Neckermann-Verhandlungen gescheitert: Der Stellenabbau wird zum Bumerang
Die Schlichtungsgespräche zwischen Neckermann, der Gewerkschaft und dem Betriebsrat sind gescheitert. Kündigungsklagen könnten nun die Investorensuche erschweren.
FRANKFURT/MAIN afp | Der kriselnde Versandhändler Neckermann kann den angestrebten Abbau von 1.400 Arbeitsplätzen nicht wie geplant umsetzen. Entsprechende Verhandlungen zwischen Unternehmen, Gewerkschaft und Betriebsrat seien „endgültig gescheitert“, teilte Neckermann am Mittwochabend in Frankfurt am Main mit. Bei Schlichtungsgesprächen habe eine Lösung „in den vergangenen Tagen nicht erreicht werden“ können.
Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte „beharrten weiter auf der Forderung nach Abfindungen für die von Kündigungen betroffenen Mitarbeiter.“ Das hierfür nötige Geld sei jedoch nicht vorhanden.
Da keine Einigung habe erzielt werden können, bestehe im Falle eines Stellenabbaus „das Risiko von umfassenden Kündigungsschutz- bzw. Abfindungsklagen“, erklärte Neckermann. Solche Klagen jedoch wären „finanziell nicht kalkulierbar und würden die Existenz des Unternehmens gefährden“.
Neckermann.de gehört zu den größten Online-Versand-händlern in Deutschland. Das Unternehmen wurde 1950 in Frankfurt am Main als Neckermann Versand KG gegründet. Der Kaufmann Josef Neckermann hatte bereits in der Nazi-Zeit mit Hilfe des NS-Regimes mehrere Textilgeschäfte jüdischer Kaufleute übernommen. Wegen seiner Regimenähe durfte er in der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst nicht wirtschaftlich aktiv sein. In den 1970er Jahren geriet das Stammhaus in die Krise und wurde 1977 mehrheitlich von der Karstadt AG übernommen, die später mit dem Versandhändler Quelle fusionierte. 1995 startete es mit einem eigenen Online-Shop. Die Umbenennung in neckermann.de 2006 stand für den neuen Fokus auf Online-Versandhandel. Das Unternehmen wurde dann 2007 mehrheitlich an den US-Investor Sun Capital verkauft, ein Stellenabbau folgte. Nach der Pleite des KarstadtQuelle-Nachfolgers Arcandor übernahm Sun 2010 auch die übrigen Anteile. Inzwischen erwirtschaftet Neckermann.de nach eigenen Angaben fast 80 Prozent seines Umsatzes über das Internet. Im Jahr 2010 hatte das Unternehmen mit international 4000 Mitarbeitern – davon 2500 in Deutschland – einen Umsatz von 871 Millionen Euro. (dpa)
Zudem würden durch das Risiko von Klagen Co-Investoren abgeschreckt, die Geld in das Unternehmen stecken könnten. Es werde nun geprüft, welche weiteren Schritte nötig seien.
Neckermann gehört dem US-Investor Sun Capital Partners. Dieser hatte den Versandhändler vom pleite gegangenen Handelskonzern Arcandor gekauft. Das deutsche Traditionsunternehmen hatte im April angekündigt, sich künftig als reiner Online-Händler unter dem Namen neckermann.de aufzustellen.
1.380 der 2.500 Mitarbeiter in Deutschland droht deshalb die Entlassung. Bereits bei der Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker hatten Experten kritisiert, dass Kündigungsschutzklagen die Suche nach einem Investor massiv erschwert hätten.
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