Energiewende in Thüringen: Zurück zur Kommune

400 Gemeinden kaufen sich die regionale Stromversorgung von Eon zurück. Billiger wird's nicht, aber besser - oder vielleicht doch nicht?

900 Millionen Euro kostet es die Kommunen, das "E.on" aus dem Bild zu eliminieren. Bild: dpa

Bürgermeister Horst Brandt aus der thüringischen Kleinstadt Langewiesen hält den Kauf der Eon-Tochter Thüringer Energie durch 400 Kommunen für international vorbildlich: „Mit der Größenordnung dieses Rekommunalisierungsvorhabens sind wir weltweit die ersten“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende der KEBT AG, der Kommunalen Energie Beteiligungsgesellschaft Thüringen.

In der KEBT sind alle kleineren Thüringer Kommunen vertreten. Aus ihr ist zudem der 400 Mitglieder zählende Kommunale Energie Zweckverband Thüringen (KET) hervorgegangen. Dieser will nun für rund 900 Millionen Euro die Mehrheitsanteile an der Thüringer Energie erwerben. Der entsprechende Vertrag wurde vor dem Jahreswechsel unterzeichnet und soll nun am 5. und 15. Februar von Versammlungen von KEBT und KET endgültig bestätigt werden.

Eon hatte Mitte 2012 beschlossen, sich von drei seiner sieben deutschen Regionaltöchter zu trennen. Die Verkäufe sollen die 15 Milliarden Euro Schulden von Eon reduzieren und dem größten deutschen Energiekonzern Mittel für die Expansion im Ausland, etwa in Brasilien oder in der Türkei, verschaffen.

30 Prozent Marktanteil

Die Thüringer Energie hat ein Netzgebiet mit einer Million Strom- und Gaskunden, von denen sie rund die Hälfte selbst beliefert, und verfügt damit in dem Bundesland über knapp 30 Prozent Marktanteil. Bereits jetzt hält die kommunale Seite 47 Prozent an dem Versorgungsunternehmen. Dabei gehören 36 Prozent der KEBT. Durch den Verkauf der Eon-Anteile steigt der kommunale Anteil nun auf 90 Prozent. Die bei Eon verbleibenden zehn Prozent sollen voraussichtlich später von der Stadtwerke-Holding Thüga AG übernommen werden.

Der bisherige Konsortialvertrag der KEBT mit Eon sah vor, dass ein Partner mit Veräußerungsabsichten seine Anteile zuerst dem anderen Partner anbieten muss. Die Thüringer nutzten diese Chance. Im Sommer 2012 sprachen sich 98 Prozent der in der KEBT vertretenen Kommunen für eine Übernahme aus.

„Etwas aufmüpfige Kommunen"

Eon sei bislang ein fairer Partner gewesen, sagt Aufsichtratschef Brandt. Aber es habe auch Konflikte mit den „etwas aufmüpfigen Thüringer Kommunen“ gegeben. Die hätten sich den weitreichenden Zentralisierungsabsichten des Konzerns widersetzt. Nun werde das Gegenteil möglich, mehr Dezentralisierung und Eigenversorgung, Dinge, die der Energiewende entgegenkommen.

Auch für den grünen Landtagsabgeordneten und Energiepolitiker Dirk Adams gehören Gas- und Stromversorgung sowie die Netze „in die Hand der Bürgerinnen und Bürger“. Die Rekommunalisierung sei logisch und alternativlos.

Warum ist dann aber nur die Hälfte der in der KEBT zusammengeschlossenen gut 800 Kommunen der neuen Käufergesellschaft KET beigetreten? Die KET wurde eigens zur Aufnahme von Kommunaldarlehen gegründet. Die KEBT ist als AG dazu nicht befugt. 549 Millionen Euro Kredite für den Eon-Kauf müssen künftig refinanziert werden.

Das Misstrauen bleibt

Ein Gutachten von Ernst & Young prophezeit zwar Gewinnerwartungen von jährlich 60 bis 70 Millionen Euro. Doch es hat das Misstrauen einiger Bürgermeister und Gemeinderäte nicht beseitigen können. Denn bei finanziellen Schwierigkeiten könnte der Zweckverband KET von seinen Mitgliedern eine Umlage erheben. Können die nicht zahlen, müsste das Land einspringen.

Das Landesinnenministerium hat bereits grünes Licht für den Verkauf gegeben. Bürgermeister Brand erwartet nun auch die Zustimmung der Kommunen. Billigeren Strom können die Bürger von der Rekommunalisierung allerdings nicht erwarten.

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