als jede zweite Stelle und verabschiedet sich aus dem schrumpfenden Kataloggeschäft. „Die Zukunft des Versandhandels liegt im Internet. Dieser Entwicklung können wir uns nicht verschließen“, erklärte Neckermann-Chef Henning Koopmann am Freitag. Von insgesamt 2.500 Jobs in Deutschland sollen 1.380 entfallen, der größte Teil am Stammsitz in Frankfurt. „Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist ein harter Schlag und in dieser Dimension völlig unerwartet“, sagte Ver.di-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

Neckermann gilt als Symbol des deutschen Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit. Über den Versandhandel konnten Kunden auch auf dem schlechter versorgten Land seit 1950 an preisgünstige Waren kommen. Entsprechend gehörten die Neckermann-Kataloge neben den Quelle-Prospekten lange zur Grundausstattung vieler Haushalte. Karstadt übernahm 1976 zunächst die Mehrheit an dem Unternehmen und fusionierte später auch mit Quelle Schickedanz zu KarstadtQuelle, das 2007 in Arcandor umbenannt wurde. Im Zuge von dessen Insolvenz 2009 wurde Quelle abgewickelt, Neckermann ging an den Finanzinvestor Sun Capital.

Zuletzt hatte Neckermann.de, wie die GmbH nun heißt, den Handel im Internet stark ausgebaut und war damit 2010 erstmals seit Jahren wieder in die Gewinnzone vorgedrungen, 2011 wurden sogar schon neue Mitarbeiter gesucht – für den Onlineversand, der inzwischen 80 Prozent des Umsatzes ausmacht. Weil das Unternehmen aber im Kataloggeschäft im selben Jahr 18 Prozent weniger verkaufte, rutschte es gleich wieder in die roten Zahlen. Nachdem sich der Umsatz mit Katalogwaren im ersten Quartal 2012 sogar halbierte, habe man nun die Notbremse ziehen müssen, hieß es. Das Unternehmen verkaufte die Nachricht vom Freitag in einer Pressemitteilung positiv: „Neckermann.de beschleunigt seine E-Commerce-Ausrichtung.“

Branchenexperten der Arbeitgeberseite können das nachvollziehen. Neckermann.de habe seinen Schwerpunkt bislang „nicht klar genug“ auf den Onlinehandel gelegt, sagt Christin Schmidt, Sprecherin des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels. Universalkataloge, die nur zweimal im Jahr aktuell herausgebracht werden könnten, seien schon allein wegen der immensen Druckkosten nicht mehr zeitgemäß.

Konkret bedeutet dieser Managementfehler nun vor allem, dass Arbeitsplätze gestrichen werden. Das Logistikzentrum am Stammsitz in Frankfurt am Main, das vor allem Textilien ausliefert, wird zum 31. Dezember dichtgemacht. Das Sortiment eigener Textilien und alle Kataloge werden eingestellt. Insgesamt fallen rund 1.380 Arbeitsplätze weg, die meisten davon im Einkauf und in der Logistik.

Im Betriebsrat und bei Ver.di zeigte man sich von der Dimension des Stellenabbaus überrascht. Es habe keine Hinweise auf „einen solchen Kahlschlag“ gegeben, hieß es. Betriebsrat Thomas Schmidt sagte: „Die Mitarbeiter sind geschockt und fassungslos.“ Gerade viele in der Logistik Beschäftigte sind schon 20 Jahre bei Neckermann. Ob sie anderswo neue Jobs finden, ist fraglich. Am Mittwoch wollen die Interessenvertreter mit der Geschäftsführer über die Modalitäten verhandeln.

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