Neil Young auf Tour: Einmal Bierstand und zurück

Neil Young beginnt sein Konzert in Hamburg mit der deutschen Nationalhymne und lässt auch sonst einige Fragen offen.

Alte Männer mit Gitarren: Neil Young und Band auf Deutschland-Tour. Bild: dpa

HAMBURG taz | Neil Young ist nicht wegen seiner Klamotten in die Pop-Geschichte eingegangen, aber ein modisches Vermächtnis hinterlässt er schon. Das merkt man an den Fans, die zu Youngs Konzert in die Hamburger o2-World gekommen sind: Es gibt einen Neil Young-Dresscode. Der wird zwar keineswegs lückenlos angewandt, aber seine einzelnen Komponenten finden sich doch immer wieder.

Da gibt es zum Beispiel den Cowboy-Hut, Young selbst trägt ihn auf der Bühne. Dazu lange graue Haare, deren mangelnde Dichte der Hut vorteilhaft verdeckt. An Hals und Fingern Indianer-Schmuck. Über den Bäuchen erdfarbene „Neil Young & Crazy Horse“-T-Shirts. Um die Schultern bestickte Umhängetaschen. Und in den Händen Drehtabak.

Nicht nur die Ex-Hippies unter den Zuschauern wundern sich, als der 67-jährige Ex-Hippie Neil Young die Bühne betritt und als erstes die deutsche Nationalhymne vom Band erklingt. Young steht da und hält sich mit der linken Hand den Cowboy-Hut vors Herz.

Soll das ernst gemeint sein? Vermutlich schon. Neil Young hat sich immer wieder zum Thema Patriotismus geäußert im Sinne von: Gut ist es, wenn ein Land seine Probleme durch Rückbesinnung auf die Tugenden der Großväter löst. Er meint das in Bezug auf Nordamerika. Dass die Sache mit dem Patriotismus und den Großvätern in Deutschland anders liegt, hat Young offenbar übersehen.

An der Grenze zum Schmerz

Um die Irritationen in der o2 World klein zu halten, legt er nach der Hymne umgehend los mit seiner Musik. Young steht im Kreis mit Rhythmusgitarrist Frank Sampedro, 64, und Bassist Billy Talbot, 69, und produziert Soundgewitter. Die tief gestimmten Gitarren donnern, dazu gibt es hohe Töne an der Grenze zum Schmerz und zwischendurch immer mal wieder die Ahnung schöner, melancholischer Harmonien.

Es sind neue Songs und das ist nicht einfach für jene Fans, die gekommen sind, um Hits wie „Hey Hey, My, My“ oder „Like A Hurricane“ zu hören. Aber so ist das halt: Young spielte nicht nur auf dem Woodstock-Festival, er war auch als „Godfather of Grunge“ ein Vorbild für Kurt Cobain und Sonic Youth.

Die geheimnisvolle Schöne

Plötzlich ist Schluss mit dem Lärm und Young holt die Akustik-Klampfe raus. Zur Mundharmonika spielt er „Heart Of Gold“ und „Blowin‘ In The Wind“. Bei „Singer Without A Song“ betritt eine junge Schauspielerin in engen Jeans die Bühne und trägt stumm einen Gitarrenkoffer spazieren. Nach dem Song verschwindet sie wieder. Es ist ein weiteres geheimnisvolles Element in Youngs Konzert.

Klar ist: Young ist nicht hier, um es allen recht zu machen. Als die junge Schöne weg ist, bilden die alten Männer wieder ihren Kreis und der Soundbrei kommt zurück. „Psychedelic Pill“ heißt Youngs letztes Album und die Instrumentalparts sind lang genug, um es zum Getränkestand und zurück zu schaffen, ohne etwas zu verpassen.

Neil Young groovt und tanzt, die Fans aber stehen still und schauen. Irgendwas stimmt nicht. Vielleicht wäre alles gut geworden, wenn Young noch „Like A Hurricane“ gespielt hätte. Hat er aber nicht.  

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