EU-Gesetz zur Netzneutralität stockt: Digital ist doch nicht jeder gleich

Die EU-Kommission will die Netzneutralität jetzt offenbar doch nicht gesetzlich verankern. Das wäre schlecht für die Verbraucher.

Zögerlich: EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, Neelie Kroes. Bild: dpa

BERLIN taz | Noch vor einem Monat sah es so aus, als würde EU-Kommissarin Neelie Kroes die Forderung, Netzneutralität gesetzlich zu verankern, unterstützen. In dem Verordnungsentwurf, den das Onlineportal „Netzpolitik.org“ vor einigen Tagen veröffentlichte, zeichnet sich jedoch das Gegenteil ab. So soll es etwa Anbietern von Inhalten und Service erlaubt sein, untereinander Vereinbarungen über die „Behandlung von Datenvolumen oder die Übermittlung von Traffic“ zu schließen. Das würde der Ungleichbehandlung im Netz Vorschub leisten und sorgt deshalb für Proteste.

„Netzneutralität“ besagt, dass Provider alle an die Nutzer zu transportierenden Daten gleichbehandeln. Festgeschrieben ist das derzeit weder nach deutschem noch nach EU-Recht. Unternehmen können also schon heute entsprechende Vereinbarungen treffen oder Verbrauchern bestimmte Nutzungsarten untersagen. So schließen etwa Mobilfunkanbieter zum Teil die Nutzung von Internettelefonie in ihren Geschäftsbedingungen aus. Bei einer Reform des Telekommunikationsgesetzes von 2012 verzichtete die Bundesregierung darauf, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern.

Laut EU-Kommission haben bislang nur Slowenien und die Niederlande entsprechende Gesetze. Der Vorschlag von Kroes sei auch mit dem niederländischen Gesetz kompatibel, sagt Ryan Heath, Sprecher der Kommission. Der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht sieht das anders: „Gesetze wie in den Niederlanden würden dann nicht mehr möglich sein.“ Der Entwurf benachteilige nicht nur Verbraucher, die gegebenenfalls unter einer zwischen Unternehmen geschlossenen Vereinbarung leiden würden. Er behindere auch den Wettbewerb, für den ein neutrales Netz zentral sei.

Welche Auswirkungen das Fehlen von Netzneutralität auf den Wettbewerb haben kann, ließ kürzlich die Telekom erahnen. Der deutsche Marktführer hatte im April ein neues Tarifmodell angekündigt. Es soll ab 2016 gelten und dazu führen, die Downloadgeschwindigkeit nach dem Erreichen eines bestimmten Limits drastisch zu drosseln. Gleichzeitig sollen Dienste wie das konzerneigene Fernsehangebot Entertain weiter in voller Geschwindigkeit übertragen werden. Fernsehen über Entertain würde also auch nach Überschreiten des Limits funktionieren, für ein Video aus der Mediathek eines TV-Senders wäre die Verbindung aber zu langsam. Attraktiv sind solche Vereinbarungen nicht nur für Provider, die so zusätzliche Einnahmen erhalten, sondern auch für große Unternehmen, die es sich leisten können, für den bevorzugten Transport ihrer Inhalte zu zahlen.

Die Debatte geht weiter

Ob Kroes’ Vorschlag überhaupt umgesetzt wird, ist unklar. „Das geleakte Dokument ist nicht das Abschlussdokument, daher sind einige Spekulationen etwas übereilt“, sagt Heath.

Auf Bundesebene geht die Debatte ebenfalls weiter. Zuletzt hatte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) den Entwurf einer deutschen Verordnung vorgelegt. Demnach sollen alle Datenpakete unabhängig von Inhalt oder Ziel gleichbehandelt werden – eigene Dienste der Provider sind aber ausgenommen. Das Entertain-Modell der Telekom wäre so erlaubt.

Für Mittwochnachmittag hatte das Wirtschaftsministerium Verbände und Unternehmensvertreter zu einer Anhörung geladen. Dabei kritisierte etwa der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in einer Stellungnahme, der Entwurf des Wirtschaftsministers sei „zu unklar und widersprüchlich, um Einschränkungen beim Internetzugang verhindern zu können“.

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