Fußball & Gender in Berlin: „Sie sagten: Frauenfußball ist kein Fußball“

Blöde Sprüche, Vorurteile, schlechte Bezahlung: Jennifer Zietz, Kapitänin von Turbine Potsdam, erzählt, wie es war, Profifußballerin zu werden.

Ist Frauenfußball noch Feminismus? Das Turbine-Team nach dem Sieg beim DFB-Hallenpokal im Januar. Bild: dpa

Kurz vor der Wende habe ich angefangen zu spielen, da war ich sechs. Zu Schulzeiten in Rostock war ich mehr mit den Jungs unterwegs, da stand für uns der Fußball an erster Stelle. Nach dem Unterricht haben wir immer gespielt. Die Jungs haben schon häufiger Sprüche abgelassen nach dem Motto: „Was willst du denn hier auf dem Platz?“

Beim Fußballspielen wurdest du als Mädchen sowieso erst mal als Letzte gewählt. Wenn die aber gesehen haben, du kannst ’n bisschen was, dann bist du in die Gruppe gerutscht und wurdest anerkannt. Später im Verein, beim BSG Rostock, haben wir als reine Mädchenmannschaft auch manchmal gegen die Jungs gespielt. Die ersten Spiele gingen gar nicht: Die Jungs waren richtig sauer, wenn sie verloren hatten. Wenn man damals mit der D-Jugend, also etwa mit elf, in die Dörfer fuhr, hieß es schon noch, wir seien Mannsweiber oder so.

Von den anderen Mädchen kamen keine blöden Sprüche, obwohl ich damals die Einzige war, die mit den Jungs Fußball gespielt hat. Vereinzelt kam die eine oder andere mit. Aber das war vielleicht auch, weil die auf irgend’nen Typen stand. Viele haben sich auch nicht getraut, mitzukommen.

Mit 16 bin ich dann auf das Fußballinternat nach Potsdam gegangen. Heute würde einem bei einem solchen Schritt wahrscheinlich auf die Schulter geklopft – damals haben die Leute eher gefragt: „Was willst du denn auf der Sportschule?“

Wenn man erzählt, dass man Fußball spielt, hat man überall sofort ein Gesprächsthema. Ich glaube, dass es gut ist, wenn die Frauen in diesen männerdominierten Bereich eindringen. Jede und jeder kennt den Sport, alle haben einen Lieblingsspieler, einen Lieblingsverein. Nach der Frauen-WM 2011 in Deutschland ist der Respekt größer geworden.

Was die Vorbilder betrifft, ist da immer noch eine Nähe zum Männerfußball. Unsere Nachwuchsspielerinnen sagen eher, dass sie Ronaldo oder Messi toll finden. „Guck mal, ich hab den Schuh von Cristiano Ronaldo“, heißt es dann. Und nicht: „Ich hab den von Lira Bajramaj.“ Dazu sind wir immer noch nicht genug in der Öffentlichkeit, etwa in Sportzeitschriften oder so. Oder Sammelhefte: So eins hatten wir zur Frauen-WM und das war’s. Ich fand auch den Männerfußball lange besser. Ich kannte Turbine Potsdam gar nicht, bevor ich hier angefangen habe.

Mein Idol war Mehmet Scholl. Der hing zumindest über meinem Bett. Als ich das erste Mal zur Nationalmannschaft kam und dort auf Doris Fitschen und Steffi Jones traf, habe ich schon große Augen gemacht.

Die Leute haben früher oft zu mir gesagt: „Frauenfußball ist kein Fußball.“ Ich sag dann immer: „Kommt ins Stadion, kommt gucken.“ In meinem Umfeld hat sich viel getan, seit wir mit Turbine 2010 die Champions League gewannen. Da haben viele gesagt, wie spannend das war. Das freut einen, wenn man mit seiner Leistung viele dazu animiert hat, den Frauenfußball für sich zu entdecken. Ich habe durch Fußball viel gelernt – Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen und Disziplin. Das kann für junge Frauen sehr wichtig sein.

Dass man zur Vermarktung des Frauenfußballs dann auch mal mit dem Sexy-Image spielt, finde ich legitim. Lira Bajramaj ist doch prädestiniert dafür – der liegt es, vor der Kamera zu posieren. Es ist doch klar, dass man Menschen nimmt, die die Sache gut präsentieren können. Beim Männerfußball ist es doch mittlerweile auch so, dass die gut Aussehenden sexy in Szene gesetzt werden. Das spiegelt einfach Tendenzen in der Gesellschaft wider.

Ein Mädchen hat es heute immer noch schwerer als ein Junge im Fußball. Wir sollten uns ohnehin nicht mit dem zufriedengeben, was wir erreicht haben. Im Gegenteil: Wenn man sieht, dass in Hamburg wieder Frauenfußballteams zurückgezogen werden oder – wie jetzt in Duisburg – erfolgreiche Vereine Insolvenz anmelden, sollten wir achtsam sein. Bei den Frauen wird das gerne als Unprofessionalität hingestellt. In solchen Fällen ist auch der Verband gefragt.

Siege ohne Prämie

Meine Knochen mache ich natürlich für weit weniger Gehalt kaputt als die Männer. Ich habe ein unruhiges Leben, kann mich nicht einfach nur auf den Sport konzentrieren. Ich studiere Sportwissenschaften und trainiere viel, beziehungsweise zuletzt war ich in der Reha. Ich habe ständig ’nen straffen Zeitplan. Morgens um acht gehe ich aus dem Haus, trainiere zwei bis drei Stunden, fahre dann zur Uni, bin meistens nochmal bei der Mannschaft und habe dann wieder Vorlesungen. Das würden die wenigsten männlichen Profisportler auf sich nehmen. Ein anderes Beispiel: Wir haben 2010 die Champions League gewonnen und gar nichts dafür bekommen. Das sollte man schon mal angleichen. Während der Karriere kann man als Profifußballerin schon ganz okay leben, aber mehr auch nicht. In Potsdam haben wir allerdings wirklich sehr gute Strukturen, auch in der Nachwuchsarbeit. Aber wir haben uns das auch erarbeitet.

Sport allgemein – nicht nur Fußball – kann meines Erachtens für uns Frauen dazu beitragen, dass wir uns auch in anderen Gesellschaftsbereichen durchsetzen.

Frauenfußball ist noch sehr jung. Von daher ist es auch klar, dass wir weit von den Verhältnissen des Männerfußballs entfernt sind. Am meisten erreicht man, wenn man gemeinsam mit den Männern für einen starken Frauenfußball kämpft. Die Liebe zum Sport verbindet uns ja alle.

Dies ist ein Text aus dem Themenschwerpunkt der taz.berlin-Wochenendausgabe. Darin außerdem zum Thema: Eine Reportage über Frauenfußball-Nachwuchsförderung bei Union und Türkiyemspor und ein Interview mit den MacherInnen von Discover Football. In Ihrem Briefkasten und am Kiosk.

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