Textilarbeiter in Bangladesch: „Wir werden oft eingeschüchtert“

Arbeiter werden verprügelt und entlassen, wenn sie sich für ihre Rechte einsetzen, sagt der Gewerkschaftsaktivist Amirul Haque. Brandschutz? Wird weitgehend ignoriert.

Nach dem Brand in der Fabrik in Savar. Bild: reuters

taz: Herr Haque, bei dem Feuer in der Textilfabrik Tazreen Fashions starben mehr als 100 Menschen. Wie konnte es zu der hohen Opferzahl kommen?

Amirul Haque: Das hat mehrere Gründe. Von Arbeitern haben wir gehört, dass die Aufseher den Feueralarm zunächst als falschen Alarm bezeichneten, im Treppenhaus fiel das Licht aus, und es gab keine Notbeleuchtung. Und die Zugänge zum Dach, wo etwa 800 Menschen Platz gefunden hätten, waren verschlossen. Viele der brennenden Stockwerke waren zwar mit Feuerlöschern ausgestattet – die Arbeiter waren aber nicht im Gebrauch geschult.

Ist das nur in dieser Fabrik so?

Wir sind in Bangladesch noch weit davon entfernt, sichere Arbeitsplätze zu haben. Es ist ein Unding, dass solche Industrien in Hochhäusern sind. Hier muss endlich ein Verbot her, das der Staat auch durchsetzt. Vor den Fabriken muss Platz sein, damit die Feuerwehr frei agieren kann, und die Textillager müssen in gesonderten Gebäuden untergebracht werden. Bei Tazreen versperrten die brennenden Lager den Arbeitern den Fluchtweg.

Warum werden solche Standards nicht umgesetzt?

Die Politiker und Geschäftsleute finden, dass diese Industrie wichtig ist, denken aber nur an ihre Profite. Wir fordern, dass sie sich auch um die Menschen kümmern, die ihnen ihre Profite bescheren. Auch die ausländischen Käufer haben eine Verantwortung, der sie nur selten nachkommen. Seit 2011 gibt es ein Brandschutzabkommen, das Schulungen und unabhängige Kontrollen vorsieht. Nur zwei Firmen sind dem beigetreten: die US-Firma PVH und Tchibo.

53, ist Präsident des Gewerkschaftsverbandes National Garments Workers Federation. Der Verband ist in rund 1.000 Textilfabriken in Bangladesch aktiv.

Können Sie als Gewerkschaft da nicht eingreifen?

Unsere Arbeit unterliegt vielen Einschüchterungsversuchen. Das Arbeitsministerium muss die Papiere für eine Werksgewerkschaftsgründung der Fabrikleitung vorlegen, bevor es die Gewerkschaft genehmigt. Die Arbeiter, die sich organisieren, müssen damit rechnen, entlassen oder versetzt zu werden. Unsere Verbandsarbeiter berichten, dass Fabrikbesitzer Hooligans auf sie hetzen, wenn sie Kontakt zu Arbeitern suchen.

Der Arbeitgeberverband will die Angehörigen der Opfer mit jeweils 100.000 Taka (1.000 Euro) entschädigen.

Diese Zahlen sind völlig willkürlich. Wir fordern, dass der Schadenersatz dem Gesetz entsprechend ermittelt wird, wobei das frühere Einkommen und die Lebensarbeitszeit maßgebend sind. Wenn eine 27-jährige Arbeiterin stirbt, hätte sie noch 30 Jahre gearbeitet. Bei dem Mindestlohn der untersten Lohnstufe, 3.000 Taka (30 Euro), müssten also eine Million Taka (10.000 Euro) gezahlt werden – plus 5 bis 7 Prozent Inflationsausgleich pro Jahr. 2011 wurden nach einem Brand pro Person 1,7 Millionen Taka Schadenersatz bezahlt.

Update: Eine frühere Version dieses Artikels gab Amirul Haques Namen fehlerhaft als Amirul Islam wieder.

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