UNO-Bericht zu Syrien: Chemiewaffen-Einsatz vermutet
Ein Report der Vereinten Nationen hält den Gebrauch toxischer Kampfstoffe für wahrscheinlich. Sicher ist jedoch nur eines: Die Regierung verfügt über Chemiewaffen.
Diese Tiere sollen nach einem Angriff mit Chemiewaffen gestorben sein. Bild: Reuters
GENF taz | Über einen Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg wird bereits seit Herbst vergangenen Jahres kräftig spekuliert. Doch nach wie vor gibt es hierzu keine bewiesenen Fakten, sondern nur Vermutungen, Indizien und Behauptungen. Darüber geht auch ein am 4. Juni vorgestellter Bericht der UNO nicht hinaus. Es ist aber das erste Mal, dass die vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Ermittlerkommission für Syrien den Einsatz von chemischen Waffen für wahrscheinlich hält.
In dem Bericht heißt es, dass die Kampfstoffe bei Angriffen in vier Ortschaften in den Provinzen Aleppo, Idlib und Damaskus zwischen dem 19. März und dem 29 April verwandt worden seien. Die meisten Hinweise beträfen den Einsatz durch Regierungstruppen.
Es sei möglich, dass auch Aufständische über chemische Waffen verfügten ,darunter Nervengas, und diese einsetzten. Es gebe aber keine zwingenden Beweise, dass diese Gruppen darüber sowie über die erforderlichen Trägersysteme – Artilleriegeschosse, Bomben und Flugzeuge oder Scud-Raketen – verfügten. Der Leiter der Kommission, Paolo Sergio Pinheiro, räumte bei der Vorstellung des Berichts in Genf ein, dass es nicht möglich sei, die Kampfstoffe sowie die Täter zu identifizieren.
Sicher ist nur eins: Syrien verfügt über Chemiewaffen. Diese Tatsache hatte der Sprecher des syrischen Außenministeriums Dschihad Makdissi im Oktober 2012 mit seiner Erklärung indirekt bestätigt, die Regierung Assad würde „niemals Chemiewaffen gegen unsere eigenen Bürger einsetzen, sondern nur im Fall einer ausländischen Aggression“.
Syrien hat den Vertrag zum Verbot von Chemiewaffen icht unterschrieben
Syrien ist einer von sieben Staaten mit eingestandenem Chemiewaffenbesitz, die den 1993 verabschiedeten Vertrag zum vollständigen Verbot dieser Massenvernichtungswaffen nicht unterschrieben haben. Somit fällt Syrien nicht unter das Überwachungsregime der von den inzwischen 182 Vertragsstaaten gegründeten Internationalen Chemiewaffenbehörde in Den Haag. Daher beruhen sämtliche öffentlich gehandelten Daten und Zahlen über Herkunft, Umfang, Lagerungsorte, die Sicherung sowie die militärische Einsatzmöglichkeiten der syrischen Chemiewaffen auf mehr oder weniger verlässlichen Erkenntnissen diverser Geheimdienste – in erster Linie der USA und Israels.
Demnach soll Syrien über rund 1.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe verfügen, darunter 700 Tonnen Sarin sowie jeweils 100 Tonnen der hochgiftigen Nervengase VX und Senfgas. Die Geheimdienste haben Indizien für fünf oder sechs Lager-und Produktionsstätten, unter anderem in der Nähe von Damaskus, Aleppo und Homs. Für ihre Bewachung, den eventuellen Einsatz von C-Waffen sowie für Schutzmaßnahmen gegen fremde Angriffe mit C-Waffen sollen rund 70.000 der insgesamt über 600.000 syrischen Regierungssoldaten ausgebildet sein.
Die ersten Hinweise kamen Ende März
Bis Ende März dieses Jahres gab es keiner Hinweise, dass die syrischen Chemiewaffen in bisherigen Kriegen oder inneren Konflikten des Landes jemals eingesetzt wurden. Doch nach Angriffen auf die Stadt Khan al Asal nahe Aleppo im Norden Syriens sowie auf einen Vorort von Damaskus vom 19. März behaupteten zunächst die syrischen Rebellen, dann der israelische Geheimdienst und die französische Regierung, Assads Streitkräfte hätten das Giftgas Sarin eingesetzt. Verletzte seien mit typischen Symptomen wie Atemnot, verengten Pupillen sowie schäumendem Speichel in Krankenhäusern behandelt worden.
Auf YouTube waren entsprechende Videoaufnahmen sowie Fotos von angeblich an Sarin verendeten Tieren zu sehen. Wer diese Bilder gemacht und auf YouTube eingestellt hat, ist ungeklärt.
Nachdem zunächst britische und dann US-amerikanische Experten Gewebe-und Bodenproben an den beiden Angriffszielen genommen hatten, schrieb die Regierung Obama am 24. April an führende Senatoren, die Regierungsstreitkräfte hätten bei den Angriffen „in geringem Umfang“ das Giftgas Sarin eingesetzt. Zu dieser Erkenntnis seien verschiedene Geheim- und Aufklärungsdienste gekommen, wenn auch „mit einem unterschiedlichen Grad von Gewissheit“.
Gewissheiten gibt es bis heute nicht
Der Brief macht erneut deutlich, dass es weiterhin keinerlei Gewissheit gibt. Bei den von den Geheimdiensten untersuchten Gewebe-und Bodenproben ist weiterhin unbekannt, woher diese Proben genau kommen, wer sie wann genommen hat und ob sie tatsächlich im ursprünglichen Zustand ins Ausland gelangt sind. „Die Transportkette ist unklar, so können wir nicht bestätigen, wo und unter welchen Umständen die Proben genommen wurden“, heißt es in dem Brief der Obama-Administration. Das ist weiterhin der Stand der Dinge.
Inzwischen will die französische Regierung Proben analysieren, die zwei Reporter der Zeitung Le Monde von einem zweimonatigen Aufenthalt in der Region Damaskus mitgebracht hatten. Die Zeitung hatte am 27. Mai berichtet, die Regierungstruppen setzten regelmäßig punktuell C-Waffen im Kampf gegen die Aufständischen ein. Und der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant teilte am 29. Mai in New York mit, seine Regierung habe UN-Generalsekretär Ban Ki Moon neue Informationen über mutmaßliche C-Waffeneinsätze zukommen lassen. Von all diesen untersuchten Proben ist bislang kein detailliertes Ergebnis veröffentlicht worden.
Leser*innenkommentare
toyak
Gast
Es wäre doch zu erwähnen gewesen, dass in der Nähe zu syrischen Grenze die türkische Polizei 12 Personen festgenommen hat, von denen 5 in Untersuchungshaft sitzen. Sie hatten 2 Kilo Sarin zu hause aufbewahrt. Sie sind "Freiheitskämpfer" der al Nusra Front.
Herr Zumach, Sie waren früher seriöser, glauben Sie nun der eigenen Propaganda?
Peter Lustich
Gast
Gut recherchiert! Man sieht sofort die Qualität des Artikels.
Senfgas gehört nicht in die hoch giftigen Kampfstoffe.
VX oder Sarin sind um einige Zehnerpotenzen giftiger.
Gonzi
Gast
Chemie, Chemie, Chemie,
als gäbe es einen allumfassenden Chemiewaffenkrieg.
Zur Verantwortung sollten all jene gezogen werden, denen es mehr um einen gewaltmäßigen Sturz von Assad ging, als um ein Ende des Blutvergießens. Da könnte schon jetzt zur Tat geschritten werden.
vergessene Liebe
Gast
Blaa- Blaa- blaa ... !!! Wie war das doch gleich... mit der " Lügenlogik " der Begründung des IRAQ- Krieges?
Scheint sich die Geschichte zu wiederholen?
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Gewiss: Die Situation in Syrien ist `immer noch´ eine staatlich- geographische rein syrische Problemsituation:(und nicht mit der IRAQ Problematik vergleichbar)
Rebellen versuchen die Machtstruktur der syrischen Regierung um Präsident Assad zu zerstören. Dadurch wird Syrien mehr und mehr in Schutt und Asche gelegt.
Und vielerlei barbarische Entgleisungen und neue Hass- Kultur religiös-islamischer Prägung ist im entstehen..
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Es gilt zu fragen was das `vernünftigste´ im Namen eines Friedens ist:
Ob die eigentlich friedlich- säkuläre Richtung der bisherigen Assad Regierung der Bevölkerung Syriens und der Region .. `neuformuliert´... zivile Hoffnungen gibt.
Oder ob das Spektrum der Verwirrung der Rebellen... teilweise westlich-moderné angehaucht- jedoch grösstenteils islamisch radikal und fundamentalistisch formuliert... zivile Hoffnungen gibt!
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DAS WiCHTiGSTE ist offensichtlich, dass erst einmal die Waffen in Syrien Schweigen ... damit der Blödsinn des unsinnigen Mordens und zerstörens und der Wahnsinn der HassKultur und die Unvernunft der Barbarei des Krieges gebremst wird !
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WAFFENSTILLSTAND Bittesehr !
Und konstruktive Friedensverhandlungen !
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Es geht nicht darum, dass die Achse des `Westens´: ( USA ,Israel,NATO..)
die Achse: Russland- Iran-Syrien.. schwächen (durch ihre Unterstützung an die `syrischen Rebellen´!
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Es geht darum, Syrien zu erhalten- als einen `Ort des Friedens´ der die MachtAchsen in ihren Verschiedenheiten friedlich vereint!
asident
Sky
Gast
Kuerzlich wurden Giftgasfabriken von Al Qeuida im Irak ausgehoben. Al Queida gehoert mit zu den Rebellen. Wenig Gift koennte auch ein Test gewesen sein. ... Oder die Provokation weitere Dritte reinzuziehen.
Greater Middle East Project
Gast
Hat sich die USA je für den Einsatz von Chemiewaffen in Vietnam entschuldigt, für Atombomben in Japan oder für atomar bestückte Sprengsätze im Irak? Puh, naja, die Liste der Verbrechen würde die Länge eines Leserbriefes sprengen. Kann ja jeder selbst nachforschen. Wieviele Menschen werden derzeit von den USA brutalst gefoltert? Wie viele Menschen wurden überhaupt die letzten 10 Jahre von den USA brutalst gefoltert? Aber a ja, das sind ja die Guten, nicht wahr? Demokratie, Freiheit, Menschenrechte! Große Ziele, erkämpft mit Blut und Eisen - uups das war ja Bismarcks Blut und Eisenrede. Also, machen wir Zuckerbrot und Peitsche - uups wieder Bismarck, wir wollten ja bei den USA bleiben. Angesichts der aktuellen Ereignisse in der Türkei müsst Ihr eure Berichterstattung auch über Syrien überdenken. Wie wärs, sich auch mal mit Vorwürfen der Gegenseite zu befassen, meine liebe Taz. Oder wollt ihr wieder glühend für eine militärische Intervention in Syrien eintreten, wo doch längst die ganze Welt weiß, dass die islamistischen Freiheitskämpfer keine Freiheit bringen wollen. Und die Menschen in der Türkei sind in die Quere gekommen. Ja sowas. Die hatten nämlich den Erdogan satt, schon längst. Aber wie alle anderen habt auch ihr nie darüber berichtet, dass er eure Brüder, Journalisten, die er nicht mag ins Gefängnis bringt, er Schriftsteller ins Gefängnis bringt, die gegen ihn berichten, er Militärs ins Gefängnis bringt, die gegen ihn sind. Naja, Madame Merkel hat Erdogan ja erst Patriots geliefert und deutsche Soldaten. Erdogan hat ja Syrien nach Leibeskräften provoziert. Und die Hacker Redhack veröffentlichten Dokumente, woraus hervorgeht, dass Erdogan einen Terroranschlag auf sein eigenes Volk verüben ließ um es dem Assad in die Schuhe zu schieben. Von euch, liebe Taz, hört man nichts davon. Seid Ihr eigentlich tatsächlich Linke? Egal, cu, euer Greater Middle East Project. PS: Ich weiß schon, Ihr wollt für das Gute kämpfen und habt eigentlich gute Absichten...