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Wirtschaftssanktionen gegen Syrien wirkenZeichen gegen das Blutvergießen

Während in Aleppo weiter gekämpft wird, verabschiedet die UN eine Resolution gegen die Gewalt. Das Regime bittet Russland um finanzielle Hilfe. Die Nachrichtenagentur Reuters wird gehackt.

Protest gegen das Regime in Damaskus. Das Foto wurde Reuters von Dritten zugespielt und soll am 3. August aufgenommen worden sein. Bild: reuters

NEW YORK/BEIRUT dapd/dpa | Die syrische Regierung steht wirtschaftlich offenbar mit dem Rücken zur Wand: Präsident Baschar Assad habe Russland um finanzielle Hilfe und Treibstofflieferungen gebeten, wie der stellvertretende syrische Ministerpräsident Kadri Dschamil am Freitagabend nach Gesprächen in Moskau sagte. Während die UN-Vollversammlung in New York mit überwältigender Mehrheit die anhaltende Gewalt in Syrien in einer Resolution verurteilte, zeigen die Wirtschaftssanktionen der EU und der USA offenbar Wirkung. Beobachter gehen davon aus, dass Syrien seine geschätzten Währungsreserven in Höhe von 17 Milliarden Dollar bald aufgebraucht hat.

Die UN-Vollversammlung setzte derweil mit ihrer Resolution ein Zeichen gegen das Blutvergießen in Syrien und das „Unvermögen des UN-Sicherheitsrats“. In einer nicht bindenden Erklärung warfen die Mitgliedstaaten dem höchsten UN-Gremium vor, bislang nichts gegen die Eskalation der Gewalt erreicht zu haben.

Die Regierung in Damaskus wurde in der Resolution unter anderem aufgerufen, Chemie- und Biowaffenbestände unter Verschluss. Verurteilt wurden zudem Angriffe syrischer Truppen, Milizen und Geheimdienstler auf Kinder im Alter von bis zu neun Jahren sowie der zunehmende Einsatz schwerer Waffen wie Panzer und Helikopter.

Die Resolution wurde von 133 der 193 UN-Mitgliedsstaaten angenommen. Zwölf Länder, darunter Russland und China, sprachen sich dagegen aus, 31 enthielten sich. Die von arabischen Staaten eingebrachte Resolution hatte ursprünglich eine Rücktrittsforderung an Assad sowie einen Aufruf zu Sanktionen gegen Damaskus enthalten. Die beiden zentralen Punkte wurden jedoch nach Bedenken Moskaus und Pekings fallen gelassen.

Am Samstag haben die Aufständischen in der nördlichen syrischen Metropole Aleppo das Rundfunkgebäude angegriffen. Ihre Attacke sei allerdings abgewehrt worden, erklärte ein örtlicher Rebellenkommandeur.

Die Nachrichtenagentur Reuters ist nach eigenen Angaben Ziel eines Hackerangriffs geworden. Im Blog-Bereich von Reuters.com seien mehreren Reuters-Journalisten gefälschte Einträge untergeschoben worden, unter anderem zu einem erfundenen Interview mit einem syrischen Rebellenführer. Das teilte Thomson Reuters am Freitag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit und berichtete darüber am Samstag auch im eigenen Nachrichtendienst.

In dem Beitrag wurde der Kommandeur der oppositionellen Freien Syrischen Armee, Oberst Riad al-Asaad, mit den Worten zitiert, seine Truppen würden sich aus dem nordsyrischen Aleppo zurückziehen. Dort liefern sich Militär und Aufständische seit Tagen heftige Kämpfe. Die Agentur erklärte, sie habe ein solches Interview nie geführt, der Eintrag sei gelöscht worden. Wer hinter dem Hackerangriff stecke, sei unklar, hieß es in der Meldung. Die Plattform mit den Blogs sei am Freitag vorerst vom Netz genommen worden.

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8 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    @Toyak:

     

    Ich weis nicht, ob wir die Unterdrückung der Kurden an der Religion der jeweiligen Machthaber festmachen können und ich kenne durchaus syrische Kurden, die sich keineswegs besser behandelt fühlen, als ihre türkischen Volksgenossen.

     

    Das sind aber Einzelmeinungen - eine Volskabstimmung darüber habe ich noch nicht gelesen.

     

    Fakt ist doch, dass alle Syrer unter dem Assad-Regime unterjocht werden.

    Dagegen haben sich auch alle Oppositionsgruppen ausgesprochen - inklusive der Kurden. Was ich mit Argwohn betrachte ist, dass in einer solchen Situation, wo es um die Erneuerung von Land und Gesellschaft und die Neugestaltung der Verfassung geht, die Kurdischen Vertreter ihr Augenmerk auf solche Dinge legen wie:

    Syrien soll künftig nicht mehr "Arabische Republik Syrien", sondern nur noch "Republik Syrien" heißen.

    Zwar ist es in Syrien völlig unabdingbar, dass alle Minderheiten geschützt werden und ich bin überhaupt kein Gegner der Kurden - gönne ihnen von mir aus sogar ihren eigenen Staat aus Landmasse in Nordsyrien, wenn sich alle darauf einigen können (was bei der Besiedelung allerdings interessant werden könnte) - denn wer nicht zusammenleben will, den sollte man nicht mit Gewalt dazu zwingen, oder?

    Tschechen und Slowaken konnten sich ja auch friedlich trennen. Meinethalben auch weitgehende Autonomie, wie im Nordirak. Oder was auch immer - das sollen die Syrer (Kurden und Araber) unter sich ausmachen, wie diese Frage gelöst wird.

     

    Aber bevor man überhaupt über so etwas sprechen kann, bevor überhaupt Gesetze und Strukturen geschaffen wurden, um die Probleme der einzelnen Volksgruppen zu regeln bereits die Opposition zu spalten (vgl. Konferenz in Kairo) und ein eigenes Süppchen zu kochen...halte ich politisch für naiv und deswegen bin ich argwöhnisch, weil Kurden nicht dümmer sind, als andere Menschen.

     

    Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben.

  • T
    toyak

    An: Ant-iPod

     

    Verständlich ist die Reaktion der syrisch-kurdischen Person auf jeden Fall. Denn die Kurden litten unter den angeblich muslimischen Herrschern vielmehr als unter dem Präsidenten Al Assad. Vergleichen Sie die Taten von dem Saddam an Kurden, die Taten derzeitigen türkischen Regierung an Kurden...

    Wenn Sie so sehr Freund von Demokratie und Menschenrechte sind, warum misstrauen Sie die Bestrebungen der Kurden in Syrien? Schließlich wollen diese lediglich ihren Staat gründen und so der Unterdrückung von mehreren Seiten entkommen. Ist denn das so schlimm?

  • A
    Ant-iPod

    Schon mist, wenn einem das Geld ausgeht, um die Schabiha-Schläger und Mördertrupps zu bezahlen.

     

    @Bernd:

    Danke für den Hinweis auf das Interview des Kurdenvertreters. Ich sehe die politischen Bestrebungen der Kurden in Syrien zwar mit großem Misstrauen... aber das jemand so weit gehen würde, die Widerständler als schlimmer denn die Regierungstruppen einzuschätzen, war mir von kurdischer Seite her neu.

     

    @toddi:

    Ich bin immer wieder beeindruckt, wie "respektvoll" Sie über die Meinungen anderer reden.

    Ihre These, dass die Mehrheit der Menschen - repräsentiert durch ihre Vertreter in der Vollversammlung - zumindest nicht für die Resolution gestimmt haben... lässt sich ja nachprüfen:

     

    http://www.un.org/News/Press/docs/2012/ga11266.doc.htm

     

    OK, China war dagegen, Russland auch und Indien neutral... das sind ca. 2,5 von 7 Milliarden Erdenbürgern... um einmal die bevölkerunsreichsten zu nennen.

    Ich gebe aber zu... ich habe jetzt nicht genau mit allen nachgezählt... kann ja jeder selbst machen.

  • T
    toddi

    die "überwältigende Mehrheit" bedeutet die meisten M e n s c h e n der Welt (mehr als ein viertel der Staaten) haben dieses Pamphlet abgelehnt bzw. stehen ihm gleichgültig gegenüber, dafür stimmten nur die „Vertreter“ der Islamfaschisten, USNATO und ihrer (ökonomisch unter Druck gesetzten) Lakaien obgleich auch die noch nicht mal für ihre (gesamte) Bevölkerung sprechen dürften ...

  • BG
    Bernd Goldammer

    Zeichen gegen das Blutvergießen??? Das, was der Artikel beschreibt, ist die militärische Stärkung einer der beiden Kriegsparteien, also eine Verschärfung des Blutvergießens. Das Handelsembargo ist Teil der militärischen Planungen der Strippenzieher des Todes. inzwischen berichten Experten wie der in Berlin lebende syrisch-kurdische Politikwissenschaftler Siamend Hajo am Freitag im Deutschlandfunk nach einem Telefonat mit einem Gewährsmann in Aleppo, im Stadtteil Salaheddin seien bis zu 60 Prozent der Kämpfer Al-Qaida-Anhänger. Diese Salafisten seien »schlimmer als die Regime-Leute« und würden »menschliche Schutzschilde« einsetzen. Hajo ist Europasprecher der Partei Kurdische Zukunftsbewegung in Syrien, die dem exiloppositionellen »Syrischen Nationalrat« (SNC) angehört. Er ist unverdächtig, Propaganda für Assad zu betreiben. Ein Korrespondent von AFP meldete am Freitag, in Aleppo stünden Tschetschenen, Algerier, Schweden und Franzosen Seite an Seite mit den syrischen Rebellen. Sie nennen sich »Brigade der Einheit der Mudschaheddin«.

  • HS
    Hannes Schinder

    Assad, du gieriger Machthaber, ich schmeisse 2 Schuhe auf dich

  • P
    pauli

    "Die syrische Regierung steht wirtschaftlich offenbar mit dem Rücken zur Wand"

    wie kommt man auf so einen quatsch? ich glaube nicht, dass irgendein minister persönlich unter den sanktionen leidet. vielmehr leidet die bevölkerung!

  • T
    T.V.

    Die UN ist schon ein höchst zynischer Verein. Konnte mir das Lachen bei dem Teaser nicht verkneifen.