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Streit der WocheIst Sport politisch?

Politiker wollen die EM in der Ukraine boykottieren, Fußballer kritisieren das Regime. Ihre Widersacher meinen: Sport ist unpolitisch! Und sollte es auch bleiben.

Ist Sport politisch? Dieser Aktivist sagt ja. Protest vor den Olympischen Spielen in China. Bild: dpa

Ist die Teilnahme an der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine ein politisches Signal? Ja, sagen inzwischen deutsche Politiker über Parteigrenzen hinweg: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat zum Boykott aufgerufen, CDU-Umweltminister Norbert Röttgen und FDP-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel schlossen sich an.

Selbst aus einer in politischen Belangen eher stillen Ecke, dem Profi-Fußball, meldet man sich zu Wort: Nationalspieler Philipp Lahm hat das ukrainische Regime kritisiert und eine Stellungnahme des Uefa-Präsidenten Michel Platini gefordert.

Wenig Sympathie für einen Boykott zeigen dagegen deutsche Sportfunktionäre: Laut Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), haben „die Menschen in der Ukraine diese EM verdient“.

taz
Sonntaz

Was Politiker, Sportler und Prominente zur Streitfrage sagen, lesen Sie in der sonntaz vom 12./13. Mai. Die Statements stammen diesmal unter anderem von der Fechterin Imke Duplitzer und der Grünen-Chefin Claudia Roth.

Und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International bezweifeln, dass ein Boykott überhaupt sinnvoll ist. Ob Sport, zumal sportliche Großereignisse, eine politische Bedeutung haben, ob man sie politisch nutzen soll, ist umstritten – und das schon lange.

Bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne erhielten die ungarischen Sportler auffallend viel Applaus – was als Solidaritätsbekundung nach dem sowjetischen Einmarsch in ihrem Land gedeutet wurde.

Auch später spiegelte sich der Kalte Krieg immer wieder in Olympia-Boykotten: Erst blieben zahlreiche westliche Staaten den Spielen 1980 in Moskau fern, woraufhin die Ostblockstaaten 1984 nicht nach Los Angeles reisten.

In der Bundesrepublik entschied man sich nach heftigen Debatten für einen Boykott von Moskau – zum Unmut einiger Sportler. Die beklagten, dass damit Weltpolitik auf ihrem Rücken ausgetragen würde und jahrelanges Training nun umsonst sei. Der Zehnkämpfer Guido Kratschmer erklärte noch Jahrzehnte später, der Boykott sei Unsinn gewesen und habe zu keinerlei politischem Umdenken geführt.

Medienaufmerksamkeit durch Großereignisse

Heute wird die Debatte nicht weniger heftig geführt: Dass Oppositionelle in Bahrain forderten, das Formel 1-Rennen abzusagen, überzeugte Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone nicht im geringsten. Die Veranstaltung sei unpolitisch, ließ er wissen.

Aber auch Menschen mit weniger Eigeninteresse sind nicht unbedingt überzeugt vom Sinn von Boykotten: Menschenrechtsorganisationen argumentieren, dass sportliche Großereignisse gerade für autoritäre Staaten Medienaufmerksamkeit brächten und damit einen gewissen Druck, Menschenrechts-Standards einzuhalten – und sei es zeitweise.

Noch immer rar sind SportlerInnen, die sich politisch positionieren. Die Fechterin Imke Duplitzer war die einzige deutsche Sportlerin, die der Eröffnungsfeier bei den Olympischen Spielen in Peking demonstrativ fernblieb.

In dieser politischen Abstinenz sehen Kritiker mangelndes Stehvermögen, Befürworter dagegen Konzentration auf das Eigentliche und legitimen Widerstand, sich für andere Zwecke vereinnahmen zu lassen.

Was meinen Sie: Ist Sport politisch?

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12 Kommentare

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  • T
    TAZleser

    Sport wird von der Politik benutzt. Wer will wissen, ob 2016 in Brasilien ein System herrscht, das die Menschenrechte ignoriert, wie wird es 2018 bei den Winterspielen in Südkorea aussehen?

    Ein Boykott der Politiker kurz vor Anpfiff ist nur eine Demonstration, dass man mit den Zuständen nicht einverstanden ist. Die gleichen Politiker werden sich nach Ende der Spiele keinen Deut mehr um die Zustände des jeweiligen Landes kümmern.

    Insofern ist dieses Thema ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht um demokratische Prinzipien geht, sondern um Sympathieheuchelei/Machterhalt unserer Politiker.

  • T
    T.V.

    Sport wird (auch) politisch sobald er in den Fokus der Medien/Öffentlichkeit gerät. Wenn ein Millionär und Sportler wie Lahm einem anderen Sportler Vorwürfe in der Hinsicht macht ist das allerdings kaum politisch, mehr makaber und reine Selbstprofilierung.

     

    Vom wirklich politisch verändernden Sport - dem der bspw. Kinder aus Armenvierteln versammelt und ihnen neuen Lebensmut gibt - bekommt man selten mal was mit, weil es ihn auch wohl selten gibt.

  • BB
    Bert Blank

    Sport per se ist selbstverständlich nicht politisch, schließlich geht es um den sportlichen Wettkampf zur Ermessung der aktuellen sportlichen Qualitäten der Wettstreitenden Sportler, gleich welcher regionalen, religiösen oder auch politischen Herkunft derselben.

    SportVERANSTALTUNGEN hingegen sind immer und grundsätzlich politisch.

    Wenn die Augen der Welt einen Fokus haben und Tausende Zeugen in Form von Touristen vor Ort sind, dann lässt sich dies hervorragend nutzen um im Schatten dieses Fokus für sich zu werben.

    Dass hierbau auch mal diktatorische, menschenrechtsverachtende Regime halbwegs gut dabei wegkommen (z.B. 1936), ist ein großes Manko, ein Vorteil ist aber, dass dadurch auch Veränderungen erreicht werden können...oder zumindest Wahlprognosen:

    Immer wenn Deutschland Fußballweltmeister und kurz darauf gewählt wurde, wurde der Kanzler bestätigt.

    Wenn es also Neuwahlen im Herbst gäbe und wir Deutschen vorher die EM gewinnen, dann...

  • P
    Peter

    Jedenfalls: Politik ist nicht sportlich, das ist mal sicher.

  • TS
    Thomas Schuster

    1000 Zeichen sollen reichen? Ein Versuch:

    Großveranstaltungen bewirken große Aufmerksamkeit.

    Das lockt Politik und Wirtschaft.

    Bei nationalen Vergleichen wird es besonders ernst.

    Vor allem bei der populärsten Mannschaftssportart der Welt, dem Fußball.

    Ja, es ist ein Spiel. Ja, es ist Sport.

    Es ist unterhaltend, spannend und entspannend.

    Doch das Benzin im Feuer ist das Nationalgefühl.

    Die Identifikation mit der Nation.

    Die Assoziationen können harmlos bis katastrofal sein.

    Auf jeden Fall sind sie da, es findet nicht nur ein sportlicher Vergleich statt.

    Es ist hochgratig politisch.

    Die Menschen sind so. Es ist eine Realität.

    Deshalb sind Politiker da. Sie müssen.

    Es gibt einen Anlass zur weltöffentlichen Begegnung.

    Eine Welt- Bühne. Also unbedingt hinfahren. Aber nicht nur zum Fußball gucken, sondern um eine Vorstellung auf dieser Bühne zu geben, Frau Merkel und alle anderen Hosenschei?er!

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    Nationalpolitiker sind mit diesem Massenphänomen konfrontiert und müssen sich deshalb für eine Haltung entscheiden.

     

     

    Für die Gastgebernation und ihre Gastnationen.

    Dann geht´s richtig los.

    Der Kampf der Nationen, das macht die Leute heiß. Und bringt ihre Politiker in Zugzwang und Versuchung.

     

     

    Auch ein ein Boykott kann im Extremfall richtig sein.

    Aber nur, wenn er mehr Aufmerksamkeit erregt als ein mitmachen bzw. eine

  • JP
    Jan Peters

    Politik ist ein mächtiges Konstrukt, welches die gesellschaftlichen Strukturen formt und somit auch die Gesellschaft an sich. Das heißt Normen, Werte, Schwerpunkte schult und teilweise auch zukünftige Richtungen vorgibt. Wenn dann also die WM 1954, auch bekannt als "das Wunder von Bern", das Selbstbewusstsein und das Wir-Gefühl der deutschen Bevölkerung steigerte und es der ein oder andere möglicherweise auch als gutes Omen deutete oder ein Politiker sich diesen Sieg der Nationalelf als Früchte seiner Arbeit zu Gute führte, kann man wirklich nicht mehr sagen: "Sport ist unpolitisch". Also der Sport in seiner reinsten Praxis natürlich schon, aber nicht als Veranstaltung in der Größe, wie sie, die EM, eine ist. Desweiteren stehen solche Veranstaltungen traditionell auch in sofern im politischen Licht, als dass sie gerade durch dieses gemeinschaftliche, über alle finaziellen und ja teilweise dann auch kulturellen Grenzen hinweg, über die eigentlichen Mißstände innerhalb der Gesellschaft hinwegtäuschen bzw. sie vergessen lassen. Was ja an sich schön wär, würde es nicht die Wirkung von Opium haben, dessen Wirkung dann aber nach der EM leider wieder nachlässt und sich alle wieder ihrer kleinen Welt widmen, alleine oder gemein, mit viel Geld oder mit wenig Geld. Dann gibt es kein Chef mehr, der seine Angestellten früher nach Hause lässt, damit sie nichts verpassen. Vielleicht erinnert sich mancher noch an die WM 2010 und den Eklat um die französische Nationalelf? Ein Fakt der, denke ich, genug aussagt: Nach dem Ausscheiden der französischen Nationalelf war Kapitän Thierry Henry zu Gast bei Sarkozy im Präsidentenpalast, er musste ihm die Gründe für das klägliche Ausscheiden erklären.

     

    Und zum Klagen einiger Sportler: Wie sagte Ulrike Meinhof: "Das Private ist politisch!"

  • UR
    Uwe Roos

    Sport wurde politisch, als er zu einem Wirtschafts- und Industriefaktor wurde. Das hat auch seine soziokulturelle Stellung bis heute geprägt. Große internationale Sportereignisse der Neuzeit sind demnach auch stets politische Schattenspiele. Politik und wirtschaftliche Interesse treten als Tandem in internationalen Sportzirkus auf. Das Ereignis an sich ist nur noch die Schablone für monitäre Interessen und am Beispiel der Ukraine eine

    willkommene Plattform für propagandistische Inzenierungen

  • MW
    Maximilian Wilms

    Die Geschichte der WM 1974, als die BRD gegen die DDR spielte und 0:1 verlor, musste ich mir sehr oft von meinem Vater anhören. Dabei betonte er immer, dass die BRD trotz taktischem Kalkül das Spiel gegen den Klassenfeind nicht absichtlich verloren hätte. Obwohl der Kalte Krieg passé ist, so bleibt doch die Tatsache, dass auch der Sport politisch aufgeladen ist und sein muss. Der notwendige Wandel, welcher sich dabei vollziehen muss, ist jedoch der von den Verbänden hin zu den Sportlern. Ein Verband unterliegt gewissen Konventionen und betreibt immer Prestigepolitik, der Sportler ist nur seinem Gewissen verpflichtet und kann dadurch freier agieren.

  • OP
    Otto Pardey

    Ausgerechnet die FIFA mit ihren mafioesen Strukturen und

    ihren Konsorten wollen hier als Moralapostel in Erscheinung treten!

  • R
    reblek

    Sehr schön: Die Olympischen Spiele von 1956 finden Erwähnung, aber die von 1936 haben anscheinend nicht stattgefunden. Wahrscheinlich waren sie völlig unpolitisch.

  • EC
    El Commandante

    Witzig, dass Ihr das fragt...wenn ich so drüber nach denke, dann finde ich Sport-Boykotte ziemlich fürn Arsch...zumal die Historie zeigt, dass dadurch politisch niente erreicht wurde... wie im Sandkasten:

    Nur weil du nicht mitspielen willst, musst du es ja auch nicht!...Das mit dem Foto: hahaha, welche Ironie das doch 2008 war...Free Tibet! schrien die Idioten...hey Tibet ist schon seit über 50 Jahren besetzt, wo wart ihr früher?????

     

    El Commandante

  • T
    Thomas

    Sport per se ist zunächst einmal unpolitisch.

    Die politische Komponente kommt vor allem bei internationalen Großveranstaltungen zum Tragen, bei denen sich Städte, Regionen oder auch Staaten der Welt präsentieren

    Spätestens bei dieser Außendarstellung kommt dann auch das Interesse der Stadt, Region etc. ins Spiel. Denn es geht natürlich darum, nach außen hin ein möglichst positives Erscheingsbild zu erreichen

    Um dies zu gewährleisten, wird diese Präsentation auch nicht mehr nur dem Sport überlassen; hier ist u.a. ein Ansatzpunkt zu finden, wo Politik sich ins Spiel bringt und die Sphäre des "nur Sport" aufhört.