NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern: „Unterstützernetz in Bayern“

Auch im Freistaat nimmt ein Untersuchungsausschuss zu den NSU-Morden seine Arbeit auf. Dessen Vorsitzender, Franz Schindler, erklärt, wozu es diesen braucht.

Gedenkminute für die Opfer des NSU in München im November 2011. Bild: dpa

taz: Herr Schindler, mittlerweile haben der Bund und die Bundesländer Thüringen und Sachsen einen Untersuchungsausschuss, der die Morde der Zwickauer Terrorzelle NSU untersucht. Heute befragt auch in Bayern ein solcher den ersten Zeugen. Warum ist das nötig?

Franz Schindler: Schon allein deshalb, weil fünf der insgesamt zehn Mordanschläge, die dem NSU-Trio zugerechnet werden, in Bayern stattgefunden haben. Drei in Nürnberg und zwei in München. Zwar leistet das Gremium in Berlin hervorragende Arbeit, aber wir haben dort leider nicht alles erfahren, was wir wissen wollen.

Und das wäre?

Uns geht es um zwei Punkte. Zum einen wollen wir wissen, inwieweit die bayerischen Behörden rechtsextremistische Aktivitäten und Strukturen seit Beginn der neunziger Jahre beobachtet und eingeschätzt haben – insbesondere die Verbindungen zwischen bayerischen Rechtsextremen und solchen aus anderen Bundesländern –, und welche Konsequenzen sie aus diesen Erkenntnissen gezogen haben.

Und dann möchten wir wissen, was nach dem ersten Mordanschlag des NSU in Nürnberg im Jahr 2000 unternommen wurde, um einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund aufzuklären.

Glauben Sie, dass es Zufall ist, dass fünf der insgesamt zehn Morde des NSU in Bayern verübt wurden?

Das ist natürlich nur eine Vermutung, aber es erscheint mir sehr unwahrscheinlich, dass jemand extra nach Nürnberg fährt, um dort durch die Straßen zu laufen und wahllos jemanden abzuknallen. Ich meine schon, dass es eine Infrastruktur gegeben haben muss, dass die Taten von Bayern aus vorbereitet wurden, dass jemand vorher die Umgebung ausgekundschaftet und den Tatort besucht hat.

Ich glaube, da kommt noch mehr raus, als uns lieb ist. Dafür spricht auf jeden Fall, dass das Trio zahlreiche Kontakte nach Bayern hatte und hier auch mehrfach auf Veranstaltungen gesehen wurde.

Der bayerische Verfassungsschutz hat davon offenbar nichts mitbekommen. Wenn man sieht, wie der rechtsradikale Hintergrund des Oktoberfest-Attentats unter den Teppich gekehrt wurde, kann man auf die Idee kommen, die bayerischen Behörden guckten mutwillig nicht hin.

Ich glaube nicht, dass die Antwort so einfach ist. Man muss zwischen der bayerischen Polizei und dem bayerischen Verfassungsschutz unterscheiden. Die Einsatzleiter der Sonderkommissionen haben sich redlich bemüht, sind aber von Anfang an einer falschen Spur gefolgt. Ich glaube, ein politischer Hintergrund lag jenseits ihrer Vorstellungskraft.

Der bayerische Verfassungsschutz hingegen wurde 1998 von den Behörden in Thüringen informiert, dass Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt untergetaucht sind. Dort muss man gewusst haben, dass alle drei Kontakte nach Bayern hatten und mehrfach hier waren. Aus jetziger Sicht hätte man da mehr Aktivität an den Tag legen müssen.

Warum, glauben Sie, ist das nicht geschehen?

So viel traue ich mich auch jetzt schon zu sagen, ohne dass wir den ersten Zeugen vernommen haben. Es spricht viel dafür, dass der bayerische Verfassungsschutz rechtsextreme Bestrebungen und deren durchaus aktive Verbindungen in andere Bundesländer einfach nicht sehr ernst genommen hat. Stattdessen beobachtet man bis heute lieber zivilgesellschaftliche, linke Initiativen, die gute Arbeit leisten. Warum das so war, gilt es im Zuge der Befragungen herauszufinden.

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