Kommentar Blockupy: Die Gefahr kommt nicht von links
Die Banker trauen sich nicht mehr in ihre Türme, die Stadt Frankfurt sieht gefährliche Linke am Werk. Doch die Protestler liegen richtig mit ihrer gewagten Taktik
V ier Tage lang die Innenstadt blockieren, ist das richtig und gar schlau? In einem breiten Bündnis mehr oder weniger linker Gruppen, von gemäßigt bis radikal, von gewaltfrei bis zum Austesten, was die Polizei nicht mehr verhindern kann?
Immerhin bietet sich hier eine Gelegenheit für CDU-Politiker und manche andere, sich zu profilieren als die Wahrer der Ordnung und die Beschützer der von Entglasung bedrohten Hausbesitzer und -bewohner. Wer mit den theatralischen Autonomen demonstriert, kriegt meist entweder einen Polizeiknüppel oder einen Stein an den Kopf.
Aber trotzdem liegt das Gefahrenpotenzial in Frankfurt ganz woanders als bei ein paar Platzwunden oder Fensterscheiben. Es ist die Stadt der deutschen Banker, das Viertel, in dem die abstrakte Finanzwelt die materielle Erde berührt. Der Ort, wo man ansetzen muss.
ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Wir haben nun vier Jahre Finanzkrise, hunderte Milliarden an Bankenhilfen aus Steuermitteln wurden ausgegeben und eine Wirtschaftskrise tobt in den meisten Staaten Nordamerikas und Europas.
Man kann es nicht oft genug allen vor Augen führen: Die Menschen zahlen mit harter Münze für das Finanzsystem und haben in den vergangenen vier Jahren fast nichts dafür zurück bekommen – keine Transparenz, wer die Milliarden wohin schiebt; keine Besteuerung großer, international verteilter Vermögen; keine Trennung der spekulativen Geldinsitute vom Rest; keine Haftung der Verantwortlichen. Wir haben die Macht über unser Geld nicht wieder bekommen. Die Banker verdienen trotz allem wie vorher und halten sich immer noch für schlauer als der Rest der Welt.
Hier liegt die eigentliche Gefahr. Diese Fakten zerstören nicht nur viele Arbeitsplätze, sie zerstören die Gesellschaft, den Glauben an die Demokratie. Das wird immer wieder vergessen, praktisch täglich, sobald die Menschen bei den Nachrichten die Glasschäden hinter sich gelassen haben und beim Wetterbericht angekommen sind.
Deswegen ist der breite linke Protest richtig. Es ist eine Gratwanderung zwischen zwei Schluchten: Gewaltloser Protest interessiert erst, wenn Massen auf der Straße sind; dumme Gewalt hingegen lässt sich leicht von interessierter Seite krimnalisieren und schreckt dann wichtige Verbündete in der entscheidenden Mitte der Gesellschaft ab.
Aber die Massenmedien und die Banker nehmen Protest erst wahr, wenn er wirkt wie jetzt Blockupy: Die EZB geht in geheime Ausweichquartiere, Banker bleiben zu Hause, die Commerzbank schließt ihre Firmenzentrale von Donnerstag bis Sonntag. So sieht Wirkung aus. Politiker und Banker dürfen nicht unbehelligt ihrer Geschäfte nachgehen können. Sonst tut sich weitere vier oder 40 Jahre nichts.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip