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Kölner BeschneidungsurteilDer Kampf um die Vorhaut

Das Kölner Landgericht kämpft mit seinem Beschneidungsurteil für intakte Geschlechtsorgane. Es stellt aber auch die Frage, wie anders man sein darf.

In Deutschland sind Juden und Muslime, die ihre Söhne aus religiösen Gründen beschneiden lassen, in der Minderheit. Bild: dpa

Der Mohel, der in Ari Libskers Film „Circumcision“ über seine Tätigkeit spricht, sagt, er entferne etwas, was man für abstoßend halte. Als Libskers Anti-Beschneidungs-Film 2004 im israelischen Fernsehen gesendet wurde, folgte eine erregte Debatte im Land.

Libsker hatte unbeschnittene Jungs und ihre Mütter über ihre Ängste vor gesellschaftlicher Ächtung erzählen lassen, junge Männer über ihre späte Beschneidung, die sie nun bereuten, und Väter, die sich der Grausamkeit gegenüber ihren Kindern bezichtigten.

Wenn es nach den Büchern geht, ist die Brit Mila, die Beschneidung männlicher Säuglinge am achten Tag nach ihrer Geburt, ewiges Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Nachkommen Abrahams. Die Vorhaut ist nicht nur in Israel ein heikles Thema, weil sie die Identität des Judentums berührt. In den USA halten viele Eltern die Beschneidung aus hygienischen, medizinischen und kosmetischen Gründen für angezeigt.

Die Vorhaut ist ein Terrain, auf das uralte Vorstellungen von Hygiene, soziale Erwartungen und moderne ästhetische Normen projiziert werden. Gegner der Beschneidung berufen sich darauf, dass die Vorhaut mit ihrer Vielzahl an Nervenenden das eigentliche Organ männlicher Lustempfindung sei. Ihre Entfernung komme einer massiven Verstümmelung gleich. Der Kampf gegen Beschneidung ist ein Kampf für intakte Geschlechtsorgane und befriedigenden Sex.

Das Urteil des Kölner Landgerichts stärkt den Gedanken des Rechts auf körperliche Unversehrtheit, wirft aber die Frage auf, ob der Staat Praktiken regeln soll, die religiöse Gemeinschaften für grundlegend in ihrem Verhältnis zu Gott halten. Einer der Väter in Libskers Film, der bedauert, seine Söhne traumatisiert zu haben, sagt den Satz: „Unterschiede sind etwas Gutes, nicht etwas Schlechtes.“ Er habe nichts gegen Beschneidungen, nur gegen den sozialen Druck, der sie zur Pflicht erkläre.

In Israel gibt es nicht viele Beschneidungsgegner. In Deutschland sind Juden und Muslime, die ihre Söhne aus religiösen Gründen beschneiden lassen, in der Minderheit.

Das Kölner Urteil setzt auch einen Maßstab in der Frage, wie anders man sein darf. Werden wir es erleben, dass sich ein deutsches Gericht zu den gesundheitsschädigenden Folgen protestantischer Leistungsethik äußern wird, die zu Depression, Burnout und frühen Tod durch Herzleiden und Krebs führen kann? Hinterwäldler sind immer die anderen.

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59 Kommentare

 / 
  • H
    HaWeHa

    Keineswegs wird die Zwangs-Genital-Reduktiv-Chirurgie an JUNGEN dadurch gut, dass Zwangs-Reduktiv-Genital-Reduktiv-chirurgie an Mädchen schlimmer ist. Die Beschwörung "das ist ja ganz etwas anderes und viiiel schlimmer, und überhaupt nicht zu vergleichen" ist ein billiger Rhetorischer Trick Moralischer Erpresser, um das Greuel, welches einem Heidnischen Fruchtbarkeitsritual huldigt, schönzureden.Rituelle Zwangs-Zirkumzision von Jungen ist eine Parasitär-Religion, ein akzeptiertes VERBRECHEN, eingeführt von der Rabbinischen "P"riesterschaft in das Element "J" im TORAH-Template, nach 5 Jahrhunderten, und so dem Wirt, dem Abrahamitischen Kreator G-D in die Schuhe geschoben bzw implantiert. Jeder Christ verhöhnt durch seine Falsche Toleranz zu dem Blutopfer der Rabbinischen "P"riesterschaft den NEUEN BUND, den Jesus(der)Christus durch sein FREIWILLIGES Blutopferam Kreuz mit den Menschen geschlossen hat.Der Geringste Nächste, den Ihr, liebe Christen, alleine lasst, das ist das Wehrlose Kind, wenn Ihr tolerant zu dem Verbrechen seid, das Mal des Heidnischen Blutopfers in dessen Genitalien schnitzen zu lassen.

  • T
    Towanda

    @ Swilly: Ich stimme Ihren Argumenten zu.

     

    Zu Ihrer Frage nach der protestantischen Leistungsethik: Da dachte der Autor wohl an Max Webers berühmtes Buch: "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus", wo Weber auf den Zusammenhang von religiösem Pflichteifer, Fleiß und dessen positiven Effekt für monetären Erfolge hinweist. Dieser These zufolge galt es bei den Protestanten als gottgefällig, der Erwerbsarbeit die absolute Priorität einzuräumen und sein Leben primär an Leistung und Erfolg auszurichten. Erfolg im Geschäftsleben war demnach ein Zeichen für Gottesgnadentum.

  • Z
    Zipfelmütze

    Ich würde mich in der taz über eine laute Stimme für ein Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit freuen. Auch im Heutigen Kommentar wird der Eingriff auf ein "ist nicht weiter schlimm" reduziert. Das mag für Tatoos, Piercings usw. auch gelten. Dennoch müssen Kinder davor geschützt werden, dauerhaft körperliche Veränderungen zu erleiden, auf Grund der religiösen oder sonstigen Überzeugungen ihrer Eltern.

    Erlaubt ist nicht, "was nicht so schlimm" ist, sondern nur, was dem (medizinisch zu beurteilenden Kindeswohl entspricht.

    Die Kommentare und Stellungnahmen in dieser Zeitung finde ich zutiefst erschütternd.

  • S
    Swilly

    Dass die taz bei diesem Thema zum Relativieren und Verharmlosen von religiotisch begründeter Körperverletzung an Kindern und Säuglingen neigt wissen die Leser ja nun schon seit den Artikeln von Gessler, Charim, Rath, Schmollack u.a.

    Und dann noch ein Nachschlag von Ihnen, Herr Gutmair.

     

    Der Kampf um die Vorhaut. Was für eine Überschrift!

     

    "Wenn es nach den Büchern geht". Welche Bücher meinen Sie denn?

     

    "In den USA halten viele Eltern die Beschneidung aus hygienischen, medizinischen und kosmetischen Gründen für angezeigt."

    Aha, die USA unser aller Vorbild, das Maß aller Dinge? Tolle Aussage.

     

    "Die Vorhaut ist ein Terrain..." Ich Naivling dachte immer, die Vorhaut ist Bestandteil des menschlichen (männlichen) Körpers.

     

    "Der Kampf gegen Beschneidung ist ein Kampf für intakte Geschlechtsorgane..."

    Es ist der Kampf für einen intakten, unversehrten Körper, zu dem auch Geschlechtsorgane gehören. Der Straftatbestand heisst Körperverletzung! Nicht Geschlechtsorganverletzung.

     

    "Werden wir es erleben, dass sich ein deutsches Gericht zu den gesundheitsschädigenden Folgen protestantischer Leistungsethik äußern wird, die zu Depression, Burnout und frühen Tod durch Herzleiden und Krebs führen kann?"

     

    1.Was bitte ist denn protestantische Leistungsethik?

     

    2. Sind in Deutschland Kinder und Säuglinge den Folgen Ihrer sogenannten protestantischen Leistungsethik ausgesetzt,die zu Depression, Burnout und frühen Tod durch Herzleiden und Krebs führen kann?

     

    "Hinterwäldler sind immer die anderen."

    Ihrer Meinung nach wohl die Menschen, die im 21. Jahrhundert sich für die körperliche und psychische Unversehrtheit des Menschen einsetzen und nicht uralten (Märchen-)Büchern mit ihren sadistischen Handlungsanleitungen folgen wollen?

  • P
    PeterWolf

    @ Mal-die-Kirche-im-Dorf-lassen.

    "Also warum hier nicht genauso verfahren? Zusatzparagrahpen her, der die religiöse Beschneidung von der Straffreiheit ausnimmt, ihren rechtlich grundsätzlichen, und richtigen, da schlichtweg realen, Status der Körperverletzung unangetastet lässt."

     

    Ich vermute mal, dass Sie schreiben wollten: "von der Strafbarkeit ausnimmt".

     

    Finden Sie, dass Eltern auch wieder Straffreiheit fürs Verprügeln ihrer eigenen Kinder gewährt werden soll, wie früher?

  • T
    Towanda

    Ok, habe es gerade gelesen, zu Beginn der Pubertät.

  • T
    Towanda

    Die Frage ist ja auch, wie wird die Beschneidung durchgeführt und wann. Im Säuglingsalter bei den Juden und wie ist das bei den Moslems? Zu Beginn der Pubertät? Wenn ich das Bild sehe, frage ich mich auch, ob es mit Betäubung gemacht wird. Scheinbar nicht (immer).

  • W
    wanderer

    Der Vergleich mit der "Protestantischen Leistungsethik" am Ende des Artikels ist eine Nebelkerze, die vom eigentlichen Problem ablenken soll. Bitte ehrlich argumentieren und keinen Schmu verbreiten.

  • H
    Hansi

    Das "Anderssein" und das "Recht auf Beschneidung" hat doch das Landgericht in keinster Weise infrage gestellt. Nur an Kindern, die sich selbst eben nicht entscheiden können, darf sie nicht vorgenommen werden, was doch aber eine Selbstverständlichkeit für jeden fühlenden Menschen sein sollte. Mit dem 18. Lebensjahr darf jeder schnippseln (lassen) wie er will, ob aus religiösen oder sonstigen Gründen.

  • F
    Feinbein

    Sämtliche Kommentare verkennen den eigentlichen Kern des Urteils: Wer in Zukunft eine Beschneidung aus religiösen Gründen an minderjährigen Jungen vornimmt, egal ob als Arzt oder als jüdischer Geistlicher, begeht eine Straftat und setzt sich der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft aus. Medizinrechtler empfehlen daher in Deutschland arbeitenden Ärzten, in Zukunft keine Beschneidungen ohne medizinische Indikation an Minderjährigen vorzunehmen. Die Haftpflichtversicherungen der Ärzte werden bei Komplikationen nicht zahlen. Eltern, die einen in Deutschland arbeitenden Arzt zu einer religiösen Beschneidung an ihrem minderjährigen Kind auffordern, fordern ihn zu einer Straftat auf. Es droht eine Geldstrafe, schlimmstenfalls der Verlust der Approbation.

    Übrigens ist in Schweden die Beschneidung minderjähriger Jungen, die älter als zwei Monate sind, ohne medizinische Indikation seit 2001 per Gesetz verboten.

  • B
    baruschko

    Nur mal als Gedanken"Spiel":

     

    Beschneidung (eigentlich VERSTÜMMELUNG) bei Mädchen.

     

    In irgendeinem heiligen Buch stände, das ist religiöse

    Pflicht, also, für die Angehörigen einer

    Religionsgemeinschaft ein muss.

    Religionsausübung ist vom GG gedeckt, also ist die

    Beschneidung von Mädchen erlaubt!

     

    Wer weiß, was diese "Beschneidung" bedeutet, dem

    ist sofort klar (wenn kein religiöser Fanatiker):

    Das geht auf keinen Fall!

     

    Beschneidung bei Mädchen ist ein Verbrechen und kann

    hier(in der BRD / EU) AUF KEINEN FALL geduldet werden!

     

    Es zieht also auch nicht das Argument der

    Religionsfreiheit da diese TAT, gegen die

    Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht

    von Kindern verstößt,

    also eine STRAF-TAT ist!

     

    Kann mir mal einer erklären, warum das bei der

    (zugegebenermaßen vergleichsweise, relativ

    "harmlosen") Beschneidung von Jungen anders sein soll??

     

    Das Prinzip ist das gleiche, die körperliche

    Unversehrtheit von (KLEIN-) Kindern MUSS geschützt

    werden und ist keinesfalls mit irgendwelchen

    religiösen Vorstellungen zu legitimieren.

     

    War denn die „Aufklärung“ ein Irrtum der

    Menschheitsgeschichte?

     

    Nun protestiert u.a der Zentralrat der Juden u.

    erklärt die Beschneidung bei 8 TÄGIGEN Säuglingen!

    als unverzichtbar, und unverhandelbar!

     

    Wenn dem wirklich so ist, so schlage ich vor, das

    Judentum (und jegliche „Religion“ die sich

    gleichartig definiert) als nicht verfassungskonform

    einzustufen und ein entsprechendes

    Verbotsverfahren einzuleiten.

     

    Vielleicht beginnen dann ja mal bestimmte „Gläubige“

    umzuDENKEN und begreifen endlich was Menschenrechte

    bedeuten und dass sie diese nicht einfach ihren Kindern

    (ihr „Eigentum“?) entziehen dürfen!

  • M
    manfred (60)

    Wird hier das Pferd nicht von hinten aufgezäumt? Es geht doch nicht um eine Beschränkung der Religionsfreiheit, es geht um den Schutz der körperlichen Unversehrtheit Schutzbefohlener. Das steht im Einklang mit dem Grundgesetz. Niemand hat das Recht, sich darüber hinwegzusetzen, auch nicht unter Verweis auf religiöse Gründe.

  • SB
    Sven Bögner

    Letztendlich wird die Frage, ob die körperliche Unversehrtheit eines Kindes höher wiegt als das Recht der Eltern auf freie Religionsausübung vom Bundesverfassungsgericht zu entscheiden sein. Davon einmal abgesehen ist die Beschneidung von Kindern selbst bei Juden mittlerweile durchaus umstritten. Man braucht nur "Jews against circumcision" im Internet einzugeben.

  • DS
    die Sanftej

    Selten so einen Schwachsinn gelesen. Zum Glück hab ich mein Tazabo gekündigt.

  • K
    Klaus

    .

     

     

    Alles Quatsch, bin selbst beschnitten, kenne viele die es auch sind, darunter Leute aus den verschiedensten Ländern und Religionen (auch deutsche Christen).

     

    Alle die ich kenne, sind sehr froh über ihre Beschneidung, keiner bereut es.

     

    Nillekäs und Geruch nach kürzester Zeit (30 Minuten Bis 1 Stunde)kennen beschnittene nicht. Die Mehrheit der Frauenwelt findet, laut mehreren Studien, ein Beschnittenes Glied schöner.

     

    Hygienischer ist es noch dazu.

     

    Vorhautverengung oder Entzündungen an der Eichel kenne beschnittene genauso wenig.

     

    Der Sex ist genauso befriedigend.

     

    Wenn man so anfängt, ist Ohrlöscher stechen, Ohren Operativ Anlegen, Zahnspange tragen (Zahnspange = oft Seelisches Leid durch hänseln) auch Verstümmlung. Die Kinder sind so gut wie immer nicht volljährig.

     

    Außerdem wird bei den Moslems die Beschneidung meist im alter von 10 bis 14 Jahren vollzogen und die Jungen Männer freuen sich schon sehr darauf das sie bald beschnitten sind.

     

    Schmerzvoller als ein Schnitt in den Finger ist es auch nicht und bei einem Schnitt in den Finger wird mehr verletzt.

    weil bei der Beschneidung nur in die dünne Haut geschnitten wird, bei dem Schnitt in den Finger ist das Fleisch meist auch in Mitleidenschaft gezogen.

     

     

    .

  • M
    Mal-die-Kirche-im-Dorf-lassen

    Zuerst zum Kommentar von "boese". Das Entfernen eines Hautstücks bei Männern mit der Entfernung von Klitoris und inneren Schamlippen (inklusive anschließender Vernähung der äußeren Schamlippen) bei Frauen gleichzusetzen zeugt von absoluter Taktlosigkeit und Uninformiertheit. Würde man eine Beschneidung von Männern mit der von Frauen unbedingt gleichsetzen wollen, müsste man ersteren schon die Eichel abhacken – schönen Dank.

     

    Zur Debatte generell: Meiner Ansicht nach hat das Gericht hier einfach seinen Job gemacht. Die Rechtslage ist recht eindeutig. Auch die Spritzengabe beim Arzt gilt rechtlich als Körperverletzung, wird aber rechtlich nicht verfolgt, da davon ausgegangen wird, dass dieser Eingriff im positiven Sinne des Patienten erfolgt. Körperverletzung heißt schlicht, dass eine Veränderung am Körper vorgenommen wird. Auch ein Piercing ist Körperverletzung, jedoch mit Einverständnis des/der Betroffenen.

     

    Was die männliche Beschneidung rechtlich besonders Macht ist die Tatsache, dass sie nicht revidierbar und somit ein schwerer Eingriff ist.

     

    Auf der anderen Seite, lasst die Leute dass doch machen. Ich kann mir als Mann nicht vorstellen, dass der Verlust meiner Vorhaut eine Katastrophe für mein Leben wäre.

     

    Und was die Rechtslage angeht. Denken wir mal einige Jahrzehnte zurück an das Thema Abtreibung. Diese wurde nie endgültig legalisiert. Sie stellt rechtlich immer noch einen Tötungsdelikt dar. Diese besondere Form wurde lediglich unter Auflagen von der Strafverfolgung ausgenommen.

     

    Also warum hier nicht genauso verfahren? Zusatzparagrahpen her, der die religiöse Beschneidung von der Straffreiheit ausnimmt, ihren rechtlich grundsätzlichen, und richtigen, da schlichtweg realen, Status der Körperverletzung unangetastet lässt.

  • I
    inu

    Was versteht der Autor unter "protestantischer Leistungsethik"?

  • WI
    W.P. Inman

    Die Einseitigkeit der Empörung und die Argumente der Gegner des Kölner Urteils macht nur eines überdeutlich, nämlich:

     

    wie wenig nach wie vor in der Welt die Rechte des Kindes auf Selbstbestimmung und Schutz, überhaupt sein Subjektstatus als Ganzer missachtet, geradezu mit Füßen getreten wird von arroganten, unsensiblen, bornierten Erwachsenen.

     

    Als die ersten Menschen antraten und gegen das Halten von Sklaven eintraten, sind sie auch auf eine Phalanx von Verteidigern dieser heute allgemein als inhuman bezeichneten Praxis gestossen.

  • M
    Mike

    Religion hin oder her..es kann doch nicht sein das an willenlosen Knaben rumgeschnippelt wird nur weil die Eltern meinen ihre religiösen Vorstellungen ( oder besser Wahn? ) durchzusetzen! Zumal zumindest im Islam davon kein Wort im Koran steht! Ich finde das Urteil richtig, ganz einfach weil damit das Grundgesetz und das Recht auf körperliche Unversehrtheit über religiöse Bräuche gestellt wird! Und das ist nur gut so! Wäre schön wenn als nächstes endlich das kirchliche Arbeitsrecht den normalen Gesetzen unterstellt würde und auch das Schächten von Tieren verboten würde. Jedem seinen Glauben - bitte schön! Es gibt die Glaubensfreihit was auch gut ist, aber diese Freiheit darf nicht höher bewertet sein als das Grundgesetz!

  • UW
    und was ist mit psychischer Kindesmisshandlung?

    Wenn man Kindern erzählt, das sie für ihre "Sünden" in der ewigen Verdammnis landen könnten ist das OK oder wie? Sowas kann nämlich mit Sicherheit weitaus gravierendere Folgen haben als eine fehlende Vorhaut!

    Konsequenterweise müssten die Richter hier also auch eingreifen, aber wo soll das ganze dann ein Ende haben?

    Und die Beschneidung von Jungen mit der von Mädchen zu vergleichen ist ja wohl reichlich Absurd, wenn man die späteren Folgen bedenkt. Bei Mädchen benutzt man nicht umsonst den Begriff Genitalverstümmelung.

    Eine streng religiöse Erziehung (psychische Kindesmisshandlung), vor allem bei Christen und Moslems, halte ich jedenfalls für weitaus gefährlicher als das entfernen der Vorhaut bei Säuglingen.

  • DB
    Detlef Bosau

    Es werden auch keine Beschneider Vorhautverengungen feststellen, zumal die Zirkumzision bei Phimose als auf Extremfälle beschränkt, im Kindesalter als im wesentlichen obsolet gilt. Und hier würde man den Ärzten wegen Fehldiagnosen das Handwerk legen.

     

    Was mich an der Debatte stört, sind, neben den wohlbekannten Platitüden (die Debatte ist schon etwas älter) die Heiligung des Kategorienfehlers.

     

    Das LG Köln hat auf eine seit Bestehen der Bundesrepublik bestehende Rechtslage hingewiesen. Und wer in Deutschland lebt, untersteht deutschem Recht. Und letzteres wird ggf. durch Gerichte und Exekutive durchgesetzt.

     

    Und die gegenwärtigen Schreihälse sind nicht mit der Rechtspflege betraut, sie haben also per se zu der ganzen Sache nichts zu sagen. Zu sagen haben sie nichts, zu schreien offenbar um so mehr.

  • J
    Jules

    Ich hätte nichts dagegen, wenn die protestantische Leistungsethik abgeschafft würde. Da diese allerdings wesentlich abstrakter ist als die Beschneidung und in der westlichen Welt eine Tendenz darstellt, die sich auch nicht auf bloße religiöse Gruppen beschränkt, erscheint mir das auch aus rechtlicher Sicht eher, sagen wir mal, schwierig.

    Aber im Ernst - ich kann mich der Meinung "Religionsfreiheit ist immer auch Freiheit vor Religion" nur anschließen. Ein mündiger Erwachsener kann sich gern selbst dazu entscheiden, einen irreversiblen, nicht notwendigen medizinischen Eingriff an sich durchführen zu lassen.

  • BO
    best of

    >>Es stellt aber auch die Frage, wie anders man sein darf.

  • J
    JohnReed

    Die verkrampfte Konstruiertheit des Protestantismus-Vergleiches ist dem Autor hoffentlich selbst peinlich. Unsere Gesellschaft krankt gewiss nicht an einem Übermaß an Definitionsmacht dezidierter protestantischer Ethik. Da sich aber die katholischen Funktionsträger dummerweise bereits gegen das Urteil ausgesprochen hatten, musste eben der Protestantismus bemüht werden, um der "christlichen Mehrheitsgesellschaft" noch eine mitzugeben.

  • HM
    Henryk M. Broder

    sagt: "Kultur ist, wenn ich Ihnen den Kopf abschlage, und aus Ihrem Kopf eine Blumenvase mache. Das ist Kultur. Zivilisation aber ist, wenn ich dafür ins Gefängnis komme, und was mich angeht, ziehe ich die Zivilisation der Kultur vor."

  • P
    Pim

    Obwohl/weil mir noch nirgends ein Artikel begegnet ist, der diesen Bezug aufgreift: Die Kernfrage unter diesem Thema erinnert mich an den Fall von Alex (Mädchen/Junge, 11) aus Berlin.

     

    Auch hier geht es um die Frage, wieviel Selbstbestimmung über den eigenen Körper ein Kind hat, bzw. wie weit die Befugnisse der Erziehungsberechtigten gehen dürfen, wenn es um irreparable Eingriffe geht für die rein gesundheitlich/medizinisch kein Anlass besteht.

     

    Es geht hier wohl nicht um das Recht, 'anders sein' zu dürfen. Auch wenn ich die Frage, ob hier ein Festschreiben einer Norm stattfindet, grundsätzlich wichtig zu stellen finde. Aber Norm ist auch eine Sache der Perspektive, und 'anders sein' somit ebenso relativ.

     

    Erfreulich die treffenden Hinweise auf die Handhabung der gleichen Thematik in Bezug auf Mädchen.

     

    Und mal weiter gesponnen, was wäre, wenn ein Punkerpärchen ihr Krippenkind aus kulturellen Gründen tätowieren liesse? Oder wer seinen Neugeborenen ein Branding verpasst, damit sie in die Sekte aufgenommen werden und die Ufos sie bei ihrer Ankunft als Freunde erkennen - also aus deren Sicht voll der lobenswerte, lebenserhaltende Dienst am Kind, egal wie 'Schraube locker' das auf andere wirkt? Oder Neonazi-Familien, die plötzlich kollektiv anfangen, ihre Kinder operativ dem Idealbild des blond-blauäugigen Ariers anzupassen, wiederum aus (aus deren Weltbild) 'logischen' Gründen?

     

    Die Tradition, ein Kind aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen zu beschneiden, ist zwar älter und weiter verbreitet - weswegen das vielleicht 'gewohnter' erscheinen mag und auf den ersten Blick weniger irritiert - aber rational ist sie nicht fundierter zu rechtfertigen/entschuldigen als die spekulativen Beispiele von Punkerpärchen, Ufo-Gläubigen und Neonazis.

  • H
    hessebub

    Es wird nun mal immer spinnerte Sektierter geben, die das Blut und Fleisch ihres Gottes fressen (katholische Transsubstantion) oder ihre Kinder verstümmeln müssen, um sich zu beweisen, dass sie bessere Menschen als andere sind. Es wird aber höchste Zeit, sie endlich nach Recht und Gesetz in ihre Schranken zu verweisen. Sollen sie unter sich machen, was sie wollen, aber nicht mit wehrlosen Minderjährigen, nicht mit meinen Steuergeldern, nicht an staatlichen Schulen.

  • P
    PeterWolf

    Sie haben zur Rechtfertigung der Beschneidung vergessen, die bewährte Tradition des mit einem Rohrstock prügelnden Lehrers zu erwähnen!

    Wie, den gibt's gar nicht mehr?

  • M
    menschenfreund

    Beschneidung von Kindern ist übelste Körperverletzung und greift massiv in das Recht auf körperliche Unversehrtheit ein. Mit Recht hat das Gericht letzteres in seine Urteilsbegründung aufgenommen.

    Niemand, keine Einzelperson und keine Religion oder irgendjemand, sonst darf dieses Recht mißachten.

    Wenn sich Volljährige ohne Zwang zu einem solchen Schritt entschließen, ist das ihre eigene, zu akzeptierende, Entscheidung.

    Jene, die sich über das Urteil empören sollten bedenken, daß es durchaus auch für sie positive Auswirkungen hat, wenn das geschieht. Immerhin hat man sich dann aus z.B. religiösen Gründen freiwillig der Prozedur unterzogen, ganz im Gegensatz zur Vergewaltigung von Kindern.

  • N
    Neo

    Im welchen Alter darf eine Betroffener/e selbst entscheiden, was mit seinem Körper geschehen darf?

    Wann hat die UN-Menschrechtscharta und das Grundgesetz Gültigkeit (Artikel 2 Grundgesetz)

     

    Neo, die Unbestechlichen

  • K
    kat42

    Es gibt keine "protestantische Leistungsethik". Stattdessen gibt es "Die prostestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus", Erstveröffentlichung 1904/05. Nicht mal Max Weber diagnostiziert Protestanten als besonders arbeitsam, siehe seine Meinung zum deutschen Luthertum, sondern versucht (mehr oder weniger gelungen) den "Geist des Kapitalismus") religionspsychologisch zu ergründen. Darüberhinaus gibt es auch andere Selbstbezeichnungen von Protestanten als besonders leistungsorientiert aus des Kulturkampfes aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs. Das ist inzwischen ein bisschen her, gell? Ob ein deutsches Gericht den "Geist des Kapitalismus", die ewige Hatz um mehr Effizienz verbieten kann und wird, glaube ich nicht und hat nun gar nichts mit dem Urteil zur Beschneidung zu tun.

    Quer-kulturelle Verweise müssen sich unbedingt an Empirie halten, es gibt schon genug rein polemische Artikel zu diesem Thema.

  • B
    Bionic

    Den Bogen von verstümmelung zu Leistungsethik zu schlagen ist so bemüht wie lächerlich; dem Leistungsdruck kann man sich ggf. jederzeit entziehen, aber einen Körperteil bekommt man nie zurück.

  • J
    JML

    "Es stellt aber auch die Frage, wie anders man sein darf."

     

    Wer ist denn dieses 'man'? Wer entscheidet und wer hat die Möglichkeit und das Recht, sich gegen Verstümmelung zu entscheiden? Wer ist dieser Gott, für den kleine Kinder verstümmelt werden? Wer trägt die Folgen der Verstümmelung - privat und öffentlich?

     

    Ich werde das Gefühl nicht los, dass Herr Gutmair hier vor allem für seine eigen Situation argumentiert hat. Wie sieht sein 'ander sein' aus, das er schützen will?

  • JM
    Jules Mari

    Jeder darf so anders sein wie ER es will! Ein Erwachsener darf sich alles von seinem Körper abschneiden, ankleben oder umformen lassen was er will, aus welchen Gründen auch immer. Aber wenn Eltern beschliessen ihr Kind zu verstümmeln, hat das nichts mit dessen freiem Willen zu tun.

    Niemand hat das Recht einem Kind am Genital rumzuschnippeln!!!

     

    P.S.: sind "Unterschiede" bei Frauen eigentlich nichts gutes?

  • R
    R.J

    Das Urteil ist Ausdruck für den Willen, die körperliche Unversehrtheit von Minderjährigen zu schützen. Es kann auch traumatisches Erleben verhindern, wenn es zukünftig beachtet wird.

     

    Die Zwangsverstümmelung von hilflosen menschlichen Wesen zu verhindern sollte für jeden selbstverständlich sein, was hat da etwa ein Volker Beck sich zu melden?

     

    Bestrebungen Beschneidungen verbieten zu lassen hat es, anders als Graumann es darstellt, auch in den USA gegeben.

    So ist verschiedentlich versucht worden, darüber in Kalifornien einen Volksentscheid durchzuführen, was aber gerichtlich untersagt wurde, da angeblich nicht der Bundesstaat, sondern der Zentralstaat für „Gesundheitsfragen“ zuständig sei. In Israel wurden Stimmen dazu laut, als man über das Beschneiden von Mädchen berichtete und Parallelen für viele unübersehbar waren.

     

    Fundamentalisten wie Dieter Graumann und Samuel Korn sollten sich die Frage stellen, wie man Religion in einer humanen Gesellschaft leben kann und etwa das Rabbinat um Lösungen bitten sollen.

    Man kennt diese Herren für die Behauptung angeblicher jüdischer Traditionen. So sind sie auch dabei, die Klagemauer in Ostjerusalem als eines der höchsten Heiligtümer des Judentums ausgegeben, obwohl diese über Jahrhunderte, ja Jahrtausende, kein Besuchs- oder Pilgerziel für Menschen jüdischer Religion war, schon gar nicht eine Rolle für den jüdischen Glauben hatte, wie etwa Mekka für Moslems.

     

    Mit anderen Worten, solche Herren sind nicht glaubwürdig, sondern bekanntlich von Ideologien geprägt, die Menschlichkeit vermissen lassen. Sie zeigen keinen Willen zu einer Integration, die sich gemeinsamen Werten, hier die körperliche Unversehrtheit von Kindern, verpflichtet sieht.

  • W
    writing.angel

    Ganz offensichtlich hat Gott bei der Erschaffung der Männer gepfuscht, als er sie mit einer Vorhaut erschaffen hat. Wie ist es sonst zu erklären, dass in einigen Religionen dieser vermeintliche "Irrtum" Gottes bei der Menschenschöpfung später durch Menschenhand korrigiert werden muss?

    Ich habe im unbeschnittenen Alter von 8 Jahren eine sehr deutliche "Gotteserfahrung" gemacht und mache sie seitdem immer wieder fast täglich - in Häkchen, weil Gott nicht wirklich erfahren, sondern als mein Wesenskern in einem Zustand von Einheit verwirklicht wird. Seitdem weiß ich, dass der Bund mit Gott nicht geschlossen werden muss, sondern seit Anbeginn u. unauflöslich besteht. Er kann durch eine Initiation bewussst gemacht werden, nicht hingegen durch Amputationenen an den Geschlechtsorganen, sondern durch die Herbeiführung eines Zustandes "geringster Anregung" im Bewusstsein eines mindestens halbwüchsigen jungen Menschen, egal ob männlich oder weiblich. "Sei stille und wisse, dass ich Gott bin." "Das Himmelreich Gottes ist inwendig in Euch" (Worte des Alten und Neuen Testamentes), d.h.

    Zurückziehen der Sinne, Beruhigung des Denkens, Transzendieren aller geistigen Aktivität, Verwirklichung des Selbst - "Erkenne, das Gott und Ich (das Selbst) eins sind"; das ist der wahre Bund Gottes mit dem Menschen!

    Beruht diese archaische Tradition der Vorhautentfernung bei Wüstenvölkern auf der Hoffnung, in wasserarmen Gebieten einen hygienischen Vorteil, z.B. weniger Infektionen beim GV, für Männer wie für Frauen zu bewirken?

  • S
    Steffen

    Haetten Eltern ihr Kind beschneiden lassen, die weder Muslime noch Juden sind, waere der Fall klar. Liegt kein medizinischer Grund vor, waere der Eingriff ungerechtfertigt und damit Koerperverletzung.

     

    Eine Ausnahme bedeutete also, dass etwas ploetzlich keine Koerperverletzung mehr ist, wenn der Betroffene einer bestimmten Religion angehoert.

     

    Das waere bedenklich.

  • HL
    Hauke Laging

    "Werden wir es erleben, dass sich ein deutsches Gericht zu den gesundheitsschädigenden Folgen protestantischer Leistungsethik äußern wird, die zu Depression, Burnout und frühen Tod durch Herzleiden und Krebs führen kann?"

     

    Aber natürlich werden deutsche Gerichte in Zukunft auch die anforderungsbedingten Depressionen von Säuglingen und den Burnout von Grundschülern zu verhindern wissen.

     

    "Hinterwäldler sind immer die anderen."

     

    Und den Durchblick hat nur die taz. Is klar.

  • I
    ion

    "Das Kölner Urteil setzt auch einen Maßstab in der Frage, wie anders man sein darf. Werden wir es erleben, dass sich ein deutsches Gericht zu den gesundheitsschädigenden Folgen protestantischer Leistungsethik äußern wird, die zu Depression, Burnout und frühen Tod durch Herzleiden und Krebs führen kann? Hinterwäldler sind immer die anderen.";

     

    Oh nein, hier ist es ("Hinterwäldler") definitiv der Autor höchstpersönlich, denn zum Einen hat das wehrlose Kinder schützende Kölner Urteil (noch) keine überregionale Bindungswirkung, zum Anderen sind die an den: "gesundheitsschädigenden Folgen protestantischer Leistungsethik" Erkrankenden in aller Regel volljährig – oder lassen Sie in Ihrem dunklen Keller Teppiche von Kindern knüpfen?

    Ein bißchen mehr Rechtsverständnis darf man wohl voraussetzten, bevor man jemanden an dieses Thema läßt, der in der taz kurzerhand den x-ten Potpourri (direkte Übersetzung: verfaulter Topf) zum Hype-Thema an-rührt, oder nicht (mehr)‽

    Hat die taz keine Mittel, um mal kompetente Leute zu interviewen, Wort kommen zu lassen – oder soll in diesem Blättchen vorsätzlich niveaulose Polemik synchron von möglichst vielen Schreiberlingen betrieben werden??

  • H
    Hautnah

    Zitat Artikel: "Das Kölner Urteil setzt auch einen Maßstab in der Frage, wie anders man sein darf."

     

    Eben. Jeder darf anders sein, kann sich freiwillig verstümmeln, wenn er denn einst 18 ist.

     

    Vorher muss der Staat die Kinder schützen.

    Religiöse Indoktrinationen können leider nicht verhindert werden, frühkindliche, traumatische Erlebnisse schon.

     

    All diese "hygienischen" Argumente sind doch vorgeschoben!

    Letztendlich geht es darum, dass die Eltern kein Recht haben über die körperliche Unversehrtheit des Kindes zu entscheiden. Es kann nicht sein, dass es verboten ist, Kinder zu schlagen, aber nicht, ihnen einen Teil ihres Körpers für immer zu nehmen - und das bevor sie ihn selbst "erkennen" konnten!

     

    Das Kind wird durch die Erfahrung, dass seine Eltern von einer "höheren Macht" getrieben, ohnmächtig sind und es vor Gewalt an ihm nicht schützen können/wollen irreperabel verletzt, psychisch und physisch.

     

    Die Beschneidung ist eine gewollte Kastrationserfahrung, im doppelten Sinne: bezüglich des Urvertrauens und bezüglich der Schmerzen am sensibelsten Stück.

     

    Die Beschnittenen, die das als Kind erlebt und verdrängt haben und es heute Stockholm-Syndrom-mäßig verteidigen, tun das sicherlich, um nicht eingestehen zu müssen, dass es sinnlos und grausam war, ihr - verdrängtes - Leid unnötig - also stellen sie es als etwas ganz normales, überhaupt nicht schlimmes dar.

     

    Millionen Nervenzellen schreien: NEIN!

     

    Die Frage an die Religionsgemeinschaften hat zu sein: was spricht gegene eine Beschneidung mit 18? Kann der liebe Gott nicht so lange darauf warten, dass das, was er angeblich allein zum Zwecke des Entsorgens schöpfte, wieder begraben wird?

     

    Ich vermute es geht hier einzig und allein um bewußte Traumatisierung, Konditionierung und Gruppenidentitätsbildung zum Zwecke der Erhaltung archaischer Machtstrukturen der Priesterkaste.

     

    Religion ist nur der Vorwand und Beschneidung nur ein Mittel zum Zweck.

     

    Nicht auf Kosten der Kinder, der Schutzbefohlenen des Gesetzes!

  • WB
    Wolfgang Banse

    Kölner Urteil ist ein grober Einschnitt in die Religionsfreiheit

    Religionsfreiheit wird gewährt nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik-Deutschland.Dies sieht das Landgericht Köln nicht so,was das ergangene Urteil im Bezug auf das Verbot der Beschneidung betrifft.

    Die Religionsgemeinschaften Muslime und Juden sollten das Bundesverfasunggericht in Karsruhe anrufen,sowie den Internationalen Menschengerichtshof.

    Wehret den Anfängen,was das ergangene Kölner Urteil des Landgerichts betrifft.

  • JB
    Jörg Berning

    Genitalverstümmelung bleibt Genitalverstümmelung, bleibt Genitalverstümmelung.Im Namen der Religionsfreiheit in die körperliche Unversehrtheit von Minderjährigen einzugreifen, widerspricht dem was in unserem Grundgesetz verankert ist, dort wird an erster Stelle die Würde des Individuums sprich des Menschen und nicht irgendeiner Religion für unantastbar erklärt.

  • A
    Arne

    Das Urteil wird dafür sorgen, dass urplötzlich sehr viele islamische Ärzte eine drohende Vorhautverengung bei Jungen feststellen werden und zukünftig die religiöse Beschneidung eine Kassenleistung wird.

     

    Ich kenne btw keinen in seiner Jugend beschnittenen Menschen, den das als Erwachsener gestört hätte. Ein paar Fakten und Prozentsätze, um was es hier geht, wären ganz sinnvoll.

    Ich persönlich bin als Erwachsener beschnitten worden, weil ich eine Vorhautverengung hatte und die weder für die Hygiene noch für das Sexualleben besonders förderlich war. Gibt es Untersuchungen, in wie vielen Fällen eine spätere OP zu erwarten ist?

    Medizinisch halte ich das alles für mehr als fragwürdig, wenn nicht ein paar Zahlen dazu geliefert werden.

    Ich habe als Kind noch die Tonsillen (= Mandeln) herausgenommen bekommen (noch ohne Betäubing, so weit war man noch nicht). Heute weiß man, dass es das Immunsystem schwächt und man auch in den meisten Fällen die Mandeln erhalten kann.

    Wen kann ich verklagen?

  • FL
    Fritjof Light

    "Das Kölner Urteil setzt auch einen Maßstab in der Frage, wie anders man sein darf"...

    ...und ich dachte, solche abstruse "Toleranz" hätten wir nach den deutschen Richtern, die aus ebendieser ein ebendieses Verständnis für "Ehrenmorde" aufbrachten, hinter uns.

    Guter Herr Gutmair, es geht hier um Körperverletzung an Kindern! Sollten wir hier - Ihrer Meinung nach - auch Genitalverstümmelungen an kleinen Mädchen dulden, wenn die irgendwie "religiös" begründet werden oder mit dem Argument "Wir sind halt anders"??? Oder mit Ihrem unterirdischen Argument destruktiver Gleichheit mit dem Christentum! taz, geht´s noch???

  • T
    tazitus

    "...Werden wir es erleben, dass sich ein deutsches Gericht zu den gesundheitsschädigenden Folgen protestantischer Leistungsethik äußern wird, ..."

    Wie beknackt ist das denn? Vielleicht sollten Sie ihren Max Weber mal komplett lesen.

  • P
    PeterWolf

    "Das Kölner Urteil setzt auch einen Maßstab in der Frage, wie anders man sein darf. Werden wir es erleben, dass sich ein deutsches Gericht zu den gesundheitsschädigenden Folgen protestantischer Leistungsethik äußern wird, die zu Depression, Burnout und frühen Tod durch Herzleiden und Krebs führen kann? Hinterwäldler sind immer die anderen."

     

    Was ist das denn für eine schwachsinniger Versuch der Legitimierung von rechtswidrigen Zwangsbeschneidungen?

     

    Das ist in der Analogie zur Beschneidung qualitativ einzustufen wie etwa "Ohrlochstechen bei Kindern ist doch auch erlaubt!"

     

    Passender wäre da das Abschneiden von Ohrläppchen, damit sie niemals mehr von Ohrringen verunstaltet werden können.

     

    Wäre das auch o.K.?

     

    "Herr, lass Hirn regnen!"

  • C
    Cassady

    Habe auf die Schlagzeile "Der Kampf um die Vorhaut" schon sehnsüchtig gewartet. *g*

  • ...

    Ich muss leider sagen, dass das der vermutlich schlechteste Artikel ist, den ich jemals in der taz gelesen habe.

     

    Es klingt an, als wäre das einzige Argument der Beschneidgungskritiker die Konzentration der Nerven an der Vorhaut. (Ist das so?)

    Aber es geht doch vielmehr darum, dass hier massiv in die körperliche Unversehrtheit eines Kindes eingegriffen wird.

     

    Und das Abschneiden eines Teiles des Körpers mit irgendwelchen Leistungsethiken von Protestanten zu vergleichen erzeugt fast Würgereiz. Der Protestant muss nicht nach dieser Ethik leben. Die Vorhaut wächst nie nach.

     

    Aber um das klar zu stellen: ich finde auch die christliche Kindstaufe unfair. Jeder hat das Recht auf eine Entscheidung.

  • AR
    Albert Reinhadt

    Wenn ich etwas von U. Gutmeir in der taz lese (in diesem Fall über das Kölner Beschneidungsurteil) bin ich davon angetan. Dieser Autor informiert belesen und originell über das (hohe) gewöhnliche taz-Maß hinaus.

    MfG

    A. Reinhardt

  • T
    Tommy

    Bis heute gibt es nicht einen Beweis, der die Gotteshypothese verifizieren könnte. Hier das Recht auf körperliche Unversehrtheit höher zu werten als den Geisterglauben irgendeiner Religion, spricht für unseren säkularen Staat, der der Religionsfreiheit bei Körperverletzung ein deutliches Stoppschild gesetzt hat. Weiter so.

  • E
    eva

    Ob ein Baby oder ein Kleinkind beschnitten wird, kann es in der Regel nicht selbst entscheiden, es nicht verhindern, und reversibel ist die Geschichte auch nicht.

     

    Aber für die "gesundheitsschädigenden Folgen protestantischer Leistungsethik ..., die zu Depression, Burnout und frühen Tod durch Herzleiden und Krebs führen kann" ist der arme kranke Protestant selber verantwortlich, da davon auszugehen ist, dass er bei Ausbruch all dieser Folgen seiner christlichen Erziehung älter als vier Jahre und damit für sich und seinen Lebensstil selbst verantwortlich ist.

     

    Wobei es mir neu wäre, dass protestantisch erzogene Menschen ein größers Problem mit krankhaftem Ehrgzeiz und Depressionen hätten als andere. In der Regel sagen Statistiken, dass kirchennahe Personen eher glücklich und zufrieden sind als der Durchschnitt der Bevölkerung.

     

    Für ihr Christenbashing ist sich die Taz inzwischen offenbar nicht mal mehr zu schade, Äpfel mit Stinkbomben zu vergleichen. Die Birnen des Augustinus und andere Früchte vom Baum der Erkenntnis sind ihr offenbar um Welten zu hoch.

     

    Für eine Zeitung, die ernst genommen werden will, ein Armutszeugnis.

  • SB
    Stefan Bittner

    Ein Kind kann sich kaum gegen die Verstümmelung seiner Genitalien wehren, in Bezug auf Leistungsethik kann ein Erwachsener immer eine Entscheidung treffen: will ich mich dem Aussetzen oder nicht?

    "... wirft aber die Frage auf, ob der Staat Praktiken regeln soll, die religiöse Gemeinschaften für grundlegend in ihrem Verhältnis zu Gott halten."

    Warum sollten Religionsgemeinschaften besondere Rechte bei der Verstümmelung von Kindergenitalien haben?

  • M
    MeinName

    Was für ein Blödsinn. Es geht hier darum, dass unmündige KINDER nicht aufgrund einer religiös oder sonstwie motivierten Entscheidung der Eltern beschnitten werden dürfen und nicht darum "wie anders man sein darf". Wer das 18. Lebensjahr erreicht hat, darf schließlich mit seinem Körper tun was er/sie mag. Völlig am Thema vorbei, dieser "Kommentar".

  • R
    RedHead

    Wenn die religiösen Spinner hier am Ende mal wieder Sonderrechte bekommen, wird es Zeit, dass ich eine Religion gründe, die mir vorschreibt, gefährliche Idioten an ihrem tun zu hindern, mit allen Mitteln die mir geeignet erscheinen. Damit wird es meine schützenswerte religiöse Pflicht, hier wenn nötig mit Gewalt zu intervenieren. Wer macht mit? Lieber wäre mir natürlich, niemand hat das Recht, aus religiösen Gründen andere zu verletzen, dann bleibe ich auch Atheist. Aber wenn hier am Ende Sonderrechte an Wahnsinnige verteilt werden, warum dann vernünftig bleiben?

     

    Was kommt dann als nächstes? Christen erklagen ihr Recht auf das Praktizieren von Exorzismus und Hexenverbrennung, Moslems ziehen in den heiligen Krieg und das müssen wir alles im Namen der Religionsfreiheit erdulden? Ich glaube, es hackt! Wenn hier etwas das friedliche Zusammenleben stört, dann sind das die Religionen und ihre Vorstellungen von Anno dazumal selbst.

  • S
    suswe

    Der Kampf gegen Beschneidung ist kein Kampf für intakte Genitalien und befriedigenden Sex. Er ist ein Kampf für Selbstbestimmuung und gegen Traumatisierung von KIndern im Namen der Tradition.

    Einen Bund mit Gott kann man als erwachsene Person bewußt schließen, wenn man dazu die Beschneidung für notwendig hält.

  • M
    Michael

    Es ist ein Urteil das Justitzgeschichte schreiben wird.

    Endlich wir die Beschneidung von Jungen als das gesehen was sie ist: Körperverletzung, ein Straftatbestand. Frauen- und Mädchenrechtsorganisationen kämpfen schon seit langem gegen die Beschneidung von Mädchen, zu recht. Es ist an der Zeit dass es auch bei Jungen endlich als das benannt wird was es ist.

    Das Argument der Hygiene zählt nicht, waschen hilft auch!!

    Da die Vorhaut ein hoch sensitives Organ ist, ist die Beschneidung ein Symbol der religiös motivierten sexuellen Unterdrückung. Wenn der Mensch mit sexuellen Lustorganen ausgestattet ist, wollte Gott auch dass wir diese Lust empfinden.

    Wen die Körperverletzung der Beschneidung unter religiöse Freiheit fällt, wo ist da die Grenze zum Kindesmissbrauch und religiös begründetem Mord?

  • L
    lef

    Es geht hier nur um Religionsfreiheit!

    Und das heißt auch:

    Freiheit von Religion!

    Wer sich selbstständig dazu entscheidet, kann das gern machen,

    nichts anderes ist beschlossen worden!

    Eine Beschneidung ist aber ebenso unwiderruflich, wie ein Austritt aus jüdischer oder islamischer Religion prinzipiell nicht erlaubt ist.

    (im Gegensatz zur Taufe - die christliche Religion zu verlassen, ist erlaubt!)

     

    Ich fordere auch für mich Religionsfreiheit:

    Ich möchte nicht von irgendwelchen Kopftuch- oder Vorhautdebatten ständig belästigt werden!

  • S
    SchnurzelPu

    Mh, also wenn es um Genitalbeschneidung von Mädchen geht, dann ist die TAZ immer eindeutiger Meinung und das ist auch gut so - wenn es aber um Schwänze geht, sieht man das nicht so eng.

  • B
    boese

    Seit einiger Zeit findet man schon in der TAZ Artikel die man eher in der Jungen Freiheit vermuten würde.

     

    Was sich heute Links nennt hat schon einen grossen Schritt rüber zu der dogmatischen religösen Rechten gemacht.

     

    Zusammen mit Evangelikalen, orthodoxen Katholiken/Juden und Moslems fordert hier die TAZ das recht auf Beschneidung von Männern ein was sie bei Frauen strikt ablehnen würde.

     

    Es stellt sich jetzt die Frage eigentlich wer ist den die "neue Rechte" ist das was sich früher "Links" nannte.