Streit der Woche: „Europa sitzt tief im Keller“
Der griechische Botschafter Dimitris Rallis erwartet 2013 eine Erholung der europäischen Wirtschaft. Für die Autoindustrie sieht es aber nicht gut aus.
Der griechische Botschafter Dimitris Rallis rechnet mit einem Rückgang der Finanzkrise. Im aktuellen „Streit der Woche“ der sonntaz schreibt er: „Wir hoffen, dass das Jahr 2013 zum Rückgang der Finanzkrise, der sich allmählich abzeichnet, und auch zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in meinem Land führt.“
Er sei zuversichtlich, dass das Jahr 2013 europaweit Fortschritte bringen werde. Die Lage in Griechenland sieht er optimistisch: „Griechenland hat bereits weitgehende und tiefgreifende Maßnahmen auf politischer und Verwaltungsebene eingeleitet.“
Rallis wünscht sich eine Politik, die sich an einem humanistischen Menschenbild orientiert: „Was Europa als Ganzes betrifft, erhoffe ich, dass im neuen Jahr die Politik den Menschen bewusster in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt und Räume für persönliche Kreativität und Entfaltung schafft.“
Autowerke stehen still
Aber Europa hat Probleme zu bewältigen. Der Autoindustrie beispielsweise geht es alles andere als gut. Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, schreibt: „In USA und Asien bleiben die Automärkte auf Wachstumskurs. In Europa kämpft der Automarkt mit der Staatsschuldenkrise.“ Er befürchtet, dass 2013 „das schlechteste Jahr seit dem EU-Beitritt Griechenlands“ werden könnte.
Dudenhöffer erwartet für 2013 einen Rückgang bei den europaweiten PKW-Verkäufen um 3,5 Millionen. „Zur Einordnung: 3,5 Millionen Verkäufe entsprechen 12 Autowerken, die stillstehen.“ Das ließe die Autoindustrie zu Maßnahmen wie Verkaufsprämien für neue Modelle und Kurzarbeit greifen. Er kommt zu einem desillusionieren Resümee. „Europa sitzt tief im Keller“, schreibt er. „Diesmal haben nicht inkompetente Manager, sondern Politiker die Krise verursacht, die den Menschen die Arbeit raubt.“
Ein sauber verarbeitetes Jahr
Der Autor Uli Moll, der den Streit der Woche auf taz.de kommentiert hat, hält 2013 für ein handwerklich ordentliches Jahr: „365 Tage, säuberlich in Wochen (52) und Monate (12) aufgeteilt, mit sporadisch eingestreuten Feier und Brückentagen.“ Auch der Wettermoderator Sven Plöger findet 2013 nicht schlecht: „Es fängt schon damit an, dass es überhaupt existiert!“ Das stand ja mit dem für dem prophezeitem Maya-Weltuntergang am 21. Dezember 2012 kurz in Frage.
Maria Scharlau arbeitet als Völkerrechtsexpertin für Amnesty International. Sie stellt fest, dass für die Guantanamo-Häftlinge auch 2013 kein gutes Jahr zu werden verspricht. Für sie gäbe es keine Aussicht auf Freilassung. Selbst für diejenigen, die nachweislich unschuldig sind.
Die sonntaz-Frage „Wird 2013 ein gutes Jahr“ beantworteten außerdem Dorothea Schäfer, Finanzexpertin am Institut für Wirtschaftsforschung, der österreichische Kabarettist Werner Schneyder und der ATTAC-Aktivist Mike Nagler.
Leser*innenkommentare
karl-eduard altsack
Gast
Dudenhöffer ist nicht nur Prof. der Automobilwirtschaft, sondern, seinen langjährigen Verlautbarungen zufolge, so etwas wie der Kaffeesatzleser der Autoverkäufer. Es geht jedenfalls mit etwas sprachlich aufgemotztem Drama immer heftig konjunkturell rauf oder runter. Eine wirkliche Bedeutung haben seine Weissagungen nicht, füllen aber den beharrlich grösser werdenden geistigen Leerstand der bürgerlichen Gazetten immer trefflich aus.
Da Umsatz nicht gleich Gewinn ist, sagen Absatzzahlen und gar Absatzprognosen nur wenig über die Erträge einer weltweit aufgestellten Industrie aus und noch weniger über eine mutmassliche Beschäftigungsstabilität. Insofern ist der volkswirtschaftliche Wert solcher, von industriellen Suggestivintentionen getragenen Tröten absolut zu vernachlässigen.
Die Autoindustrie kämpft nicht pauschal und befindet sich auch in keiner Opferrolle, ist sie es doch, die mit ihrem wuchernden politischen Einfluss noch immer die Einführung eines Tempolimits in Deutschland zu verhindern vermag.
Seid einmal ein bisserl kritischer, hinterfragt mal einzelne Aussagen auf ihren lobbyistischen Lancierungshintergrund und macht euch nicht zu Sprachrohren der am meisten umweltgefährdenden Grossbetriebe und -kapitalien.