Heimkinder in den Niederlanden: Missbrauch unter Staatsaufsicht

Trügerische Sicherheit: Die niederländischen Behörden haben beim Schutz von Heimkindern vor sexuellen Übergriffen versagt.

Viele Fälle werden ohne juristischen Folgen bleiben: Sie sind bereits verjährt. Bild: dpa

ARNHEIM taz | Kinder und Jugendliche, die aus ihren Familien herausgenommen und in Heimen erzogen wurden, wurden mehr als doppelt so häufig sexuell missbraucht als solche, die in ihren Familien aufgewachsen sind. Die zuständigen Behörden wussten, dass Minderjährige nicht ausreichend geschützt waren vor sexuellen Übergriffen.

Das sind die Ergebnisse der Untersuchungskommission Samson. Sie hat am Montag in den Niederlanden ihren Abschlussbericht über sexuellen Missbrauch in stattlichen Einrichtungen und Pflegefamilien veröffentlicht.

Laut dem Bericht werden Minderjährige mit einer geistigen Einschränkung dreimal häufiger Opfer von sexuellem Missbrauch. In Pflegefamilien kommt sexueller Missbrauch nicht häufiger vor als bei Kindern und Jugendlichen, die in ihren Familien aufwachsen. Interimsjustizminister Ivo Opstelten (VVD) nannte das Ergebnis „schockierend und außergewöhnlich trist“. Die Kinderschutzorganisation Jeugdzorg Nederland hat sich bei den Opfern entschuldigt.

„Sexueller Missbrauch ist inhärent in der Jugendpflege“, sagte Kommissionsvorsitzende Rieke Samson bei der Präsentation. „Schwerer Missbrauch kommt oft vor und dauert oft jahrelang.“

Etwa die Hälfte der Opfer wurde vergewaltigt. Die Hälfte der Täter sind gleichaltrige Kinder und Jugendliche. Samson zeigte sich geschockt, dass wegen sexuellem Missbrauch oder Gewalterfahrungen bereits traumatisierte und durch Richterbeschluss aus ihren Familien genommene Minderjährige unter staatlicher Obhut nicht vor sexuellen Übergriffen sicher seien.

Viele Fälle sind verjährt

Im Juli 2010 hatte die Kommission Samson ihre Arbeit aufgenommen. Bei der Untersuchung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in den Niederlanden waren auch Meldungen über sexuellen Missbrauch in staatlichen Einrichtungen und Pflegefamilien eingegangen.

800 Menschen meldeten sich bei der Kommission Samson. Untersucht wurde der Zeitraum seit 1945. Die meisten Opfer sind heute 50 bis 60 Jahre alt, viele Fälle sind verjährt. 42 Fälle wurden dem Staatsanwalt übergeben.

Zur Verbesserung der Lage empfiehlt die Kommission, bei der Ausbildung und Arbeit dem Missbrauchsrisiko mehr Aufmerksamkeit zu schenken und die sexuelle Entwicklung von Jugendlichen stärker zu thematisieren. Auch erhöhten gemischte Gruppen in Wohnheimen das Risiko für die Mädchen. Die Opfer fordern nun eine finanzielle Entschädigung.

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