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Warum überhaupt Landeslisten?
Sie verschärfen das Problem bis zur mathematischen Unlösbarkeit (s. negatives Stimmgewicht)
Die Landeslisten und Landes"verbände" sind aber der Ausdruck der "Partitokratie" zu der unsere Republik in 60 Jahren verkommen ist: die Mandatsträger verstehen sich als Mandatare ihrer Parteien, nicht des deutschen Volkes.DA liegt der Hund begraben. Deshalb die Unbelehrbarkeit Berlins1
Wir können froh sein, Karlsruhe zu haben, sonst wäre die Verfassung längst geschleift!
Es kann nur ein Kompromiss werden, und die, die nach der jeweiligen Stimmungslage am Wenigsten davon profitieren, werden weiter faul nennen. Anders ist der Spagat zwischen, Direktwahl-Elementen einerseits und Zweitstimmen- sowie Länderproporz andererseits nicht zu schaffen. In Karlsruhe wird wohl nur ein Modell durchkommen, dass dem Zweitstimmenproporz die höchste Priorität zugesteht und Einschnitte eher bei den anderen Zielen macht. Verfassungsrechtlich GANZ saubere Lösungen wie ein reines Verhältniswahlrecht oder die Abschaffung der Landeslisten zugunsten einer einheitlichen Bundesliste (ggf. bei gleichzeitiger Reduzierung der Direktmandate) hätten allesamt negative Konsequenzen für den politischen Konsens im Land. Ein Ende des Spiels ist daher eigentlich nicht denkbar.
"Ein Ausgleich der Überhangmandate durch Mandate für die anderen Parteien bläht den Bundestag um Dutzende zusätzliche Sitze auf."
Ob der Bundestag nun 620 oder 670 Abgeordnete hat, macht doch den Bock auch nicht mehr fett. Dafür stimmten dann wenigstens die Verhältnisse...
"Am Ende wird eine Lösung stehen, bei der einige Überhangmandate ausgeglichen werden, andere verrechnet und manche einfach so bestehen bleiben. Und dann können wir uns hoffentlich wieder den wirklich wichtigen Themen zuwenden."
Das Denkbar schlechteste Ergebnis.
Das wäre am kompliziertesten, am schwersten vermittelbar und fragwürdig in Bezug auf Legitmation.
Manche Vorschläge gehen da weiter: Oppermann von der SPD hat z.B. offene Listen ins Spiel gebracht.
Da bleibt die Frage: Wenn man schon die Listenreihenfolge direkt an der Liste ändern kann, wofür dann die Erststimme.
Kennt hier jemand "seinen" Abgeordneten aus dem Wahlkreis? Nein, na dann...
Die Wahl mit der Erststimme ist übrigens immer "fake". Da die Direktmandate mit der Liste verrechnet werden, tritt der Kandidat einer Partei eigentlich nicht gegen die anderen Kandidaten im Wahlkreis an, sondern gegen jene Person, die bei einem "Gewinn" des Mandats ihren Listenplatz räumen müsste. Oder anders ausgedrückt: Scheinbar wählt man zwischen verschiedenen Wahlkreikandidaten, de facto zwischen Wahlkreiskandidaten und zur Zeit der Wahl nicht bennenbare Personen am Ende der jeweiligen Liste.
Wie wäre es mit einem weiteren, einem politischen Kommentar? Gibt das Urteil nicht mehr her als eine Ich-weiß-was-über-die-Zusammenhänge! technokratische Nullaussage?
Große Batteriespeicher werden wichtiger für die Energiewende. Laut einer Studie verfünffacht sich ihre installierte Leistung in den nächsten 2 Jahren.
Kommentar Wahlrechturteil: Überhang und Überdruss
Am Ende wird die Lösung heißen: Einige Überhangmandate werden ausgeglichen, andere verrechnet und manche bleiben einfach so bestehen.
Wenn es ums Wahlrecht geht, dann geht es immer auch um die Legitimation der Demokratie. Deshalb ist der Streit über die Überhangmandate wichtig, auch wenn er – verglichen mit Wahlrechtskonflikten in vielen anderen Ländern – wie ein Luxusproblem daherkommt.
Denn im Prinzip ist unser Wahlrecht von allen Parteien akzeptiert. Auch in Zukunft soll sich die Zahl der Sitze im Bundestag nach den Zweitstimmen bemessen und zugleich jeder Wahlkreis einen mit der Erststimme direkt gewählten Abgeordneten haben. Umstritten ist nur, was passiert, wenn eine Partei in den Wahlkreisen mehr Mandate erringt, als ihr nach den Zweitstimmen zustehen. Bisher kann sie diese Überhangmandate behalten, andere Parteien bekommen keinen Ausgleich. Das verzerrt das Wahlergebnis.
Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt endlich gemerkt, dass die Überhangmandate keine breite Akzeptanz mehr finden. Es genügt eben nicht, dass sie nur von der Partei verteidigt werden, die jeweils gerade am meisten davon profitiert. Die Richter haben nun immerhin eine Begrenzung vorgeschlagen, ab der die Überhangmandate ausgeglichen oder verrechnet werden müssen.
Die Grenze von 15 Überhangmandaten ist spürbar. Allerdings können auch 15 Überhangmandate eine Wahl entscheiden. Völlig gelöst ist das Problem also nicht.
Umso wichtiger ist jetzt, dass sich die Parteien bewegen und einen Kompromiss aushandeln, den alle akzeptieren. Die Richter sind bei ihrem einstimmigen Urteil mit gutem Beispiel vorangegangen. 1997 gab es noch ein peinliches Vier-zu-vier-Patt entlang der mutmaßlichen parteilichen Präferenzen. Für einen politischen Kompromiss spricht auch, dass die Lösungen der Opposition keineswegs perfekt sind. Ein Ausgleich der Überhangmandate durch Mandate für die anderen Parteien bläht den Bundestag um Dutzende zusätzliche Sitze auf. Und eine Verrechnung mit Listenmandaten in anderen Ländern führt dazu, dass die CDU in manchen Ländern keine oder kaum noch Abgeordnete hat.
Am Ende wird eine Lösung stehen, bei der einige Überhangmandate ausgeglichen werden, andere verrechnet und manche einfach so bestehen bleiben. Und dann können wir uns hoffentlich wieder den wirklich wichtigen Themen zuwenden.
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Kommentar von
Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).