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Bürgerkrieg in SyrienIranische Pilger entführt

47 iranische Pilger sind am Samstag entführt worden. Unbestätigten Meldungen zufolge haben Regierungssoldaten sie bereits befreit. In Aleppo dauern die Kämpfe an.

Zerstörungen in Damaskus. Bild: reuters

BEIRUT dapd/dpa/taz | Berichte über neue Massaker und die Entführung von fast 50 iranischen Pilgern haben am Wochenende erneut ein Schlaglicht auf die Gewalt in Syrien geworfen. Eine sunnitische Extremistengruppe erklärte zudem im Internet, einen bekannten syrischen Fernsehsprecher verschleppt und hingerichtet zu haben.

Die syrischen Regierungstruppen haben am Sonntag das südwestliche Stadtviertel Salaheddin in Aleppo mit ihrer Artillerie schwer beschossen. Es habe auch Gefechte zwischen Militär und den Aufständischen gegeben, teilten die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London mit. Zu Zusammenstößen kam es auch in den Stadtteilen Al-Hamdanija, Al-Sukkari und Al-Ansari. Die Regierungstruppen versuchen seit zwei Wochen vergeblich, die Rebellen aus der zweitgrößten Stadt des Landes zu verdrängen. Diese konnten das von ihnen kontrollierte Gebiet sogar ausweiten.

Derweil sprach sich Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) auch nach dem Rücktritt des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan für militärische Zurückhaltung in dem Land aus. „Das Scheitern der Diplomatie darf nicht automatisch zum Beginn des Militärischen führen", sagte de Maizière der Welt am Sonntag. Es sei „zweifellos bitter und frustrierend, auf dieses Morden schauen zu müssen, ohne direkt etwas dagegen unternehmen zu können“, erläuterte der Minister. Deutschland müsse weiter humanitär helfen und die demokratisch gesinnten Teile der Opposition logistisch unterstützen. „Aber mehr nicht“, sagte de Maizière.

Bewaffnete entführten am Samstag bei Damaskus 47 iranische Pilger. Der Vorfall ereignete sich, als die Pilger mit dem Bus vom Ort Sajeda Seinab zum Flughafen fuhren, wie die iranische Nachrichtenagentur IRNA meldete. Am späten Abend berichtete die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Fars, dass syrische Soldaten die Geiseln befreit hätten. Eine Quelle für die Information nannte die Agentur nicht. Auch eine Bestätigung von syrischer Seite gab es zunächst nicht. Iranische Staatsmedien machten die Rebellen für die Tat verantwortlich. Der Iran gilt als enger Verbündeter des Regimes von Präsident Baschar Assad.

Berichte über drei neue Massaker

Regimetreue syrische Milizen töteten nach Berichten der Süddeutschen Zeitung und der ARD in einem Ort südwestlich von Damaskus mehr als 60 Menschen. Ihren Reportern seien drei Massaker in den letzten Tagen in und um die Kleinstadt Dschdaidat Artus vor Ort von Anwohnern berichtet worden, teilte die Zeitung am Samstagabend mit.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London habe vor zwei Tagen von 43 getöteten jungen Männern in dem Ort berichtet, die von Sicherheitskräften festgenommen, gefoltert und später einzeln oder in Gruppen getötet worden seien. Anwohner hätten der Zeitung, der ARD und einem Team von UN-Beobachtern von mindestens 20 weiteren Opfern bei diesem und zwei weiteren Massakern berichtet.

Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen, stimmten aber darin überein, dass regimetreue Milizen dafür verantwortlich gemacht würden, hieß es weiter.

Syrischer Fernsehsprecher offenbar hingerichtet

Eine in Syrien ansässige sunnitische Extremistengruppe teilte unterdessen im Internet mit, sie habe einen bekannten syrischen Fernsehsprecher entführt und getötet, der seit dem 19. Juli als vermisst galt. Dem Mann sei vor seiner Tötung der Prozess gemacht worden, teilte die Gruppe mit dem Namen Al-Nusra-Front mit. „Vielleicht werden diese und andere Operationen all denjenigen als Beispiel dienen, die dieses tyrannische Regime unterstützen“, hieß es in einer Erklärung, die zusammen mit einem Foto des entführten Fernsehmannes veröffentlicht wurde. Das Foto stammte offenbar aus der Gefangenschaft.

Unterdessen gingen die Angriffe syrischer Regierungstruppen gegen die letzten von den Rebellen gehaltenen Viertel in der Hauptstadt Damaskus weiter. Heftige Kämpfe wurden zudem aus der Wirtschaftsmetropole Aleppo im Norden gemeldet, wo Hunderte Rebellen am Samstag das Rundfunkgebäude angriffen, während die Regierung Flugzeuge und Kampfhubschrauber einsetzte.

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7 Kommentare

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  • T
    toddi

    Zitat: "Berichte der Süddeutschen Zeitung und der ARD, wonach es in dem Ort Jdeideh Artus ein Massaker der Armee gegeben habe, haben Einwohner im Gespräch mit junge Welt zurückgewiesen. Allerdings sei das Vorgehen der Streitkräfte »sehr hart« gewesen. Dabei dürfe nicht vergessen werden, daß die bewaffneten Männer Dutzende Menschen in den vergangenen Monaten in dem Ort getötet und erheblichen Sachschaden angerichtet sowie Angst und Schrecken unter den Einwohnern verbreitet hätten. Zuletzt hatten die Aufständischen Transformatoren zerstört, die den Ort mit Strom versorgen."

    wieder mal ne "Ente" tot ...

  • D
    D.J.

    @Taban,

    "Die 47 oder 48 Iraner sind keine Pilger, sonder entsandte Quds-Einheiten von Teheran, mit dem Auftrag die syrische Bevölkerung zu töten. Dokumentationen hierüber sind schon per videoclips veröffentlicht."

     

    Soso, die syrische Bevölkerung. Bitte Ihre Propaganda etwas weniger primitiv - ich fühle mich sonst persönlich beleidigt.

    Gegen das, was in Syrien teilweise an die Macht drängt, sind selbst die Iraner jedenfalls noch Waisenknaben.

  • T
    Taban

    Die 47 oder 48 Iraner sind keine Pilger, sonder entsandte Quds-Einheiten von Teheran, mit dem Auftrag die syrische Bevölkerung zu töten. Dokumentationen hierüber sind schon per videoclips veröffentlicht.

  • A
    Ant-iPod

    Wieder ein Bericht über weiter eskalierende Gewalt und Verrohung auf beiden Seiten in Syrien.

     

    Es wird wohl nicht der letzte bleiben und es zeigt auf, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt. Entweder die Gewalt hält an und eine Seite wird sich letztlich durchsetzen - bis dahin werden aber unzählige Menschen gestorben und unendlich viel zerstört worden sein und der Versöhnungsprozess wird mit jedem Tag Gewalt immer schwieriger.

    Oder aber, beide Seiten finden eine politische Lösung.

     

    Mir ist Schleierhaft, wie ein Präsident bei einer solchen Lage im eigenen Land nicht die Hauptforderung der Opposition aufgreifen kann - selbst wenn er nicht heute zurücktritt, kann er dies aber doch glaubhaft in Aussicht stellen. Eine gute Gelegenheit wäre die kommendes Jahr ohnehin anstehende "Präsidentenabstimmung" in Syrien. Assad kann doch verbindlich zusagen, dort nicht mehr anzutreten und auch niemand sonst mit dem Namen Assad oder Machlouf - und damit deeskalierend wirken.

    Das wird wohl Wunschdenken bleiben...

     

    Wirklich sauer macht mich aber der deutsche Verteidigungsminister.

    So ein Ars.... man könne ja nichts machen...

    Klar ist, dass ein militärisches Eingreifen - zumindest alles intensivere als eine Flugverbotszone - die Gewalt noch weiter eskalieren lassen würde.

    Es ist aber auch Ausdruck eines minderbemittelten Geistes, immer nur in Kategorieren von Gewalt zu denken.

    Was ist mit einer deutlichen Ausweitung der Sanktionen? Warum belegt man bsw. Russland nicht aus Protest mit Sanktionen wegen seiner Unterstützung für Assad? Warum gibt es bis heute kein umfassendes Handels- und Finanzembargo einschließlich Drittstaatenbezug - so wie bsw. gegen den Iran?

    Warum existiert keine Seeblockade gegen Syrien, um den Handel weiter einzuschränken und nur noch Nahrungsmittel und medizinische Güter durchzulassen?

    Warum ergötzt sich auch die Deutsche Regierung daran, dass die syrische Opposition eben keinen starken Mann haben will, hinter dem sich alle vereinen - da man eben alle Gruppen in Syrien mit einbeziehen möchte und eben keine Einheitsmeinung will - und nimmt dies als Vorlage für ihre Untätigkeit?

    Warum verhandelt die Bundesregierung ernsthaft mit Saudi-Arabien und Katar über die Lieferung von Kampfpanzern etc. - also den Waffen, mit denen dereinst die nächsten Aufstände niedergeschlagen werden sollen?

     

    Der Mann ist so verlogen und widerwärtig... man kann es kaum fassen und muss sich nach Außen schämen für so viel Verlogenheit und Arroganz.

    Wie kann man mit solchen Charaktereigenschaften nur Minister werden?

  • R
    r.kant

    Ich habe da irgendwie kein Mitleid. Warum pilgert man auch jetzt in ein Kriegsgebiet? Da muss man doch damit rechnen da vielleicht nicht ganz unbeschadet rauszukommen. Ich verstehe solche Leute einfach nicht. Ist doch genauso mit den Touris die nach Mali oder in den Jemen fahren.

  • D
    D.J.

    Na huch, Dschihadisten verhalten sich wie Dschihadisten - Mord, Entführung, keinerlei Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, Hass auf Schiiten (mehr noch als auf Christen und Juden) - wer hätte das gedacht? Schade, dass ich dises wunderbare Land auf Jahrzehnte nicht nochmals werde besuchen können, wenn - o Jubel - ein blutrünstiger Diktator vom weit blutrünstigeren Abschaum der Menschheit ersetzt sein wird (oder glaubt hier tatsächlich jemand, dass sich säkularen/demokratische Kräfte gegen die Religionsfaschisten werden durchsetzen können? Das werden die Steinzeitislamisten in Saudi-Arabien schon zu verhindern wissen).

  • S
    suri

    Wie Al-Arabia meldet, sind die iranische Pilger durch FSA Terroristen entführt worden.